Erbrechtsreform bringt Änderungen für Erbfälle ab dem 1. Januar 2010

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 13.09.2009

In abgespecktem Umfang hat der Bundestag im Juli 2009 dann doch noch die Erbrechtsreform beschlossen, die die erbrechtlichen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches (sehr) maßvoll reformieren (BT-Drucks. 16/8954). Die neuen Regeln sind für Erbfälle ab dem 01.01.2010 maßgeblich, so dass diese schon jetzt bei der Testamentserrichtung zu berücksichtigen sind. Im Wesentlichen ändert sich Folgendes:

Gleitende Ausschlussfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche

Nach noch geltendem Gesetz kann der Pflichtteilsberechtigte in Höhe seiner Quote einen Anteil an dem Wert der Schenkungen beanspruchen, die der Verstorbene in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat. Dabei sind derzeit diese Schenkungen in voller Höhe anzusetzen. Die Erbrechtsreform rückt von dem "Alles-oder-nichts"-Prinzip ab und führt eine Pro-Rata-Lösung ein (Abschmelzung). Schenkungen aus dem ersten Jahr vor dem Tod werden künftig mit 100 %, aus dem zweiten Jahr mit 90 %, aus dem dritten Jahr mit 80 % etc. in Ansatz gebracht (§ 2325 Abs. 3 BGB neue Fassung). So reduziert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch stetig. Auf die in der Praxis üblichen Schenkungen von Immobilien, bei denen der Schenker sich den Nießbrauch vorbehält, wirkt sich das begrüßenswerte Abschmelzungsmodell nicht aus. Durch den Nießbrauch fängt die 10-Jahres-Frist nämlich nicht an zu laufen; das gleiche gilt bei Schenkungen unter Ehegatten.

Pflichtteilsentziehung

Bei extremen Fehlverhalten eines Pflichtteilsberechtigten kann diesem per Testament oder Erbvertrag sein Pflichtteil entzogen werden (§ 2333 BGB ff.). Beispiel: Wenn der Sohn dem Vater nach dem Leben trachtet, dann kann der Vater in seinem Testament seinen Sohn nicht nur enterben, sondern ihm auch noch seinen gesetzlichen Pflichtteil entziehen. Die Regeln ändern sich zum 01.01.2010. Der Entziehungsgrund "ehrloser und unsittlicher Lebenswandel" entfällt, da er weder praxisrelevant noch -tauglich ist. "Entfremdung" oder "Familienzerrüttung" berechtigten auch nach der Reform nicht zur Pflichtteilsentziehung. Macht sich ein Pflichtteilsberechtigter wegen eines Verbrechens gegenüber dem Verstorbenen zu dessen Lebzeiten oder zu diesem sehr nahestehende Personen schuldig, berechtigt dieses Fehlverhalten zum Pflichtteilsentzug. Wenn ein Pflichtteilsberechtigter sich anderen Personen gegenüber strafbar gemacht hat und wird deswegen zu einem Jahr ohne Bewährung verurteilt, kann ihm der Pflichtteil entzogen werden. Bislang gelten für Kinder und Ehegatten unterschiedliche Anforderungen an den Grad des Fehlverhaltens, das zum Pflichtteilsentzug berechtigt. Zukünftig gelten die gleichen Gründe für alle Pflichtteilsberechtigten.

Erbausschlagung

Die häufig als "gefährlichste Norm des Erbrechts" bezeichnete Bestimmung § 2306 BGB wird entschärft, um einem Erben die Entscheidung über die Ausschlagung der Erbschaft zu erleichtern. Bereits kleine Fehler in der Entscheidungsfindung können nach noch geltender Gesetzeslage den Erben leer ausgehen lassen. Die Änderung soll ein Mindestmaß am Nachlass sicherstellen und so den "Super-Gau" ausschließen. Zu erwarten sind daher zukünftig häufiger Erbausschlagungen - für die aber die viel zu kurze Frist von 6 Wochen nicht verlängert werden soll.

Erweiterung der Stundungsgründe

Auch die Stundungsmöglichkeiten des Erben als Pflichtteilsschuldner fallen für diesen freundlicher aus, damit er nicht zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs Erbschaftsgegenstände durch Notverkäufe veräußern muss. Die sofortige Erfüllung muss zukünftig eine "unbillige Härte" für den Erben darstellen (§ 2331a BGB neue Fassung). Ab dem 01.01.2010 kann jeder Erbe die Stundung verlangen, nicht nur - wie bislang - derjenige, der selbst pflichtteilsberechtigt ist.

 

Zwecks Anpassung an die Schuldrechtsreform werden zudem die meisten Verjährungsfristen erbrechtlicher Ansprüche reduziert. Da im Rechtsausschuss keine Einigung gefunden werden konnte, kann im Testament nicht nachträglich bestimmt werden, dass eine Schenkung später den Erbteil oder den Pflichtteil des Beschenkten reduziert. Auch ist ein weiterer, sehr wesentlicher Punkt der Reform nicht umgesetzt worden, und zwar die finanzielle Belohnung von Personen, die den Verstorbenen gepflegt haben. Es bleibt bei der konfliktträchtigen und unzureichenden Regelung (§ 2057a BGB). Lediglich ist nicht mehr erforderlich, dass ein Kind wegen der Pflege auf eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Wünschenswert wäre eine mutigere Reform gewesen.

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