Wie sicher sind Deutschlands Gerichtsäle? - Nach Landshut nun Dresden: Angeklagter ersticht Zeugin in der Berufungsverhandlung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 01.07.2009

Nach einer aktuellen Meldung von t-online hat ein 28 Jahre Angeklagter im Dresdner Landgericht während laufender Berufungsverhandlung unvermittelt eine 32 Jahre alte Zeugin mit einem Messer erstochen sowie zwei weitere Menschen verletzt. Der Messerstecher wurde überwältigt. Der Ort des Geschehens ist abgesperrt.

Bekannt ist bislang lediglich, es ging in der Verhandlung um Beleidigung, weswegen der Angeklagte vor einem Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Für das jetzige Berufungsverfahren habe es nach Auffassung des Gerichts keinen Anlass zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen gegeben. Noch ist unbekannt, in welcher Beziehung Täter und Opfer zueinander standen.

Erst im April war es im Landshuter Landgericht zu einer Bluttat gekommen. Nach jahrelangem Streit erschoss ein sechzigjähriger Mann seine 48-jährige Schwägerin, verletzte deren Anwalt und eine zweite Schwägerin schwer. Schließlich nahm er sich mit einem Kopfschuss das Leben.

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13 Kommentare

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@ Fabian Stam: Auch bei Sicherheitskontrollen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur wahren, wie er sich aus dem Grundgesetz ergibt, da eine Körperkontrolle immer noch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Wie Sie aus dem Beitrag von Herrn Prof. Dr. Heintschel - Heinegg und den Medien entnehmen können, ging es in dem Verfahren in der Beschwerdeinstanz um ein Beleidigungsdelikt, was naturgemäß nicht sehr schwer wiegt - wobei ich nicht unbeachtet lassen will, dass es da natürlich graduell starke Unterschiede geben kann. Das Gericht sah es in dem vorliegenden Fall womöglich nicht für erforderlich an Eingangskontrollen zu installieren bzw. durchführen zu lassen. Meines Erachtens auch zu Recht. Auch, wenn in diesem Fall der Angeklagte der Täter war, so würden zukünftig auch Zeugen bzw. Unbeteiligte sozusagen "inkriminiert" werden, wenn sie auch einer Leibesvisitation unterzögen würden.

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Lieber Herr Stam,

ich kann nur für den Fall Amts- bzw. Landgericht Regensburg sprechen: Dort werden grundsätzlich alle, die in das Gerichtsgebäude wollen, am Eingang kontrolliert. Ausnahmen gibt es nur für Richter/Staatsanwälte/Justizbedienstete/Referendare und Rechtsanwälte. Ein Unterschied zwischen Zivil- und Strafsachen wird nicht gemacht.

Problematisch sehe ich allerdings die Frage, was die (offensichtlich) unbewaffneten Justizbeamten in dem Fall machen würden, in dem eine Person eine Waffe mitführen würde. Da er diese dann vermutlich bereits am Eingang verwenden würde, ist schon die Sicherheit der Justizbeamten für diesen Fall nicht gewährleistet.

Trotzdem ist Kant#2 insoweit zuzustimmen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein muss. Es darf nicht zur Schikane werden, einer öffentliche Gerichtsverhandlung beiwohnen zu können.

Beste Grüße

Wolfgang Staudinger

Lieber Herr Stamm,

wie schon die Diskussion zeigt, werden die Eingangskontrollen sehr unterschiedlich gehandhabt.

Nach "Landshut" sind jedenfalls in Bayern, bei denjenigen Gerichten, die Eingangskontrollen nur ausnahmsweise vorgenommen haben, verstärkt worden. Selbstverständlich: Angeklagte sollen nicht bewaffnet zur Verhandlung erscheinen. Andererseits gilt, wie schon angesprochen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; denn der Öffentlichkeitsgrundsatz wird entwertet, wenn zu strenge Eingangskontrollen vom Betreten des Gerichtsgebäudes und dem Besuch der Verhandlungen abhalten.

Um weitere Erfahrungen zu sammeln, darf man auf die weiteren Informationen gespannt sein, insbesondere ob Täter und Opfer in Beziehung standen.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

 

Prof. Dr. Bernd v. Heintschel-Heinegg schrieb:

Selbstverständlich: Angeklagte sollen nicht bewaffnet zur Verhandlung erscheinen.

Lieber Prof. von Heintschel-Heinegg,

dieser Aussage ist nur zuzustimmen! Ich würde sogar sagen: sie dürfen nicht. Dabei würde mich interessieren, wie die Sicherheitsvorkehrungen für die Staatsschultzkammer/den Staatsschutzsenat aussehen (natürlich ohne Details, die diese unterlaufen würden). Sind diese noch im Rahmen dessen, was der Öffentlichkeitsgrundsatz ertragen muss?

Beste Grüße

Ihr
Wolfgang Staudinger

Ein Einzelfall, tragisch, aber -Gott sei Dank - ein Einzelfall

Ich warne nachdrücklich vor Hysterie

Schärfere Sicherheitskontrollen hätten die Tat im Gericht möglicherweise verhindern können - nicht aber davor.

Gerichte sind öffentliche Gebäude und müssen für den Bürger möglichst frei zugänglich bleiben. Er muss bei einem AG sein Grundbuchamt, seine Nachlassabteilung usw. ohne große Kontrollen erreichen können.

Wenn morgen ein Bürger seinen Fallmanager bei der ARGE, seinen Finanzbeamten oder den Sachbearbeiter im Rathaus erschießt, wollen wir dann auch dort überall "Sicherheitsschleußen" ?

Und in den Schulen auch?

Wollen wir in solch einer Republik leben ?

 

 

 

Sehr geehrter Herr Burschel,

Ihrer Meinung kann ich mich nur anschließen. Sicherheit ist die eine Seite, Freiheit die meist darunter leidende andere. Sehr zu empfehlen ist die Lektüre von Prantels "Der Terrorist als Gesetzgeber", in dem er diese Problematik darstellt und bewertet.

Beste Grüsse

Wolfgang Staudinger

Lieber Herr Staudinger,

Ihre Frage mit Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen bei der Staatsschutzkammer/dem Staatsschutzsenat kann ich für das Strafjustizzentrum München ohne weiteres beantworten:

Die Sicherheit muss grundsätzlich durch die allgemeine am Eingang stattfindende Kontrolle gewährleistet werden; egal, wo der Betreffende hin will.

So weit für den einzelnen Prozess mit hohen Sicherheitsanforderungen (in München: z.B. die Prozesse gegen die sog Russenmafia) eine spezielle Sicherheitsverfügung der/des Vorsitzenden ergeht, hängt diese für jederman einsehbar aus und kann dazu führen, dass nochmals eine körperliche Kontrolle vor dem Gerichtssaal staatfindet.

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg 

Aus meiner Referendariatszeit in Dortmund kenne ich Gerichtszugang auch nur durch den Metalldetektor.

Wobei ich allerdings dessen Sinn sehr bezweifelt habe, als ich irgendwann im Laufe des Arbeitstages am AG Lünen überrascht feststellen musste, dass ich mein Taschenmesser noch in der Hosentasche hatte und die Eingangskontrolle nicht angeschlagen hatte.

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Ausländerhass war nach Überzeugung der Ermittler das Motiv für die tödliche Messerattacke im Dresdner Landgericht. Gegen den in Untersuchungshaft befindlichen 28-jährigen Deutsch-Russen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mords.

Der Beschuldigte soll die 31-jährige, im dritten Monat schwangere Ägypterin mit mndestens 18 Messerstichen getötet und den Ehemann lebensgefährlich haben, bevor er überwältigt werden konnte.

Mitte 2008 soll der Beschuldigte die Frau auf einem Spielplatz als "Islamistin", "Terroristin" und "Schlampe" bezeichnet haben, nachdem sie ihn gebeten hatte, ihrem dreijährigen Sohn Platz auf einer Schaukel zu machen. Die Muslimin hatte Anzeige erstattet. In der erstinstanzlichen Verhandlung soll der Beschuldigte zu erkennen gegeben haben, dass Menschen aus der arabischen Welt "keine beleidigungsfähigen" Personen seien (Quelle: Straubinger Tagblatt 4.7.2009 S. 3).

Am Donnerstag haben Justizbeamte am Eingang des Dresdner Landgerichts jeden Besucher mit Metalldetektoren kontrolliert (Quelle: FAZ 3.7.2009 Nr. 151 S. 7).

Noch einige Aspekte, die in der Berichterstattung bislang etwas "untergegangen" sind:

Der zu Hilfe eilende Ehemann der Ägypterin, der den Angeklagten überwältigen wollte, wurde von den hinzukommenden Polizeibeamten gezielt ins Knie geschosen, weil man ihn für den Angreifer hielt (Quelle). Durch den Schuss wurde dann noch Amokalarm im Gerichtsgebäude ausgelöst.

Die Tat wird in der ägyptischen Presse als Zeichen für die islamfeindliche Atmosphäre in Deutschland angesehen, entsprechende Proteste vor der deutschen Botschaft in Kairo sind die Folge (Quelle). Die Getötete wird als Märtyrerin des Kopftuchs verehrt.

In Ägypten wird unter anderem berichtet, es werde von der Staatsanwaltschaft derzeit (nur) wegen Totschlags ermittelt, obwohl das Motiv "Ausländerhass" sehr nahe liegt. In der Tat würde es auch mich irritieren, wenn hier nicht auch Mord - niedrige Beweggründe - in Betracht gezogen würde. In deutschen medien wird allerdings von "Mordermittlungen" berichtet (Quelle).

Die mediale Empörung (zumindest der deutschen Boulevardpresse) über diese Tat hielt sich (im Gegensatz zu der Tat der Schweizer jugendlichen Gewalttäter in München) in Grenzen. Zu Recht kann man nach dem "Warum?" fragen.

Der oben verlinkte Artikel endet so: For now, at least, Egyptians are waiting to see if there will be a proper response to the murder, a discussion of the causes. Their optimism is not high, however, as many view the Western media as part of the problem, not the solution.
“They don’t want to show Muslims as victims. Muslims have to be the terrorists, not the other way around, so I doubt anything will come of them [media]," added Salma.

Nach meiner Ansicht sollte die deutsche Justiz alles tun, um solche Vermutungen zu widerlegen.

 

 

Es fällt mir schwer, Ausländerhass als Motiv für diese schreckliche Tat zu sehen. Die Randgruppen der Gesellschaft sind einander spinnefeind und hier hat ein Mitglied der einen Gruppen eines der anderen dadurch bekämpft, dass es auch noch den Staat für sich eingespannt hat. Sollten sie mir nicht glauben, aber die Möglichkeit haben, den Täter zu befragen, sollten sie es tun. Er dürfte ihnen mit Sicherheit die verwandten Begriffe wie Islamisten, Terroristen etc. nicht erklären können.
Davon abgesehen, ist die Diskussion über die Sicherheit in Gerichten müsig. Man kann nicht auf der einen Seite zunehmende Gewaltbereitschaft feststellen und auf der anderen meinen, der Elfenbeinturm Gericht stünde außerhalb dieser Entwicklung. Dass trotz der Kontrollen Waffen und ähnliches eingeschmuggelt werden kann, liegt auf der Hand. Da guckt jedoch nicht jeder rein, bevor er tief verärgert zum Gericht geht.

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Im Sozialgericht Düsseldorf wurde mir dir Mitnahme eines Handys ins Gerichtsgebäude verboten.

Begründung: Es kann damit fotografiert werden.

Ein Diktiergerät muste ich ebenfalls an der Eingangsschläuse abgeben.

Ich benutze beide Dinge nie in Gerichtssälen.

Gegen das Verwaltungsgericht Düsseldorf habe ich erfolgreich Klage bei der Datenschutzbeauftragten Bettina Sokol geführt.

Dauer ca 6 Monate

Akten so ca 100

eingeschaltet u.a. Bundesjustizministerium

Ich bin Mitglied im Presseverteiler des OVG Münster

Mir ist daher bekannt, daß wir uns immer mehr den Zuständen sog. Bananenrepubliken nähern.

Mit Freundlichen Grüßen

Werner Grade

 

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