BVerfG: Mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches PPP ist nicht Grundrechtsträger

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 12.08.2009

In seinem Nichtannahmebeschluss vom 18.05.2009 hat die 1. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 1731/05) an der überkommenen Rechtsansicht festgehalten, dass mehrheitlich in öffentlichem Eigentum befindliche Unternehmen dann nicht grundrechtsfähig i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG sind, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen (vgl. auch BVerfGE 45, 63 (78 f.); BVerfG NJW 1990, 1783).

Wenngleich dies für viele Unternehmen keine erhebliche Belastung darstellen mag, so kann das Versagen der Grundrechtsträgerschaft im Einzelfall doch einen Wettbewerbsnachteil insbesondere kommunaler Unternehmen gegenüber deren privater Konkurrenz darstellen. Auch für PPPs kann dies insbesondere im Hinblick auf die weite Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Aufgaben“ durch das Bundesverfassungsgericht eine Rolle spielen. So hat das BVerfG den Betrieb eines kommunalen Energienetzes im zugrunde liegenden Fall als öffentliche Aufgabe angesehen.

Diese Rechtsprechung des BVerfG wurde im Schrifttum bereits häufiger kritisiert. So erscheint es im Hinblick auf die Möglichkeiten der privaten Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge fragwürdig, solche Aufgaben noch als öffentliche Aufgaben i.S.d. Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 3 GG zu werten. Derartige Aufgaben – Netzbetrieb, Energieversorgung, Abfallbeseitigung, etc. – können sowohl durch private wie auch durch (teils) öffentliche Unternehmen erledigt werden. Gerade die Schaffung und Erweiterung der Möglichkeiten der Erledigung durch Private waren Gründe, die Vergabe der kommunalen Konzessionsverträge einer Höchstdauer und der Mitteilungspflicht zu unterwerfen, wie dies nun § 46 EnWG 2005 vorsieht (vgl. hierzu auch Enders, in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 19 Rn. 48.)

Der neueste Beschluss des BVerfG erging allerdings im Hinblick auf die Rechtslage vor Erlass des EnWG 2005. Jedoch bestand auch schon unter der zuvor geltendem Rechtslage die Möglichkeit der Privatisierung des Netzbetriebs. Es bleibt abzuwarten, ob das BVerfG bei nächster Gelegenheit seine Rechtsprechung korrigiert. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf das EnWG 2005 fraglich. Dort wird die Eigenschaft des Netzbetreibers nach § 46 EnWG von der des Grundversorgers nach § 36 EnWG getrennt und dadurch eine neue Differenzierung für die Verteilung von Aufgaben der Daseinsvorsorge vorgenommen. Insbesondere in den Bereichen, in denen ehemals staatlich-öffentliche Aufgaben rneu reguliert und privatisiert werden, besteht Anlass, die neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Öffentlichen und Privaten Rechtsträgern auch im Hinblick auf die Grundrechtsfähigkeit einer Prüfung zu unterziehen.

RAe Dr. Ludger Giesberts, LL.M., und Dr. Thilo Streit, LL.M.

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1 Kommentar

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Ich frage mich, ob auch die DITIP (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) grundrechtsfähig ist.

Lt. wikipedia untersteht sie der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara und damit indirekt dem türkischen Ministerpräsidenten.

Oder gilt für Art. 4 GG in diesem Bereich eine Ausnahme?

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