BGH erhöht Haftungsrisiko für Compliance Officer

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 08.09.2009

Der BGH hat in seinem Urteil vom 17.07.2009 (Az 5 StR 394/08) einen Leiter einer Rechtsabteilung und Revision wegen Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Dieses Urteil hat auch wesentliche Bedeutung für das persönliche Haftungsrisiko von Compliance Officern.

Für eine Strafbarkeit durch Unterlassen muss eine Pflicht zum Handeln bestehen (sog. Garantenpflicht). Der BGH bejahte das Vorliegen einer Garantenstellung wegen der Stellung des Angeklagten als Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Garantenpflicht folge aus der Überlegung, dass denjenigen, dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen seien, dann auch eine „Sonderverantwortlichkeit“ für die Integrität des von ihm übernommenen Verantwortungsbereichs treffe. Maßgeblich sei die Bestimmung des Verantwortungsbereichs, den der Verpflichtete übernommen habe.

Das Gericht erwähnt in seinem Urteil explizit auch Compliance Officer in Unternehmen:

„ … Deren Aufgabengebiet ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können (vgl. Bürkle in Hauschka aaO S. 128 ff.). Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu verhindern (vgl. Kraft/Winkler CCZ 2009, 29, 32). …“

Das Aufgabengebiet eines Compliance Officers wird damit vom BGH sehr weit verstanden. Er soll dafür einstehen, dass Straftaten im Unternehmen nicht vorkommen. Dies wird in der Praxis sehr schwer zu erreichen sein. Auch das beste Compliance-System wird nicht verhindern können, dass Unternehmensangehörige Straftaten begehen. Aufgabe von Compliance - und auch eines Compliance Officers - muss vielmehr darin bestehen, organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, um das Haftungsrisiko für Unternehmen und Unternehmensleiter zu verringern.

Fazit: Konsequenz der Entscheidung für Compliance Officer ist, darauf zu achten, dass ihre Zuständigkeit, Aufgaben und Befugnisse klar geregelt werden. Dies kann etwa im Arbeitsvertrag oder einer Stellenbeschreibung erfolgen. Zudem zeigt das Urteil das mögliche persönliche Haftungsrisiko eines Compliance Officers auf, der gut beraten ist, gegenüber seinem Arbeitgeber auf haftungsbeschränkende Maßnahmen für seine Person zu drängen.

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6 Kommentare

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Die Entscheidung habe  ich mit Interesse und ausführlich studiert. Die Ausführungen von Frau Unger in dieser Rezension sind jedoch unzutreffend und bereits die Überschrift irreführend. Der BGH hat kein Haftungsrisiko für COs erhöht und sie wird auch nicht ernsthaft eine andere Entscheidungsmöglichkeit aufzeigen können. Im strafrechtlichen Bereich handelt es sich regelmäßig um Fälle von Vorsatz und nicht um die Güte des Compliance-Systems. Vorliegend wurde der Angeklagte wegen seiner Beteiligung an der Tat bestraft und nicht weil unternehmensangehörige Dritte  Straftaten begangen haben.

Die in der Rezension gezogenen Schlüsse lassen zweifeln, ob dies erkannt wird. Vielmehr geht der BGH sehr nachsichtig mit der Zuweisung einer Garantenpflicht um, indem er

  • einen Arbeits- oder Dienstvertrag nicht ausreichen lässt (m.E. zurecht), die Rezension dies aber diffus behandelt
  • Ingerenz verneint, weil sie die vorherige, nicht angeklagte Tarifperiode erfasse
  • die Revision von der Prüfung entlastet, die Integrität von Vorgängen zu prüfen, die über die Grenzen des Unternehmens hinaus auf Geschäftspartner fortwirken (Rz. 28)

Last but not least: Bei einem Schaden von 23 Mio. EUR wurde eine Strafe wegen des Beihilfetatbeitrags von 120 Tagessätzen à 75 EUR (sic!) verhängt. Das Gericht hat da nicht ein Auge zugedrückt,  es müssten schon 9 gewesen sein (bei fünf Richtern).

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Lieber CB,

das Haftungsrisiko für Compliance Officer wird durch das weite Verständnis des BGH über deren Aufgabenbereich sehr wohl erweitert. In meinem Beitrag habe ich die maßgebliche Passage hierzu zitiert. Zu beachten ist, dass der BGH den Angeklagten (Leiter Recht und Innenrevision) in dem zu beurteilenden Fall als nicht so weitgehend beauftragt ansah wie "regelmäßig" einen Compliance Officer. Die "Nebenbemerkungen" des BGH zu den Compliance Officern in Unternehmen sind für den zu beurteilenden Fall nicht einschlägig. Dennoch enthält das Urteil des BGH Ausführungen über die Haftungssituation von Compliance Officern, die insofern auch für diese bedeutsam sind.

Richtig ist, dass Betrug nur vorsätzlich und nicht fahrlässig begangen werden kann. Gleiches gilt für die Korruptionsdelikte und die Untreue. Auch bei Fahrlässigkeit bestehen aber sehr wohl strafrechtliche Risiken für Compliance Officer. Hinweisen möchte ich etwa auf die Umweltdelikte. Im Bereich des Arbeitsschutzes kann Fahrlässigkeit ebenso eine Rolle spielen.

Beste Grüße

Ulrike Unger

Der Hinweis auf Umwelt- und Arbeitsschutzrecht ist zutreffend. Nicht zutreffend ist jedoch, welche Bedeutsamkeit dieser Nebenbemerkung im Urteil beigemessen wird:

- Eine Nebenbemerkung stützt per se die Entscheidung nicht und ist allenfalls bedeutsam, wenn sie  von einer bestehenden Praxis, einem Rechtsinstitut o.ä. abgrenzt. Ein solches obiter dictum genießt in akademischen Kreisen gleichwohl traditionelle Beliebtheit.

- Den Begriff Compliance Officer sollte man nicht als einen terminus technicus behandeln und ihm einen allgemein anerkannten und fixen Aufgabenbereich zuordnen. Compliance ist ein weites Feld und es darf nicht vergessen werden, dass die hier angesprochene rechtliche Compliance nur eine recht schmale Sparte im Unternehmensbereich ist, neben technischer, medizinischer u.ä. Das ist in der o.a. Entscheidung nicht mal ansatzweise angedeutet und es kann nicht die Rede sein, der Senat habe sich intensiv mit Compliance beschäftigt. Ebensowenig, was für ein Compliance Level ein Unternehmen wählt und inwiefern es auf ad-hoc-Compliance zurückgreift.

- Die zitierte Passage ist vor allem Teil einer mehrstufigen (und aufwendigen) Herleitung der Garantenpflicht, die angeblich nicht (auch) die interne Revision treffe. Warum das bei Satzungsverstößen so sein soll, ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Diese Argumentationskette und letztlich die ganze Nebenbemerkung erklärt sich vorliegend v.a. durch die prozessuale Lage (NB: Ingerenz nicht erfasst).

Aus diesen Gründen ist zweifelhaft, ob diese Nebenbemerkung in anderen Fällen entscheidungstragend sein wird. Es sei auch erwähnt, dass die BGH-Strafsenate keine Ressortverteilung haben.

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