Grünpfeil – noch immer komisch?!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 21.07.2009

In meiner Heimatstadt gibt es ihn nicht – jedenfalls soweit ich es weiß. Vor einigen Tagen war ich aber einmal im „tiefen“ Ruhrgebiet unterwegs und traf dort völlig unerwartet auf den „grünen Pfeil“, der bekanntermaßen trotz roter LZA das Abbiegen erlaubt: Obwohl „wir im Westen“ den Pfeil ja nun auch fast 20 Jahre kennen sollten stellt sich bei noch immer ein mulmiges Gefühl ein, wenn ich an den Pfeil heranfahre. Immer kommt mir der Gedanke: „Darf ich nun wirklich einen Rotlichtverstoß begehen?“ In der Regel schaue ich mich auch um, ob nicht irgendwo die Polizei steht, da ich sicher bin, irgendetwas falsch zu machen. Komisch, oder?!

Zur Geschichte des Grünpfeils empfehle ich diesen Link zu Wikipedia.

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4 Kommentare

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Ich liebe diese Dinger, in Bremen stehen viele an sinnvollen Stellen. Es macht immer einen riesen Spaß, denn entweder

- versteht der Vordermann das nicht, weswegen man ihn (unzulässigerweise) akustisch drauf aufmerksam macht oder

- es rauscht einem jemand hinten rein, da man kurz an der Haltelinie hält, bevor man da so direkt rüberrauscht

 

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"da man kurz an der Haltelinie hält" - Das ist ja eben das Schlimme, dass man die bewährte Grünpfeil-Regelung (natürlich) nicht so übernehmen konnte, wie sie war: Langsam heranfahren und ggf. nach rechts abbiegen, ohne zwingend vorher anhalten zu müssen.

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@ Carsten Krumm

Ihr mulmiges Gefühl trügt nicht. Nachdem einige Obersachbearbeiter (so z.B. Hamburgs damaliger Innensenator Schill in den Jahren 2002/03) den Grünpfeil ohne Sinn und Verstand anbringen lassen, um möglichst oft und schrill in die Zeitung zu kommen, hängen in Deutschland an einigen dafür absolut ungeeigneten Stellen diese Giftpfeile. Dazu gab es in Hamburg die klare Vorgabe: "Dreistellige Anzahl von Grünpfeilen!" und "Grünpfeilhauptstadt Hamburg!" - egal was da komme. Die Sachbearbeiter in den Straßenverkehrsbehörden mußten zwischen Verkehrssicherheit und Karriere wählen.

So wurden unter Verstoß gegen die ohnehin laschen Vorgaben der VwV-StVO, die die von Wissenschaftlern aus der Konflikt- und Unfallforschung abgeleiteten Einschränkungen für die Verwendung von Grünpfeilen (BASt - Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.): Rechtsabbiegen bei ROT mit Grünpfeil (1999), Heft V72) verwässerten, Grünpfeile auch an Kreuzungen gehängt, an denen Radfahrer aus beiden Richtungen über die Furt fahren dürfen bzw. müssen. Oder wo ein starker Fußgänger- und Radverkehr durch an der Sichtlinie wartende Kfz, insbesondere Lkw behindert wird und sich seinen Weg durch die wartenden Kfz bahnt (mit allen dabei entstehenden Gefahren).

Ganz haben viele der so beschenkten Straßen noch einmal einen separaten Rechtsabbiegestreifen. Dafür hatte dann aber mancher Autofahrer, der trotzig und geradezu unbelehrbar geradeaus fahren wollte und deshalb am Grünpfeil vorschriftsmäßig auf sein Grün wartete,eine blutige Nase von dem hinter ihm wartenden, erst hupenden, dann pöbelnden und schließlich handgreiflich werdenden verhinderten Rechtsabbieger. Nötigung mit Hupen usw. ist seitdem an einigen Kreuzungen der Normalfall. Ich habe in den Bezirken Altona, Bergedorf und Harburg ermittelt, daß rund 30 bis 50% der Grünpfeile absolut verboten angebracht waren. Wenn Sie als Autofahrer an so einen Grünpfeil geraten, haben Sie dann den schwarzen Peter.

Leider war die Aktion wenigstens in der Presse (nicht im Verkehrsablauf) so erfolgreich, daß sie von vielen westdeutschen Straßenverkehrsbehörden übernommen wurden. Meines Wissens konnte Schills Berliner Kollege von Mitarbeitern seiner Behörde nur knapp davon abgehalten werden, den Zweikampf mit Hamburg aufzunehmen. In Berlin hätte man nämlich viele Ampeln in die LSA-Steinzeit zurückversetzen müssen, um den Grünpfeil zulässig zu machen (z.B. Abbau separater Signale für Linksabbieger). Der Verkehr wäre an den entsprechend umgerüsteten Kreuzungen einfach zusammengebrochen.

Dabei sind wir beim Grundproblem. Der Grünpfeil kann bei einfachst gestrickten LSA-Steuerungen helfen (sofern überhaupt ein separater Rechtsabbiegestreifen vorhanden ist und der Querverkehr - auch auf dem Gehweg - nicht zu stark ist), erdarf aber auch nur bei so simplen Steinzeit-LSA verwendet werden. Deshalb war der Grünpfeil in der DDR vielleicht brauchbar, aber sicher kein Modell für den Westen (und den heutigen Osten), in dem ja schon 1990 der eine oder andere Chip in der Steuerung sogar das Linksabbiegen erleichterte und der Verkehrsablauf an vielen Kreuzungen für Normalautofahrer zu unübersichtlich ist. Inzwischen hat man für viele der Kanditaten etwas Besseres gefunden: z.B. Kreisverkehre.

Deshalb ist nach dem unrühmlichen Abgang des Herrn Schill der Grünpfeil auch in Hamburg weider ein Auslaufmodell. Das wird in den Zeitungen meist im August aufgegriffen und berichtet.

Zur weiteren Information:

fußnote 7, Der Grünpfeil – kleines Blechschild, große Wirkung, Information der Arbeitsgruppe Fußverkehr von SRL und FUSS e.V. · Ausgabe Dezember 2005

BASt - Bundesanstalt für Straßenwesen
(Hrsg.): Rechtsabbiegen bei ROT mit Grünpfeil.
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An den richtigen Stellen sind Grüne Pfeile ein Segen. Aber mangelnde Sicherheit im Umgang mit bei Autofahrern macht daraus nicht selten einen Fluch. Ansonsten stimme ich dem Kollegen RA JM zu.

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