Es stirbt, wer in Russland und in den kaukasischen Republiken unerschrocken für Menschenrechte kämpft

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 12.08.2009

Sarema Sajdulajewa, die Leiterin der Hilfsorganisation "Rettet die Generationen" (die Organisation hilft tschetschenischen Kriegswaisen und Kindern, Opfer von Landminen geworden sind), und ihr Ehemann Alik Dschabrailow sind erschossen worden, nachdem am Montag mehrere bewaffnete Männer das Ehepaar aus dem Büro der Hilfsorganisation in Grosnyi geholt und mit ihnen in einem Auto davon gefahren waren. Die Leichen der beiden wurden am Dienstagmorgen im Kofferraum eines Autos entdeckt, das in einem der Außenbezirke der tschetschenischen Hauptstadt abgestellt war.

Der gewaltsame Tod der tschetschenischen Bürgerrechtlerin und ihres Mannes sind ein weiterer trauriger Beleg dafür, dass in Russland - Mitglied im Europarat und der EMRK verpflichtet - politische Morde geschehen! Kritik ist seit längerem lebensgefährlich geworden!

Zwar prangert Russlands Präsident Dmitri Medweddew den "Rechtsnihilismus" an, jedoch ändert sich an den Zuständen spürbar nichts. Die Justiz zeigt wenig Interesse, die Fälle aufzuklären. Diese Passivität findet offensichtlich die Akzeptanz der politischen Führung, wenn sie nicht sogar von ihr angeordnet ist.

Russland erhebt zwar den Anspruch, ein Rechtsstaat zu sein, die Tatsachen belegen leider ein anderes Bild. Die Sicherheitskräfte in Tschetschenien operieren außerhalb jeder Legalität, ohne dass der Kreml etwas dagegen unternimmt. Der tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow und seine Mannen haben freie Hand.

Unsere Bundeskanzlerin wird am kommenden Freitag den russischen Präsidenten treffen. Dieses Thema sollte bei den Gesprächen nicht ausgespart sein.

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3 Kommentare

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Lieber Herr Prof. Dr. Bernd v Heintschel-Heinegg,

Vielen Dank für diesen Kommentar. Ich habe das Gefühl, dass die mit dem Machtantritt des heutigen russischen Premier Ministers vor zehn Jahren eingeleitete Politik der Verstummung zu ihrem logischen Abschluss gelangt. Menschen, die noch bereit sind ihren Idealen, ihrem Gewissen entsprechend zu handeln, werden Ihrer Meinung nicht mehr frei kundtun und ihre politische Ansichten tief in sich verstecken, wenn diese nicht der richtungsweisen gängien politischen Praxis entsprechen.

Die Angst vor möglichen Konsequenzen sitzt tatsächlich sehr tief und führt zum allgemeinen politischen Desinteresse.

Ich bin zuversichtig, dass unsere Bundeskanzlerin das Thema auf jeden Fall ansprechen wird und dass sie wegen dieser Morde besorgt ist aber weder eine Angela Merkel, deutsche Bundeskanzlerin noch andere so bedeutende Personen werden werden durch Kritik, Anregung und Gespräch was ändern können.

Meiner Meinung nach das Beste, was wir hier tun können, ist, daraus ernsthafte Lehren zu ziehen und uns dafür einsetzen, dass so etwas in diesem Land verhindert und niemals zugelassen wird.

Wir werden aber weiterhin schon aus moralischen Gründen die Kritik üben und die Aufklärung der Taten fordern müssen.

Mit besten Grüßen,

Jasper

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Sehr geehrte Frau Jasper bzw. sehr geehrter Herr Jasper,

wie Ihnen liegt auch mir dieses Thema sehr am Herzen. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar für ihre Zuschrift.

Leider können wir nicht viel tun. Das mindeste aber ist, dass - etwa auch durch die Beiträge in diesem Blog - gezeigt wird, dass wir die brutalen Übergriffe auf regimekritische Menschenrechtler in Russland und in den kaukasischen Republiken hier registrieren und darauf warten, bis Präsident Medwedjew sein Credo, Russland sei ein Rechtsstaat, auch einlöst.

Beste Grüße

Bernd von Heintschel-Heinegg

Nun ist es allerdings schwer, von hier aus zu beurteilen, ob die mangelhafte Aufklärung der ERmordung kritischer Journalisten eine direkte Folge politischer Anweisung ist oder aber "nur" Folge schlampiger Justizarbeit. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch ein Großteil der russischen Bevölkerung nichts von Freiheitsrechten für Tschetschenen hält - eine gleichartige Denkweise dürfte also auch in der russischen Justiz vorherrschen. Da bedarf es schon eines sehr mutigen russischen Staatsanwaltes, der hier engagiert Ermittlungen betreibt. Vermutlich will sich da keiner die Finger verbrennen und die Karriere versauen.

Im übrigen darf daran erinnert werden, dass auch im Nachkriegsdeutschland bis hinein in die 80er Jahre ein ähnliches Klima des Desinteresses in der deutschen Justiz herrschte, wenn es um die Aufklärung, Verfolgung und Bestrafung von Naziverbrechen ging. Und wenn man dann wirklich mal einen Kommandanten eines Lagers anklagen konnte, dann wurde so mancher wegen "Putativnotstandes" sogar freigesprochen.

Auch hier deckte sich das Desinteresse der deutschen Justiz mit dem weitgehenden Desinteresse der deutschen Bevölkerung an einer solchen Verfolgung von NS-Verbrechen. Inwieweit zusätzliche politische Weisungen dazukamen, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wären Anklagen (und Verruteilungen) wie jetzt gegen den früheren Wehrmachtsoffizier Scheungraber vor 20 oder 30 Jahren in Deutschland kaum denkbar gewesen.

So hat eben die Justiz jeden Landes ihre wunden Punkte, wenn es um bestimmte Fragen der Strafverfolgung geht. Bei Deutschland war dies die Ahndung von NS-Verbrechen, mit der sich die Justiz unsäglich schwer tat, in Russland sind es jetzt Menschenrechtsprobleme, Probleme der Meinungsfreiheit und insbesondere Tschetschenien-Probleme. Verbrechen (bis hin zu Morden) werden dort auffallend schleppend geahndet.

Dennoch ist die russische Justiz in einem ganz anderen Zustand als vor 1989, das dürfen wir nicht vergessen. Mit unseren Mahnungen an die russische Justiz sollten wir nicht über das Ziel hinausschießen und den Russen auch gewisse Zeit zur Weiterentwicklung geben. Eine aufmerksame Beobachtung und auch eine höfliche Erinnerung an bessere strafrechtliche Aufklägerung solcher Verbrechen muss natürlich erlaubt sein und ist auch geboten. Deshalb sollte die Bundeskanzlerin auch hier ein paar passende Worte finden.

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