Verena Becker und die Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback mit seinen beiden Begleitern am 7.4.1977

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 31.08.2009

Die Meldung ist bekannt: Am vergangenen Freitag wurde die frühere RAF-Terroristin Verena Becker in Berlin wegen des dringenden Verdachts verhaftet, vor 32 Jahren an der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback sowie seiner Begleiter Georg Wurster und Wolfgang Göbel beteiligt gewesen zu sein.

Warum diese Meldung dann noch im Blog? Weil schon seit längerem die Frage im Raum steht, warum dieser Mord immer noch nicht aufgeklärt ist, und darüber hinaus sogar die Frage sich stellt, "wer schont die Mörder von Siegfried Buback?" (so die von Nils Minkmar gewählte Überschrift in der FAZ vom 8.12.2008 Nr. 287 S. 37 für seine Rezension des nachfolgend genannten Buchs).

Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, berichtet in seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch "Der zweite Tod meines Vaters" von seinem über all die Jahre nicht nachlassenden Bemühen, das Attentat aufzuklären, weil vieles an der offiziellen Version und der vermeintlichen Tätern so nicht stimmen kann. Seine differenzierte, gut nachvollziehbare Argumentation läuft darauf hinaus, dass Verena Becker in den Täterkreis rückt (S. 123 f., 126, 290, 325 f., 352). Bedurfte es erst dieser Publikation, um die Ermittlungen gegen Verena Becker in Gang zu setzen? Warum werden den Strafverfolgungsbehörden nach wie vor die Akten des Verfassungsschutzes vorenthalten?

Es geht jetzt nicht mehr nur darum, die Tat aufzuklären, sondern auch, warum es erst jetzt zu der Verhaftung kam, "will die Bundesrepublik nicht einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verlieren" (so Ambos NJW 2009, 745, 746 am Ende seiner Rezension). 

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7 Kommentare

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Warum werden den Strafverfolgungsbehörden nach wie vor die Akten des Verfassungsschutzes vorenthalten?

Meines Wissens gibt es keine Vorschrift, die die Strafverfolgungsbehörden daran hindert, beim Verfassungsschutz eine Hausdurchsuchung anzuordnen. Jedenfalls genießt der Verfassungsschutz nicht Immunität wie beispielsweise Abgeordnete. Bei jeder privaten Firma, aber auch bei jeder Behörde können Hausdurchsuchungen gemacht werden, wenn diese Firmen oder Behörden in Verbrechen verwickelt sind oder aber solche Verbrechen zu verschleiern versuchen. Wenn also der dringende und begründete Verdacht besteht, dass in den dortigen Akten Hinweise auf den Täter schlummern, so sollte man vielleicht einfach mal diesen Weg wählen.

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Sehr geehrter Herr Harrer,

grundsätzlich können auch die Akten von Behörden als Beweismittel beschlagnahmt werden. Die früher mehrheitlich vertretene Meinung, mangels Subordinationsverhältnis der Behörden untereinander sei dies nicht zulässig, gilt heute als überholt. Jedoch wird für Akten des Verfassungsschutzes regelmäßig eine Sperre (hier des Bundesinnenministers) erklärt, dies sieht § 96 StPO vor. Ein rechtmäßige Sperrerklärung bewirkt ein Beweiserhebungsverbot. Eine solche Sperrerklärung kann nach h. M. von Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden. Nach einem heutigen Bericht der FAZ (1. September 2009, S. 1) erwägt Herr Bundesinnenminister Schäuble aber nunmehr die Freigabe der Verena Becker betreffenden Akten.  Im Raum steht ja einerseits der Verdacht, dass Becker möglicherweise schon vor 1977 Kontaktfrau des VS gewesen sei und man diesen Kontakt in die Terrorszene nicht durch die Mordermittlungen gefährden wollte, andererseits, so jedenfalls die Lesart der Stasi-Akten, dass Verena Becker schon vorher als Zielperson "bearbeitet" oder überwacht worden sei (und - möglicherweise der VS grob fehlerhaft Hinweisen nicht nachgegangen ist, die den Mord an Buback hätten verhindern können). Nun könnte man annehmen, ein rechtsstaatlich organisierter Geheimdienst würde niemals zur bloßen Vertuschung eigener Fehler so manipulativ vorgehen. Doch wer die Machenschaften des Berliner Verfassungsschutzes in den 70ern im Fall Ulrich Schmücker verfolgt hat, weiß, dass diese Behörde bis zur Manipulation mehrerer gerichtlicher Hauptverhandlungen gegangen ist, um tatbeteiligte "Kontaktpersonen" zu schützen und um Fehler zu vertuschen - unter anderem wurde die Tatwaffe jahrelang vom Berliner VS versteckt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Heute (2. September 2009, S.3) geht Reinhard Müller unter der Überschrift "Wer war es?" in der FAZ auf den Inhalt der Verfassungsschutzakte ein - merkwürdigerweise scheint er darüber Bescheid zu wissen, obwohl diese Akte ja bislang geheim gehalten wurde. Der Artikel resümiert schon einmal, aus der Akte ergebe sich nichts neues. Auch im Übrigen bemüht sich Reinhard Müller, die Bundesanwaltschaft vor den Vorwürfen Michael Bubacks  in Schutz zu nehmen - der ganze Artikel  klingt ein bisschen wie eine Auftragsarbeit für die beteiligten Behörden mit der Quintessenz, diese hätten alles richtig gemacht.

Heute abend wird übrigens das Thema "Bubacks Mörder" in einer  TV-Doku aufbereitet. Darin folgt der Autor Egmont Koch der Argumentation Michael Bubacks, kommt aber (laut Auskunft von  Christian Rath in der taz) zu anderen Schlussfolgerungen. Könnte interessant werden.

Lieber Herr Müller,

beim Lesen des von Ihnen angesprochenen Artikels in der heutigen FAZ bin ich an einem Satz hängen geblieben, hinter dem ich ein großes Fragezeichen setze: "Jedenfalls war Frau Becker nie verschwunden, aus den Akten schon gar nicht."

Ganz anders liest sich das bei Nils Minkmar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 30.8.2009 Nr. 35 S. 21: "Schon einen Tag nach dem Attentat begann eine Operation, die man frei nach Hitchcock, `Eine Dame verschwindet`nennen kann" (gemeint aus der Medienberichterstattung) und dies näher belegt.

Schlimmer noch liest sich der heutige Artikel von Norbert Demuth, ddp (abgedruckt im Straubinger Tagblatt S. 2), der unter Berufung auf die aktuelle Ausgabe eines Magazins (welches weiß ich [noch] nicht) davon berichtet, dass die Aussagen mehrerer Augenzeugen, die Hinweise auf eine weibliche Täterin gegeben hätten, nach deren eigenen Angaben von den Ermittlungsbehörden falsch oder nur bruchstückhaft protokolliert worden seien. Diese Protokolle seien auch nicht von den Zeugen unterschrieben worden.

Wie Herr Reinhard Müller glaube auch ich, dass die bislang unter Verschluss gehaltenen Akten nicht die Antworten auf die gestellten Fragen enthalten. Die Ermittlungsbehörden werden tiefer graben müssen. Aber schon jetzt hat der Rechtsstaat dadurch Schaden genommen, dass allein der Eindruck nach einer ungeheuren Vertuschungsaktion sich gleichsam täglich verstärkt.

Beste Grüße
Bernd von Heintschel-Heinegg

Lieber Herr v. Heintschel-Heinegg,

nachzutragen ist noch, was die ARD-Dokumenation erbracht hat: Darin ging Egmont Koch den Vorwürfen Michael Bubacks nach, der Mord an seinem Vater sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Dass  nicht ausreichend ermittelt wurde, wird in der Dokumentation deutlich: Schließlich sei es mittlerweile als unwahrscheinlich zu erachten, dass der für den Buback-Mord verurteilte Folkerts tatsächlich in der Weise beteiligt war, wie es bei seiner Verurteilung angenommen wurde. Es sei auch sehr wahrscheinlich, dass Verena Becker eine (maßgebliche) Rolle in der Vorbereitung gespielt habe und möglicherweise auch das spätere Fluchtfahrzeug gesteuert habe. Allerdings verneint Koch Michael Bubacks Auffassung, Becker sei die Schützin gewesen: die Augenzeugen werden als unzuverlässig eingestuft. Schließlich traut Koch eher den Angaben von Boock, Wisniewski sei der Schütze gewesen. Allerdings kann Boock dies ja nicht aus eigenem Erleben schildern, sondern schließt dies aufgrund der Kenntnisse und Schießkünste Wisniewskis. Auch Becker soll ja in ihrer Aussage gegenüber dem Verfassungsschutz Wisniewski belastet haben, der Schütze gewesen zu sein. Weitere Indizien für die Tatbeteiligung Wisniewskis bleibt Koch schuldig.

Fast schon peinlich war die Angabe des von Koch interviewten RAF-Ermittlers (Name ist mir entfallen), der meinte, der Fall sei ausemittlet und es gebe keine offenen Fragen mehr.

Eine "Verschwörung" der Ermittler bzw. der Geheimdienste sieht Koch nicht. Allerdings: Für berechtigte Entrüstung Michael Bubacks genügt es m. E. schon, dass Frau Becker früher nicht als Beteiligte des Buback-Mordes angeklagt wurde sowie (nach Maßstäben der RAF-Verurteilten) nach relativ kurzer Zeit begnadigt und offenbar auch für ihre Angaben beim Verfassungsschutz materiell entlohnt wurde (die Presse schreibt von 100.000 DM).

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Für die weitere Diskussion will ich festhalten: Auch nach Ansicht des früheren Vizepräsidenten des BVerfG Prof. Dr. Winfried Hassemer könnte das bisherige Tauziehen um die Herausgabe der gesperrten Verfassungsschutz-Akten zum Mordfall Buback dem Ansehen des Landes schaden. "Je länger diese Diskussion dauert, desto mehr denken die Leute, die haben irgendwas Unanständiges zu verschleiern" (am 03.09.2009 dem Radiosender hr-Info). Nun sollen zwar die Akten gesperrt bleiben, aber die Bundesanwaltschaft (nochmals) Einsicht nehmen können

Auch Politiker haben in den vergangenen Tagen zunehmend lauter die Veröffentlichung der Akten verlangt. "Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Angehörigen haben Anspruch darauf, dass die Akten des Verfassungsschutzes vollständig auf den Tisch kommen», sagte SPD-Innenexperte Sebastian Edathy der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er sehe keinen triftigen Grund, die Erkenntnisse des Geheimdienstes Jahrzehnte nach der Tat weiter unter Verschluss zu halten. Ähnlich äußerte sich Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU). «Ich frage mich, welches staatliche Interesse schwerer wiegen kann als die Aufklärung dieses Dreifach-Mordes», sagte er der Zeitung. Wenn die Verfassungsschutz-Akten zurückgehalten würden, bliebe immer der Verdacht, der Staat habe etwas zu verbergen.

Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, warf den Ermittlern erneut unbegreifliche Fehler, Mängel und Versäumnisse vor und sprach von einer Verschwörung: "In meinen Augen liegt es nahe, an eine schützende Hand über Verena Becker zu glauben", sagte der 64-Jährige der Neuen Westfälischen. Die Ermittlungspannen der vergangenen Jahre seien für ihn unerklärbar.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

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