BSG: Widerspruch im Falle eines Betriebsübergangs sperrzeitneutral

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.07.2009

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 8.7.2009 (B 11 AL 17/08 R) zur einer wichtigen sozialversicherungsrechtlichen Frage Stellung genommen, die sich nach der Ausübung des Widerspruchsrechts im Falle eines Betriebsübergangs stellen kann. Im entschiedenen Fall war der Kläger bei einer Firma E in einem Betriebsteil beschäftigt, den seine Arbeitgeberin zum 5.6.2001 an die Firma M veräußerte. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses schriftlich ohne Angabe von Gründen mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Arbeitgeberin bestehen blieb. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.1.2002 beendet. Anschließend stellte die be­klagte Bundesagentur für Arbeit den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 1.2. bis zum 25.4.2002 fest. Hierfür berief sie sich auf § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes. Nach dieser Bestimmung tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Auf die hiergegen erhobene Klage stellte das BSG jetzt klar, dass der Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses als solcher keinen sperrzeitrelevanten Sachverhalt darstelle. Endet also das Arbeitsverhältnis nach dem Widerspruch durch Kündigung des Arbeitgebers oder - wie im entschiedenen Fall - durch Aufhebungsvertrag, so kann allein der Widerspruch noch nicht den Eintritt der Sperrzeit begründen. Im Hinblick auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erinnert das BSG allerdings daran, dass ein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nur besteht, wenn dem Arbeitnehmer anderenfalls objektiv rechtmäßig zum selben Zeitpunkt gekündigt und ihm die Hinnahme der Kündigung nicht zumutbar gewesen wäre. Zur Aufklärung dieser Frage verwies das BSG die Sache an das Landessozialgericht zurück.

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2 Kommentare

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Ich habe immer mehr den Verdacht, dass der § 144 SGB III das so ziemliche Allheilmittel der Agenturen für Arbeit sind. Wenn man über längere Zeit Presse und Sozialgerichtsurteile verfolgt, kommt man immer wieder mal darauf zurück. Noch erschütternder daran aber ist, dass Die AfA noch so driftige Gründe nicht akzeptieren, die meiner Meinung nach und nach Meinung vieler Gerichtsurteile jedoch berechtigte Gründe sind. Fazit: Man muss sein Recht gezwungenermaßen einklagen.

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Das Urteil des BSG ist völlig richtig. Die gegenteilige - zuletzt aber wohl herrschende - Meinung (Nachweise im Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 144 SGB III Rn. 6) habe ich nie verstanden: Es ist doch nicht der Arbeitnehmer, der das Beschäftigungsverhältnis löst, sondern der Arbeitgeber, der den Betrieb veräußert und damit als gesetzliche Rechtsfolge die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (mit ihm) herbeiführt. Wenn der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widerspricht, löst er nicht, sondern hält vielmehr umgekehrt an dem vertraglich eingegangenen Beschäftigungsverhältnis fest.

Eine Lösung kann dann allenfalls - und auch das sieht das BSG völlig zutreffend - darin liegen, dass das infolge des Widerspruchs fortgesetzte Beschäftigungsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer durch einen neuen Rechtsakt, hier: einen Aufhebungsvertrag, beendet wird.

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