Gastkommentar von Dr. Frank Bokelmann: Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.08.2009

Blogleser Dr. Frank Bokelmann, der mir bereits häufig im Blog Tipps gegeben und erhellendes Hintergrundwissen preisgegeben hat, hat mir einen kleinen Gastkommentar gemailt und zwar zum Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen:

"...Nun verlangt das VG Bremen in einem Urteil (VG Bremen, Urteil vom 18.12.2008 - 5 K 2158/06), der Kläger habe keine Klagebefugnis für seine Verpflichtungsklage (es ging um die Aufhebung von Z 237 oder 241 StVO), weil er nicht "qualifiziert betroffen" sei. Eben das Gegenteil hatte das BVerwG mit Urteil vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 bei einer Anfechtungklage gegen Z 237 StVO geurteilt und das VG Berlin mit Bescheidungsurteil vom 12.11.2003 - 11 A 606.03, NZV 2004, 486 (mit Anm. Kettler S. 488) war dem bei einer Bescheidungsklage gegen Z 237 StVO gefolgt. In allen Fällen wohnten die Kläger nicht am Aufstellort der umstrittenen Schilder (in den letztgenannten Fällen sogar mehrere 100 km weit weg, im ersten Fall allerdings nur ein Dorf weiter).

Irgendwie eigenartig. Denn das VG Bremen kannte die beiden älteren Urteile. Sie wurden gegen den Sinn zitiert."

An dieser Stelle: Danke Herr Dr. Bokelmann.

Und: Vielleicht gibt`s ja auch andere Blogleser, die verkehrsrechtliche Tipps für mich haben, einen Gastkommentar schreiben wollen oder Themenwünsche äußern wollen. Nur zu!

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6 Kommentare

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Hier ein amüsantes Thema, welches zeigt wie der Staat sich nicht ans Gesetz hält:
http://www.daserste.de/ratgeber/recht_beitrag_dyn~uid,ia8ug7hnppi29zzy~c...

Ein Autovermieter verlangt Zeugenentschädigung fürs Petzen (Ausfüllen Anhörungsbogen). Die bekommt er auch - aber erst nach Prozess. Im Video (nicht im Text) wird sogar ein Behördenvertreter gefilmt, der meint die AG-Entscheidungen seien "falsch", und deshalb wird nicht gezahlt, es sei denn der Zeuge klagt.

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Es ist den Autoren des Beitrags hoffentlich aufgefallen, dass das VG Bremen eine Verpflichtungsklage behandelt hat (mithin die Möglichkeitstheorie beim §42 II VwGO einschlägig war), während das BVerwG sich mit einer Anfechtungsklage auseinandergesetzt hat (die sich im Rahmen der Adressatentheorie ja einfach analysieren lässt)?

Das VG Bremen hat den Widerspruch zum BVerwG ja gerade gesehen (Seite 5 des Urteils) und mit fast 1 Seite ausführlich erklärt. Wer das Urteil nicht kennt, findet es u.a. hier im Volltext:

http://www.prorad.de/bremen/bismarckstr/VG_Bremen_5K2158-06_ocr.pdf

Man muss allerdings das komplizierte Zusammenspiel beim VG Bremen erkennen: Ursprünglich ging es um eine Anfechtungsklage, an die sich dann wiederum eine Untätigkeitsklage geknüpft hat (die hier Gegenstand des Urteils ist), so dass der Kläger versucht, verkehrsregelnd mittels Verpflichtungsklage vorzugehen - womit man bei der Möglichkeitstheorie landet, die wiederum die Türe zur "qualifizierten Betroffenheit" öffnet, die ja nur eine andere Phrase für "Möglichkeit der Rechtsverletzung" darstellt.

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@ Fawkes

Das erklärt aber noch nicht alles. Denn das VG Berlin hatte sich im Jahr 2003 im Rahmen einer Bescheidungsklage sehr bewußt mit der Zulässigkeit auseinander gesetzt (Urteil vom 12.11.2003 - 11 A 606.03) und war der Ansicht, daß unter bestimmten Umständen (in diesem Fall Schilder im Umfeld des Wohnorts der Schwiegermutter) eine gewisse Regelmäßigkeit (bis zu drei Durchfahrten im Jahr) ausreichen sollen (es handelte sich um eine Schild in 300 Kilometer Entfernung vom Wohnort des Klägers). Wieso sollen also fünf Durchfahrten pro Jahr im Nachbardorf nicht ausreichen?

Eher ist es so, daß das VG Bremen Zulässigkeit und Begründetheit der Klage vermischt hat ("ist ja nicht so schlimm"). Man kann natürlich der Meinung sein, russisches Roullette mit Autotüren sei beim vom Staat erzwungenen Befahren eines Radweges vom betroffenen Radfahrer hinzunehmen. Man kann aber auch mit guten Gründen das Gegenteil vertreten. Feige ist es, die Frage unbeantwortet zu lassen indem man die Aufgriffsschwelle hoch genug legt. Zumal die neuere Rechtsprechung zur Anfechtungsfrist bei Verkehrszeichen ohnehin in eine Richtung läuft, die Gestaltungen Tür und Tor öffnet, weil täglich neue Anfechtungsfristen bei Jahrzehnte alten Schildern zu laufen beginnen (und das ist auch gut so, wenn der Staat das Recht bis zum offenen Rechtsbruch beugt).

Aber das sollte ganz klar sein: ein Staat, der seinen Bürgern ohne gewichtigen Grund das Durchdeklinieren des Verwaltungsprozeßrechts aufgibt, wenn er selbst - und das meist auch mit vollem Wissen und Wollen - gegen Recht und Ordnung verstoßen hat, darf sich nicht wundern, wenn seine Regeln nicht mehr im gewünschten Maß beachtet werden. Dann landen die Prozesse beim Amtsgericht und blähen deren Fallzahlen auf.

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Besorgniserregender ist das Urteil vom VGH Mannheim, wonach die Klagefrist gegen ein Verkehrszeichen mit der Aufstellung des Schildes beginnen soll. Gab in den einer der letzten Ausgaben der JZ mit Anmerkung zu lesen *kopfschüttel*
Verkehrszeichen-Versteinerung?

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Die VGH-Mannheim-Entscheidung wird sicher weiter Verwirrung unter Behördenmitarbeitern und VG-Richtern stiften. Was dazu zu sagen ist, haben Bitter und Goos in ihrer Anmerkung schon herausgearbeitet. Mittlerweile hat auch das BVerwG die Ansicht des VGH Mannheim verworfen (in einer Äußerung zu einer Anfrage des Bundesverfassungsgerichts: 3 St 1.09). Es bekräftigt, dass seiner Ansicht nach die Jahresfrist zur Anfechtung von Verkehrszeichen nicht vor dem Betroffensein des Klagenden beginnt. Und der VGH Kassel hat seine Rechtsauffassung von 2007 nun auch in einem Urteil bekräftigt (2 A 2307/07 vom 15.05.2009). Die Jahresfrist zur Anfechtung von Verkehrszeichen beginnt danach nicht vor der Betroffenheit des jeweilig klagenden Verkehrsteilnehmers. Die Verkehrszeichen-Versteinerungs-Ansicht des VGH Mannheim wird also wohl nur eine Episode bleiben. Einzelheiten unter
http://www.recht-für-radfahrer.de/Aktuelles.html
unter Neues für Klagewillige II und III.

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