Zwei Links auf die aktuelle HRRS

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 10.09.2009

Auf zwei Beiträge in der mir heute zugegangenen HRRS will ich Sie aufmerksam machen:

(1) Über die Probleme der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bei illegalem Autorennen haben wir im Blog bereits diskutiert. Die BGH-Entscheidung untersucht Prof. Dr. Joachim Renzikowski insbesondere aus der Perspektive des im Vordringen befindlichen restriktiven Titelbegriffs bei fahrlässiger Tatbegehung. Auch im Hinblick auf die vom BGH verneinte Rechtfertigung sieht der Autor mehr Fragen offen als beantwortet.

(2) Diskutiert im Blog wurde die Hypnose als Mittel der Tataufklärung. Rechtsanwalt Michael Gehrke, Ratingen, untersucht in seinem Aufsatz "Hypnose als Straftat" die Strafbarkeit von Suggestionen, durch die der Hypnotiseur sein Opfer zu antisozialen Handlungen veranlasst. Anhand einzelner Straftatbestände geht er u.a. der Frage nach, welche Bedeutung die Bewusstseinsänderung durch den Hypnotiseur für die Freiheit der Willensentschließung des Opfers hat.

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg,

zunächst danke ich Ihnen für den Hinweis auf den Artikel zur Strafbarkeit von Taten im Zusammenhang mit Hypnose in der HRR.

Herr Gehrke stellt die Hypnose bzw. die hypnotische Trance - wie übrigens fast immer in der Presse - zu einfach dar und geht wie auch viele Strafrechtskommentare (z.B. Mayer-Goßner zu § 136a StPO) von einer falschen Prämisse aus, was Hypnose wirklich ist.

Ich erlaube mir, weil das Lesen des Artikels möglicherweise seine Leserschaft dazu verleitet, in der Hypnose allein die potentiellen Gefahren zu sehen und dabei den möglichen Nutzen aus den Augen zu verlieren, kurz noch einmal etwas zur Hypnose im Allgemeinen auszuführen.

Dabei richte ich mich nicht in erster Linie an Sie, sondern vielmehr an die Rezipienten ihres Beitrags:

Der Artikel von Rechtsanwalt Michael Gehrke beginnt seinen Artikel m.E. zu undifferenziert mit einer falschen, weil simplifizierenden Feststellung zur Hypnotischen Trance.

Durch Hypnose[1] wird das Bewusstsein derart modifiziert, dass der Proband nur den Suggestionen[2] des Hypnotiseurs folgt."

Während der Trance befindet sich der Hypnotisant NICHT a priori in einem die freie Willensbildung ausschließenden Bewusstseinszustand.

Der Hypnotisant schläft nicht, noch ist er bewusstlos.

Grundsätzlich nimmt der Hypnotisant Alles(!) um sich herum wahr. Fast immer sind seine Sinne sogar im Vergleich zum Wachzustand geschärft.

Erst wenn der Hypnotiseur Suggestionen einsetzt, die auf negative Halluzinationen gerichtet sind, lassen sich die einzelnen Sinne (nacheinander) ausschalten.

Allerdings handelt es sich bei "Suggestionen" um Vorschläge, bei denen der Hypnotisant jede einzelne annehmen oder ablehnen kann. Nur wenn sich der Hypnotisant explizit auf eine Suggestion einlässt, wird er ihr folgen und die entsprechende Wirkung auch eintreten.

Dem im vorigen Absatz Geschriebenen stehen sicherlich persönliche Glaubenssätze und Erfahrungen der Rezipienten entgegen, die auf zahllose Hypnoseshows im Fernsehen oder Freizeitparks gründen.

Allerdings gelten insbesondere bei Hypnoseshows Besonderheiten.
Hypnoseshows vermitteln (nahezu) immer den Eindruck, dass die Hypnotisanten sich nicht dem aufoktroyierten Willen des Hypnotiseurs erwehren können.

Allerdings blendet dies den Fakt aus, dass nicht alle Menschen sich zu jedem Zeitpunkt gleich gut hypnotisieren lassen.

Der Showhypnotiseur wählt sich aus den 10 bis 20 Probanden/Teilnehmern genau Diejenigen aus, die unter diesen Umständen (auf einer Bühne vor Publikum in dieser Situation) am besten auf seine Suggestionen ansprechen. Dies findet er durch kleine Tests heraus, die er nahtlos in seine Show einbindet.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass bei allen Hypnotisanten eine Metasuggestion wirkt.
Das Betreten der Bühne ist gleichzusetzen mit der Erteilung einer vorherigen Zustimmung "bei der Show mitzumachen" und sich ggf. im Laufe der Show auch "zum Affen" machen zu lassen.

Trotzdem wird selbst in dieser Situation kein einziger Hypnotisant etwas tun, was seiner persönlichen Natur völlig zuwider liefe.

D.h. ein pazifistischer Mensch würde in hypnotischer Trance niemals jemand anderem weh tun.
Eine schamhafte Person sich niemals vor den Augen der Zuschauer ausziehen.

Allerdings, wer geht schon auf eine Bühne, wenn er weiss, dass er vermutlich im Laufe der Show blamiert oder exponiert werden wird?

Es gehen also solche Menschen auf die Bühne, die grundsätzlich bereit sind, bei der Show bei so ziemlich Allem mitzumachen, egal was dort passieren wird.

Aber selbst diese Menschen würden niemals gegen ihren Willen eine Straftat begehen, wenn sie diese nicht auch im wachen Zustand begehen wollen würden.

Diejenigen, die mit dem Willen auf die Bühne gehen, sich dem Hypnotiseur zu widersetzen, werden vom Hypnotiseur sofort ausselektiert und er beschäftigt sich mit anderen Personen.

Bei Hypnoseshows mit wenigen Freiwilligen, fand diese Selektion bereits im Vorfeld der Veranstaltung statt.

Die Befolgung von Suggestionen, die auf Straftaten gerichtet sind, setzt also einen willentlichen Akt voraus, namentlich dass die Suggestionen des Hypnotiseurs vom Hypnotisanten angenommen und umgesetzt werden.

Jeder der mal eine hypnotische Trance erlebt hat, kann dies bestätigen.

Fazit:

Zwar mag die rationale Beurteilung in Trance herabgesetzt sein, deshalb werden jedoch nicht die ethischen und moralischen Grundsätze des Hypnotisanten außer Kraft gesetzt nach denen er als Person handelt.

Denkbar ist allenfalls eine Konstellation in der eine Person vom Hypnotiseur getäuscht wird und kraft einer täuschenden Suggestion diese Person - quasi einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegend - konform zu ihren ethischen Glaubens- und Erfahrungssätzen eine Straftat begeht.

Ungleich wahrscheinlicher als Vergehen/Verbrechen eines Hypnotisanten in Trance sind also eher Vergehen/Verbrechen an einer Person, die sich in Trance befindet (Stichwort: Arglist) .

Das oben Geschriebene basiert in erster Linie auf eigenem Erleben sowie dem Befragen der Personen, die ich hypnotisiert habe, sowie nicht zuletzt auf der Lektüre von wissenschaftlichen Büchern über klinische Hypnose.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Atzert

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