Aufatmen: Schlussanträge des Generalanwalts bestätigen deutsche Altergrenzen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.09.2009

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Yves Bot, hat in zwei Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage deutscher Gerichte seine Schlussanträge vorgelegt. Es geht um die Vereinbarkeit von Altersgrenzenregelungen mit dem in der Rahmen-Richtlinie 2000/78/EG enthaltenen Verbot der Altersdiskriminierung.
Im ersten Verfahren (C-229/08) geht es um eine Höchstaltersgrenze von 30 Jahren für die Einstellung in den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst, also um den Eintritt in den Staatsdienst als Beamter. Der Kläger, Colin Wolf, hatte diese Altersgrenze bereits überschritten. Durch die ablehnende Entscheidung der Stadt Frankfurt a.M. fühlt er sich diskriminiert und macht Schadensersatz unter Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Der Generalanwalt hält die Anknüpfung an das Alter für gerechtfertigt. Das Alter stelle ein Merkmal dar, das für die ordnungsgemäße Ausübung der körperliche anspruchsvollsten Tätigkeiten dieses Berufs (Brandbekämpfung, Personenrettung) wesentlich sei. Eine Altersgrenze von 30 Jahren  könne daher als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung angesehen werden, um die Einsatzbereitschaft des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes zu gewährleisten. Ferner stelle auch das Ziel, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, durch die die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Feuerwehr gewährleistet werden kann, ein Ziel aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik dar, das "legitim" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sei.
Im zweiten Verfahren (C-341/08) geht es um die Klage einer Zahnärztin, Frau Domnica Petersen, vor dem Sozialgericht Dortmund. Mit ihr wendet sie sich dagegen, dass ihr im Alter von 68 Jahren die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung entzogen wurde (vgl. § 95 Abs. 7 S. 3 SGB V). Auch diese Altersgrenze ist in den Augen des Generalanwalts gerechtfertigt. Auch hier sind es im Ergebnis zwei Erwägungen, auf denen die Rechtfertigung beruht. Zum einen respektiert der Generalanwalt, dass die Altersgrenze darauf zielt, den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Die Altersgrenze von 68 Jahren diene der Dämpfung der steigenden Gesundheitskosten in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit dem Erhalt des finanziellen Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenkasse und damit schließlich auch dem Gesundheitsschutz. Ferner ist die Altersgrenze nach Meinung des Generalanwalts auch durch das Ziel gerechtfertigt, den neuen Generationen die Möglichkeit zu sichern, als Vertragszahnarzt tätig zu werden.
Die Altersgrenzen haben sich damit, wenn man die sonstigen bislang ergangenen Entscheidung mit einbezieht, als weniger problematisch erwiesen als dies vielfach befürchtet worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH diese Tendenz bestätigt und sich auch in diesen Verfahren den Schlussanträgen des Generalanwalts anschließt. 

 

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3 Kommentare

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Mit Verlaub, diese Einschätzung des Generalanwaltes hat mit logischem Denken wenig zu tun. Ich kann diese Auffassung, die fast wörtlich die Auffassung der Bundesregierung ist, nicht nachvollziehen.

"Der Schutz der Bevölkerung vor alten Zahnärzten" ist nun gerade wenig überzeugend. Demnach müsste man eigentlich in allen Berufen die alten Menschen verbieten (möglichst schon ab 50, da geht es mit der körperlichen Leistungsfähigkeit schon deutlich bergab). Verstehen könnte ich das noch, wenn man alte Menschen nicht mehr als Dachdecker arbeiten lässt, oder eben in all den Berufen, in denen es auf maximale körperliche Leistungsfähigkeit ankommt. Aber ein Zahnarzt? Oder Rechtsanwalt? Oder Bundeskanzler? Diese Berufe kann man sehr gut auch im Alter ausüben, wie auch Konrad Adenauer bewiesen hat.

Allerdings hat selbt der Generalanwalt diesen Schutz der Bevölkerung vor alten Zahnärzten gerade nicht als tragend angesehen.

Noch schwächer ist das Argument der "Kostendämpfung". Hier muss man wissen, dass bis vor kurzem vom Gesetzgeber die Theorie vertreten wurde, dass ein größeres zahnärztliches Angebot ("mehr Zahnärzte") auch eine größere Nachfrage nach kassenzahnärztlichen Leistungen induzieren würde.

Nachdem man aber aufwändige, teure Arbeiten in der Kostenerstattung stark zurückgefahren hatte und die Menschen "Luxusbehandlung" ohnehin aus eigener Tasche zahlen müssen und kein Mensch aus Jux und Dollerei sich ein bisschen an den Zähnen bohren lässt (das ist noch Kassenleistung), so gab es keinen Grund mehr, den freien Wettbewerb zu behindern. Die Zulassungssperren bei Zahnärzten wurden aufgehoben. Es kann sich somit jeder als Kassenzahnarzt niederlassen, wie sich auch jeder als Rechtsanwalt oder Apotheker oder Steuerberater niederlassen kann - unabhängig von der Zahl der bereits Niedergelassenen. Nur eines darf man zur zahnärztlichen Berufsausübung nicht: Alt sein.

Hier liegt also ein Widerspruch in sich: Einerseits braucht es keine Zulassungssperren mehr (die Bundesregierung nennt das "Beobachtungsphase"), andererseits will man doch noch ein bisschen begrenzen, indem man die Alten rausschmeißt. Allerdings dürfen auch aus dem EU-Ausland beliebig viele (junge) neue Zahnärzte nach Deutschland, so dass dieser Rausschmiss eines alten Kassenzahnarztes aus dem System der GKV sich insgesamt auf die Zahl der Niedergelassenen im Promille-Bereich auswirken dürfte, im Einzelfall aber doch eine große Härte bedeuten kann.

Schließlich muss man wissen, dass Kassenzahnärzte nicht etwa Staatsbeamte sind (deren Zahl kann man natürlich nicht beliebig vermehren, so dass es bei der Altersgrenze für Richter bleiben dürfte). Vielmehr ist das Kassenhonorar für Ärzte (in ihrer Gesamtheit) ohnehin gedeckelt. Wenn es zuviele Ärzte gibt, so sinkt das Einkommen des einzelnen Arztes.

Sofern wirklich die Theorie stimmen würde, dass man mit einer Verknappung der Zahl der niedergelassenen Ärzte die Kosten dämpfen könnte, so mag das allenfalls über die Sterblichkeitsquote gehen (ein bisschen zynisch formuliert, im Sinne des "sozialverträglichen Frühablebens"). Manche Krankheiten erledigen sich eben von allein - wenn in Großbritannien auch die dringend benötigte Herzoperation in der Regel eine monatelange Wartezeit voraussetzt,  so wird mancher Brite schnell zum Privatpatient und zahlt die OP aus eigener Tasche.

Wenn man die Kosten des Gesundheitswesens wirklich in den Griff bekommen will, so geht das nicht über eine Altersbegrenzung von Ärzten und Zahnärzten, sondern nur über eine Kostenbeteiligung des Patienten (pro Behandlung). Dann fragt der mündige Bürger und Patient schon selbst nach, ob diese teure, aufwändige Behandlung wirklich unbedingt notwendig ist oder es nicht preisgünstigere Möglichkeiten gibt. Bei den Zähnen hat diese Methode ganz gut funktioniert. Luxussanierungen auf Kassenkosten gibt es nicht mehr.

 

 

 

 

 

Die Altersgrenze 68 für Vertragsärzte ist ja jetzt auch wieder aufgehoben worden. Sie galt allerdings nie für die Privatpraxis der ärzte, wodruch hier das Schutzarguemtn imemr etewa zweifelhaft war. nahc Einführnf der deckelung des Gesamthonorars war auch dei wirtschaftlcihe Auswirkugn der Altersgrenze ziemlich zweifelhaft.

Ganz unbekannt ist eine Altersgrenze für andere Freie Berufe aber nicht: Auch Notare müssen mit 70 aufhören.

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@ IM:

Von einer Aufhebung der Altersgrenze für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte hab ich noch nichts gehört. Sonst gäbe ja das ganze Verfahren vor dem EuGH keinen Sinn.

 

 

 

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