Neuer Trend: Gewerkschaften setzen auf Mitarbeiterbeteiligungen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.09.2009

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat einen neuen Trend sichtbar gemacht. Standen die Gewerkschaften in der Vergangenheit einer Beteiligung der Belegschaft an ihren Unternehmen eher reserviert gegenüber, zeichnet sich in dieser Frage offenbar ein Umdenken ab. Oliver Burkhard, Chef des IG-Metall-Bezirks Nordrhein-Westfalen wird in der Wirtschaftswoche mit den Worten zitiert: „Das ist eine Debatte von gestern“ … „Wir wollen mehr Einfluss auf die Strategie der Unternehmen.“ Derzeit sieht das Modell so aus, dass die Mitarbeiter kriselnder Unternehmen auf einen Teil ihres Lohnes verzichten. Dieser Geldbetrag wird aber nicht wie bisher gegen eine Beschäftigungsgarantie eingetauscht, sondern in eine Kapitalbeteiligung am Unternehmen umgewandelt. Die Mitarbeiter sollen dann allerdings ihre Stimmrechte nicht selbst wahrnehmen, sondern an von Betriebsräten und Gewerkschaften kontrollierte Beteiligungsfonds abtreten. Die desolate Lage zahlreicher Unternehmen, die negative Ertragsentwicklung, die Kreditklemme und die Eigenkapitalprobleme, haben viele Firmen in die Defensive getrieben, so dass sie zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sind. Es sind nicht nur die großen Firmen – wie etwa Opel – bei denen solche Modelle derzeit diskutiert werden, auch mittelständische Unternehmen werden von der IG Metall aufgefordert, sich solchen Beteiligungsmodellen nicht länger zu verschließen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf. Die Arbeitgeberverbände sind alarmiert. Die herkömmliche Mitbestimmung dürfe sich „nicht addieren mit zusätzlicher Mitbestimmung aus Fondsmodellen unter Führung derselben Funktionärseliten. Dies würde unsere Gesellschaftsform kippen, warnt Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser. Dass bei Werksschließungen, wie von der IG Metall angepeilt, eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat nötig sein soll, was jeder Konzern in seiner Satzung festlegen kann -, sei eine „unerträgliche Einschränkung von Eigentumsrechten“. Ähnlich kritisch äußerte sich in der Wirtschaftswoche der ehemalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff zur Kumulation von Mitbestimmung und Gewerkschaftsfonds: „Mitbestimmung ist eine Ordnung, aber wenn sie durch Mitarbeiterbeteiligung verstärkt wird, kommen wir ganz schnell an die Grenze der Verfassungswidrigkeit."

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Dieses dürfte, wenn es sich durchsetzt, ein Paradigmenwechsel sein. Die rechtlichen Bedenken erscheinen lösbar.

Dieser Weg, weg von dem Faktor Arbeit und hin zum Faktor Kapital wäre schon vor 20 Jahren notwendig gewesen.

Eine Verfassungswidrigkeit ist aber nicht mal im Ansatz ersichtlich (Herr Lammbsdorff=> bitte Art 14 GG lesen!). Der Umstand, dass hinter einer Beteiligungsgesellschaft eine Gewerkschaft steht, ist nichts neues.

Wenn jetzt Betroffenene schreien, könnte es daran liegen, dass sie befürchten "ideologisch" nicht mehr gebraucht zu werden

0

Kommentar hinzufügen