Dein Name sei Djehad

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.07.2009
Rechtsgebiete: NamensrechtVornameFamilienrecht13|15845 Aufrufe

Sie (Albanerin) und er (Deutscher, ägyptischer Herkunft) bekamen 2005 einen Sohn und nannten ihn Djehad.

Der Standesbeamte aber wollte diesen Namen nicht eintragen und so riefen sie das Amtsgericht an.

Dieses holte bei der Uni Leipzig (Universität Leipzig, Gesellschaft für Namenskunde e.V., Namensberatungsstelle, Augustusplatz, 04109 Leipzig) ein Gutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei Djehad um einen anerkannten arabischen männlichen Vornamen handelt, dessen Bedeutung darin bestehe, sich anzustrengen, sich zu bemühen, für Gott bzw. gegen Unterdrückung zu kämpfen.

Das AG wies den Standesbeamten daraufhin an, den Namen einzutragen. Das  Kindeswohl sei nicht beeinträchtigt. Auch wenn das Wort Djehad in dieser oder ähnlicher Schreibweise mit „Heiliger Krieg“ übersetzt werde, spreche dies nicht gegen die wirksame Erteilung des Vornamens Djehad, weil es sich hierbei erkennbar um einen Vornamen handele und nicht um die Bezeichnung für „Heiliger Krieg“.

Beschwerde und weitere Beschwerde blieben erfolglos.

Das Kammergericht führt aus:

Nicht für durchschlagend hält der Senat den Hinweis, eine Beeinträchtigung des Kindeswohls durch den gewählten Vornamen Djehad sei deshalb zu befürchten, weil der Begriff „Djehad“ insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mit der Planung von Terroranschlägen islamistischer Fanatiker in Verbindung gebracht wird. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass sog. Assoziativnamen, die die Allgemeinheit mit bestimmten Vorstellungen, Gegenständen und Personen verbindet, für den Namensträger belastend sein können, weil hieraus negative Wirkungen des Namens zu befürchten sind (Staudinger/Coester a.a.O. Rdnr. 68 m.w.N.). Ob der Vorname im konkreten Fall eine Last für das Kind ist, hängt nicht zuletzt von der sozialen Umwelt des Kindes ab. Vor allem geht es dabei um die Frage, ob und inwieweit die Gefahr besteht, dass das Kind im Schulalter wegen des Namens Nachteile erleidet, die sich hindernd auf das ganze Leben des Betroffenen auswirken können, während sich ein erwachsener Namensträger der Nachteile, die mit einem belastenden Vornamen verbunden sind, im Zweifel zu entledigen weiß (vgl. Schweizerisches Bundesgericht a.a.O.). Die Beschwerdeführerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beteiligte zu 3) in Deutschland wohnt und, soweit ersichtlich, ein Wechsel des Wohnsitzes in ein islamisches Land auch nicht beabsichtigt ist. Andererseits ist es aber anerkannt, dass im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines bestimmten Vornamens zu berücksichtigen ist, welche Bedeutung er in dem Kulturkreis hat, aus dem er stammt. So entsprach es der Rechtsprechung, für die Frage, ob ein Vorname das Geschlecht des Kindes erkennen lässt (zur Aufgabe dieses Erfordernisses vgl. BVerfG FamRZ 2009, 294 f.), auf dem Sprachgebrauch im Herkunftsland abzustellen und nicht darauf, ob ein Name nach hiesigen Sprachgebrauch eher auf einen weiblichen oder einen männlichen Vornamen hindeutet (BGHZ 73, 239, 242; Senat a.a.O.). Der Senat verkennt nicht, dass der Begriff „Dschihad“ von radikalen Islamisten im Sinne eines bewaffneten Kampfes gegen „Ungläubige“ auch mit den Mitteln des Terrors verwendet wird. Dies ist jedoch, wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, nur eine Deutung des Begriffes, was auch das von der Beschwerdeführerin selbst im Schriftsatz vom 21. März 2007 eingereichte Dossier zum Stichwort „Heiliger Krieg“ belegt. Danach „verstehen die meisten muslimischen Rechtsgelehrten unter dem wörtlich mit Anstrengung oder Abmühen übersetzten Dschihad die Verpflichtung zu einem geistigen und gesellschaftlichen Einsatz zur Verbreitung des Glaubens“. Muslime sollen den Dschihad sowohl mit dem „Herzen“ (gegen sich selbst), der „Zunge und Hand“ (zur Überzeugung und als Beispiel für andere) sowie mit dem „Schwert“ führen. Krieg dürfe nach dieser Auslegung nur gegen Angreifer, also ausschließlich zur Verteidigung und zum Schutz geführt werden. Erst im Laufe der islamischen Religionsgeschichte seien weltliche Kämpfe und Kriege zum Dschihad hochstilisiert worden.

Handelt es sich demnach bei „Djehad“ um eine im Arabischen auch als männlicher Vorname gebräuchliche Bezeichnung für eine religiöse Pflicht der Gläubigen, so kann der Umstand, dass diese Bezeichnung in der aktuellen Entwicklung von religiösen Fanatikern und Terroristen für sich in Anspruch genommen wird, keine Einschränkung des Rechts der Eltern begründen, diesen Namen für ihr Kind als Vornamen zu bestimmen.

Kammergericht Beschluss vom 30.06.2009 (1 W 93/07)

 

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13 Kommentare

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Es kommt jetzt drauf an, wo Herr Djehad (der ja wohl aus Berlin ist, da Kammergericht) zur Schule gehen wird. Wenn es im Bezirk Neukölln ist, dann sollte es kein Problem mit Hänseleien geben - dort sind deutsche Schüler in der Minderheit, und "Christ" kann auch mal ein Schimpfwort sein.

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Nach welchen gesetzlichen Regelungen wird eigentlich bestimmt, ob ein Name in Ordnung ist oder nicht? Im BGB finden sich nur Vorschriften bzgl. des Geburtsnamens.

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Als Bestandteil der elterlichen Sorge steht den Eltern das Recht zu, den Vornamen des Kindes zu bestimmen. Dabei sind sie in ihrer Wahl weitgehend frei.

Nur folgende Grenzen sind einzuhalten:

- Der Vorname muss das Geschlecht des Kindes (zutreffend) wiedergeben. Dies gilt auch bei der Verwendung eines ausländischen Vornamens. Bei geschlechtsneutralen oder regional unterschiedlich gebrauchten Vornamen ist nötigenfalls ein zweiter Vorname beizufügen. Zulässig ist "Maria" für einen Jugen, wenn ein zweiter männlicher Vorame beigefügt wird ("Karl Maria").

Zu den Folgen beim Verstoss gegen diese Regel vgl. Cash,Johnny: A boy names Sue

- Unzulässig sind willkürliche, anstößige, unverständliche, gänzlich ungebräuchliche oder den Träger lächerlich machende Vornamen (Beispiele aus der Rechtsprechung für unzulässige Vornamen: "Verleihnix", "Borussia","Pumuckel", "Möwe" oder auch "Lord").

vgl. Familienrechtratgeber

Sehr geehrter Herr Direktor Burschel.

Ich bin zutiefst entsetzt über dieses Urteil. Erstens die politischen Bedeutung, da beim Kläger (wie ich in einem älterern TV-Beitrag sah) unter anderem grundsätzlich bei Besuch von Männern; die Frauen keinen Zugang zum Wohnzimmer haben, und in der Küche Platz nehmen müssen. (Einflechtung: Diese räumliche Geschlechter-Trennungsmöglichkeit forderte auch der Mörder van Gogs für alle Mietwohnungen, worauf ihn der Imam wg. Islamismus aus der Moschee rauswarf). Ferner redete der Kläger viele grundgesetzwidrige Sachen in der TV-Sendung.

Zweitens war der "Islamwissenschaftler" als Gutachter nicht neutral, sondern flunkerte dem Gericht unwahres vor. Die Dschihadbedeutung wurde erst durch Al-Ghazali (1058 - 1111) um den Begriff des "inneren Kampfes, der inneren Anstrengung" erweitert. Vorher war es ausschlieslich der Kampf mit dem Schwert. Dazu muss man Sagen daß dies in direkter Linie mit den Taten des Propheten Mohammed war, der über 60 Kriege führte, davon nur drei Verteidigungskriege. Wenn unter Dschihad volkstümlich Gewalt verstanden wird, so waren es eben die ersten 400 Jahre des Islam, die nächsten 1000 Jahre des Islam fuhr man eben "zweigleisig".

Nachlesen können Sie es auf Wikipedia hier, ich hab dazu sehr viel ausführlichere Literatur, ist aber aufwendig es herauszusuchen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Ghazali
Zitat: "Ghazali gab dem Begriff Dschihad durch die Neuinterpretation eines Koranverses (4, 95) eine neue, zusätzliche Bedeutung: Nicht nur der Kampf auf dem Schlachtfeld sei Dschihad, sondern auch der Kampf gegen das eigene niedere Ich (an-nafs al-ammara)."

Glauben Sie mir bitte. Ich kenne mehrere Islamwissenschaftler und bin in Punkt Islam wissenschaftlich und auch in der Praxis sehr, sehr kompetent. Solch eine schlechte Klageführung des Senats ist nur durch fehlendes Fachwissen und eventuell auch Desinteresse möglich.
Das komplette Urteil hier:
http://openjur.de/u/31107-1_w_93-07.html

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Ich finde es äußerst befremdlich einem Kind diesen Namen zu geben.

Natürlich, in seiner ursprünglichen Bedeutung (=Bemühung) bedeutet das Wort nichts Schlimmes. In der Hinsicht wäre das ja noch okay

Es gilt  jedoch zunächst mal zu beachten, dass das Kind im Schulalter (gerade aufgrund vergangener Ereignisse) tatsächlich unter dem Namen leiden könnte.

Nur bleibt dies natürlich den Eltern überlassen...

Aber aus meiner Sicht ist auch folgende Frage sehr viel wichtiger:

Was für Eltern geben einem Kind diesen Namen, obwohl sie doch genau wissen dass damit auch sehr sehr viel negatives asoziiert wird???

Man muss das Ganze ja einmal so betrachten: (Fast) jedes Elternpaar hat bei der Namensgebung ihres Kindes irgendein bestimmtes "Motiv"

also entweder ist das Kind nach irgendjemanden benannt oder der Name passt von seiner Übersetzung her zu dem Kind (bsp. "Felix"=der Fröhliche) ect...

Also: Welches Motiv seitens der Eltern gab es wohl bei der Namensgebung?!?!

Geht es vielleicht wirklich nur darum ihrem Kind praktisch den namen "der bemühte" zu geben- oder doch um etwas anderes...???

Sicher- da ich die Eltern nicht kenne kann ich mir darüber absolut kein Urteil erlauben.

Und natürlich mag es vom Kammergericht richtig gesagt sein, dass der djehad als "Kampf gegen die Ungläubigen" "nur" eine Deutung ist.

Aber trotzdem würde ich, solange man nicht ganz klar über das Motiv Bescheid weiß,

nicht erlauben, dass ein Kind diesen Namen trägt.

 

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Darf/ Sollte man seinem Kind den Namen „Dschihad“ geben?

Wenn man sich dieser Frage einmal genauer widmen möchte, gilt es zu aller erst zwischen dem kleinen (Verteidigung des Islam gegen Angriffe) und großen Dschihad (innerer Kampf gegen das (eigene) Böse) zu unterscheiden. Diese deutliche Spaltung der Begrifflichkeit bildet schließlich das Fundament zur Beantwortung der Frage, da Bedeutungsunklarheiten bzw. mögliche Verallgemeinerungen oder Fehlinterpretationen auf diese Weise vermieden werden können. Ursprünglich war sicherlich der große Dschihad die wichtigere Komponente von beiden, doch im Verlauf der Jahrhunderte kristalisierten sich verschiedenste Gruppen und Zusammenschlüsse heraus, die bedingungslose Gewalt statt den Weg zu einem tugendhaften Leben auf die Ebene dieses Begriffes ansiedelten. Wichtig ist jedoch, dass es sich hierbei um einzelne Gruppierungen handelt und nicht die gesamte islamische Welt. Dennoch werden oft genug einzelne Vorkommnisse als allumfassende Erklärung genutzt, da heutzutage vor allen Dingen die Medien das Meinungsbild der Gesellschaft prägen und eine einzige Videobotschaft islamistischer Terroristen schnell den Eindruck erwecken könnte, dass womöglich alle Befürworter des muslimischen Glaubens von diesem grausamen Gedanken infiziert sein könnten. Doch dieses Scheinbild trügt gewaltig und sollte jeden von uns auch vielleicht einmal zum Nachdenken und Hinterfragen anregen. Denn oft sind wir es schließlich selbst, die Gerüchte in die Welt setzen und auf diese Weise Vorurteile gegenüber einer kulturellen als auch religiösen eher fremden Welt entstehen können. Aus den angeführten Gründen bin ich der festen Überzeugung, dass der richterliche Beschluss vollkommen gerechtfertigt war, da der Begriff auf dem muslimischen Glauben fußt und daher keinesfalls verurteilt, sondern vielmehr respektiert statt verachtet werden sollte.

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Sollte man sein Kind Dschihad nennen dürfen?
Als Erstes möchte ich dazu sagen, dass es den Eltern selbst überlassen sein sollte, welchen Namen sie dem Kind geben. Zwar stimmt es, dass Eltern sich immer einen Namen aussuchen, der auch zum Kind passt, wie z.B. Felix --> der Fröhliche. Jedoch bin ich immer noch der Meinung, dass ein Name nicht das Geringste über eine Person aussagt. Zwar könnte das Kind gemobbt werden, aber wenn man sich doch genauer mit dem Namen beschäftigt, so ist er eigentlich nicht schlimm und sollte meiner Meinung nach nicht verboten werden.

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Da die Eltern des Kindes es wahrscheinlich nicht beabsichtigt haben, ihrem Kind einen Namen zu geben, der mit dem heiligen Krieg gleich zu setzten ist (-> kleiner Dschihad), sondern eher die Bedeutung des inneren Kampfes gegen das Böse (-> großer Dschihad) hat, finde ich es in Ordnung, einem Kind diesen Namen zu geben. Wie das Gericht ebenfalls entschieden hat, bedeutet der Name im Islam nichts schlechtes, sondern ist dort sogar weit verbreitet und wird daher anerkannt.

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Meine Meinung zu der Frage: "Darf man sein Kind 'Djehad' nennen?"

 

Da der Begriff 'Djehad' oft in Verbindung mit 'heiliger Krieg' gestellt wird, sehe ich es als riskant an sein Kind so zu nennen.

Aber im Ursprung bedeutete 'Djehad' "Bemühung" und beschreibt eine Art von "Lebenseinstellung" (Das heißt: Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Verbreitung und Verteidigung des Islam, Schaffung einer gerechten Gesellschaft; Anstrenung und innerer Kampf gegen das "eigene Böse")

Leider wird und wurde in der Vergangenheit der Begriff von Herrschern oder Regierungen als Begründung/Rechtfertigung für einen bewaffneten Angriffskrieg missbraucht (Beispiel Saddam Hussein, Taliban, Osama bin Laden und al-Qaida) und somit dei eigentliche Bedeutung von 'Djehad' verfälscht, sodass andere Kulturen (wie wir) 'Djehad' in Verbindung mit dem Heiligen Krieg bringen.

 

Also finde ich, dass man die Situation von verschiedenen Blickwinkeln betrachten sollte und bin der Meinung, dass der Entschluss des Gerichts, die Namensgebung zuzulassen, eine Richtige Entscheidung war.

 

Jedoch möchte ich anmerken, dass diese ganze Untersuchung und Hinterfragung zur Namensgebung respektlos aufgefasst werden kann (nach meiner Meinung!), da der Name aus einer anderen Religion stammt und es respektiert werden sollte, wenn Eltern ihrem Kind diesen Namen geben möchten. Überhaupt ist es die Sache der Eltern und deren Entscheidung, wie und warum sie ihrem Kind einen bestimmten Namen geben wollen!

 

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Ich denke Eltern sollten erlaubt sein ein Kind zu nennen wie sie es wuenschen, wobei sie sich natuerlich bewusst sein sollten um welche Bedeutung und Symol es sich handelt.

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Meiner Meinung nach ist das Urteil völlig richtig, allerdings halte ich es trotzdem für fragwürdig sein Kind so zu nennen, auch wenn man das Rech darauf hat, da viele die wahre Bedeutung des Namens nuneinmal nicht kennen und die falsche durch die Medien immer mehr verbreitet wird.

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Ein 6-jähriger Junge aus dem Kindergarten von mir dazu befragt, gab an, er heiße "Djehad" (oder andere Schreibweise).

 

Ich fragte ihn stutzig, was das denn bedeute und er antwortete: "Das heißt Krieg. Heiliger Krieg" - mit einer Selbstverständlichkeit in der Stimme. Danach zog er seine Schwester weiter an und verabschiedete sich fröhlich von mir.

 

So viel zum Thema die Eltern möchten es nur "Bemühung" nennen. Daran glaube ich nicht. Das wäre naiv.

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