Seitens der Strafverteidiger wird die geplante Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens zur Unterbindung des Missbrauchs von Beweisanträgen im Strafprozess zu heftigen Reaktionen führen

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 23.06.2009

Nordrhein-Westfalen will den Missbrauch des Beweisantragsrechts zum Zwecke der Prozessverschleppung unterbinden. Im Herbst soll ein entsprechender Gesetzentwurf über den Bundesrat in den Bundestag eingebracht werden, wie die Justizministerin des Landes Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) am 17.06.1009 in Düsseldorf mitteilte. Kernpunkt des Entwurfs sei eine Neuregelung in der Strafprozessordnung, nach der das Gericht in länger dauernden Strafprozessen zum Ende der Beweisaufnahme eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen setzen könne. Nach Ablauf der Frist könnten Beweisanträge dann anders als bisher schon deshalb abgelehnt werden, weil sie zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich seien. Den Ausgangspunkt dürfte der heftig diskutierte Beschluss des BGH vom 23.9.2008 - 1 StR 484/08 - bilden.

Ziel der Initiative sei es nicht, legitime prozessuale Rechte von Angeklagten oder ihren Verteidigern zu verkürzen, sondern diejenigen Prozessbeteiligten zu einer zügigen Antragstellung anzuhalten, denen es erkennbar nur um Prozesssabotage gehe. Die Gerichte sollten einem Missbrauch prozessualer Rechte insbesondere auch im Interesse der Tatopfer wirksam begegnen können. Opferschutz bedeute auch, den Abschluss eines Strafverfahrens in sachlich angemessener Zeit zu gewährleisten, so die Justizministerin weiter. Sie betonte, dass der Gesetzesvorschlag im Kern einer bereits seit Jahren vom BGH erhobenen Forderung entspreche, den Missbrauch von Verfahrensrechten einzudämmen.

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3 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Kollege von Heintschel-Heinegg,

ohne dass ich mich mit dem Umfang der vorgeschlagenen Beweisantragsrechtseinschränkung näher befasst hätte, möchte ich Folgendes ketzerisch in die Debatte werfen: Während seit Jahren der angebliche Missbrauch von Verfahrensrechten durch Strafverteidigung beklagt wird, wurde der meines Erachtens überbordende gesetzwidrige Missbrauch von Machtstellung im Strafverfahren durch die Justiz, der sich in "Deals" zeigte, die aufgrund der Androhung hoher Strafen bei Nichtgeständnis und dem "Angebot" wesentlich niedrigerer bei Geständnis  herbeigeführt wurden, jahrzehntelang rechtspolitisch geduldet und kürzlich abgesegnet. Wenn nun das Beweisantragsrecht verschärft werden soll, klingt das für mich so, als wollten die Justizminister die Verhandlungsbasis für den Deal zu Lasten der Beschuldigten verschieben. Mich wundert zudem, warum der Ablehnungsgrund "Prozessverschleppung" in § 244 StPO  vom BGH so eng ausgelegt wird, zugleich aber immer wieder weitere Ablehnungsgründe gefordert werden, die ebenfalls Prozessverschleppung verhindern sollen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Kollege Müller, lieber Herr Stamm,

die Verknüpfung von "Deal" und "Mißbrauch des Beweisantragsrecht" empfinde ich keineswegs als ketzerisch, sondern als notwendig, um entstehende Schieflagen in der StPO auszumachen.

Aus Sicht der Justiz kann die Rechtsprechung zu einem verschärften Beweisantragsrecht jedoch auch als Schutz davor gesehen werden, gerade nicht zu einem Deal gezwungen zu werden. Zumal in Wirtschaftsstrafsachen besteht seitens vieler Verteidiger doch eine starke Tendenz besteht, wenn möglich eine Absprache zu erreichen.

Einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehe ich nicht, zumal höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, auch wenn diese sich der Kritik ausgesetzt sieht. Die wohl unstreitig mißbräuchlichen Einzelfälle hat die Praxis in den Griff bekommen, ohne dass in die Grundlagen des Beweisantragsrechts angetastet werden mussten.  Wie schon von Ihnen, lieber Herr Stamm, angesprochen: Im Strafprozess geht es um die Ermittlung der Wahrheit, die nicht der Prozessökonomie geopfert werden kann.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

 

Hallo, ich kann Herrn Müller nur zustimmen. Man nimmt mal wieder Einzelfälle, um das Gesetz zu ändern, mit der Folge, dass auch in "Feld-Wald-Und Wiesen-Fällen" die Praxis gerne auf die neuen Regelungen zurückgreifen wird. Die Fälle der reinen Prozessverschleppung sind doch nun wirklich selten. Aber: Das was der 1. Strafsenat des BGH macht, hat mir Rechtsprechung nichts zu tun. Das ist Gesetzgebung und die steht Herrn Nack nun mal nicht zu. Aber Frau Müller-Piepenkötter hilft ihm dann schon. Man glaubt es nicht.

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