OLG Koblenz: § 15 a RVG ist in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren unmittelbar anwendbar

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 14.09.2009

Auch das OLG Koblenz hat sich im Beschluss vom 1.9.2009, -14 W 553/09- ,der zutreffenden und erfreulicherweise offenbar auch im Vordringen befindlichen Meinung angeschlossen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 15a RVG im Kern eine Rechtsprechung bei aus seiner Sicht unveränderter Gesetzeslage ändern und nicht das Gesetz selbst ändern wollte, so dass § 60 Abs. 1  S. 1 RVG nicht anwendbar ist. § 15a RVG ist somit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm auf alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren unmittelbar anzuwenden.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ein aktueller Überblick über die bekannt gewordene Rechtsprechung zum Thema:

Von einer Gesetzesänderung i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG gehen aus:
OLG Hamm, B.v.22.6.2009, Az. II- 6 WF 154/09;
Hessisches Landesarbeitsgericht, B.v.7.7.2009, Az.: 13 Ta 302/09
VG Oldenburg, B.v.22.7.2009, Az. 3 A 4771/05;
OLG Düsseldorf, B.v.6.8.2009, Az. I-20 W 62/09, -nrwe-;
OLG Frankfurt a.M., B.v.10.8.2009, Az. 12 W 91/09 -juris-;
KG Berlin, B.v.13.8.2009, Az. 2 W 128/09 -juris-;
OLG Celle, B.v.26.8.2009, Az. 2 W 240/09 -juris-;
VG Minden, B.v.25.8.2009, Az. 9 K 2844/08, -nrwe-;
Bayer. VG Ansbach, B.v.26.8.2009, Az. AN 1 M 09.01358;
Bayer. VG Ansbach, B.v.27.8.2009, Az. AN 19 M 07.03209
Bayer. VG Ansbach, B.v.2.9.2009, Az. AN 19 M 08.01175;
VG Göttingen, B.v.4.9.2009, Az. 4 A 15/09;

Von einer ausschließlichen Klarstellung des Gesetzgebers gehen aus:
AG Wesel, B.v.26.5.2009, Az. 27 C 125/07;
VG Frankfurt a.M., B.v.16.7.2009, Az. 5 O 1659/09.F.A (V)
LG Berlin, B.v.5.8.2009, Az. 82 T 453/09;
VG Frankfurt a.M., B.v.10.8.2009, Az. 8 O 1870/09.F.A(3) ;
OLG Stuttgart, B.v.11.8.2009, Az. 8 W 339/09 -juris-;
OVG Münster, B.v.11.8.2009, Az. 4 E 1609/08 (Prozesskostenhilfe) -juris-
OLG Dresden, B.v.13.8.2009, Az. 3 W 0793/09 -juris-;
OLG Düsseldorf, B.v.20.8.2009, Az. II-3 WF 14/09;
OLG Koblenz, B.v.1.9.2009, Az. 14 W 553/09;
VG Osnabrück, B.v.3.9.2008, Az. 5 A 273/08 -www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung-;

Dabei stehen gegenwärtig 6 obergerichtliche Entscheidungen pro Gesetzesänderung i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG gegen 5 obergerichtliche Entscheidungen pro Klarstellung. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BGH zum Thema äußert.

Eine nicht ganz repräsentative Umfrage zum Thema im rechtspflegerforum fiel deutlicher aus (siehe http://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?t=38294 mit einigen lesenswerten Kommentaren):

Umfrageergebnis anzeigen: Ist mit § 15 a RVG eine Gesetzesänderung verbunden? Nein, es ist nur eine Klarstellung. 32 35,96% Ja, es ist eine Gesetzesänderung und § 60 RVG gilt. 57 64,04%

Teilnehmer: 89. Diese Umfrage ist geschlossen

 

OLG Köln, B. v. 14.09.2009 in 17 W 195/09, nrwe.

Leitsatz: § 15a RVG ist ab ihrem inkrafttreten auch auf sog. Altfälle anzuwenden.

 

Aus den Gründen:

"Hierbei mag davon auszugehen sein, dass die gesetzliche Neuregelung des § 15 a RVG eine der Übergangsvorschrift aus § 60 Abs. 1 RVG unterfallende Bestimmung beinhaltet. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. OLG Frankfurt Beschl. v. 10.08.2009 – 12 W 91/09 – juris; KG Beschl. v. 13.08.2009 – 2 W 128/09 – juris; OLG Celle Beschl. v. 26.08.2009 – 2 W 240/09 – juris) hat dies aber nicht zur Folge, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH in Altfällen fortzuführen wäre. Die nach dieser Auffassung maßgebliche formale Anknüpfung an die bloße Gesetzeschronologie lässt im Kern unberücksichtigt, dass sich die gesetzliche Neuregelung des § 15 a RVG ersichtlich vor dem Hintergrund der bisherigen BGH-Rechtsprechung und der sich hieraus ergebenden rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten versteht, die künftig vermieden werden sollen (zu den Gesetzesmaterialien vgl. LG Berlin a.a.O.; Hansens a.a.O.). In Anbetracht dessen hält es der Senat für geboten, diese Ziel- und Wertvorstellungen des Gesetzgebers auch bei der Auslegung und Anwendung der bisherigen, durch § 15 a RVG im Übrigen nicht veränderten Gesetzeslage heranzuziehen. Auch die BGH-Rechtsprechung zum erweiterten Anrechnungsgebot erging im Rahmen einer Gesetzesauslegung, die nicht starr und unverrückbar ist, sondern der Rechtsfortbildung unterliegt, innerhalb derer veränderte rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen Berücksichtigung finden können und müssen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Einl. vor § 1 Rdnr. 54 ff.).

 

Ein Festhalten an der Gesetzesauslegung des BGH wäre bei der nunmehr gegebenen Sach- und Rechtslage verfehlt, denn dies stünde in offenem Widerspruch zu den gesetzgeberischen Intentionen und würde die rechtspraktischen Schwierigkeiten, die sich nach der bisherigen Handhabung im Rahmen der Kostenfestsetzung ergeben haben, noch über mehrere Jahre hinweg fortsetzen. Der Senat lässt sich dabei wesentlich davon leiten, dass mit der Bestimmung des § 15 a RVG keine grundlegend neue gesetzliche Bestimmung geschaffen wurde, sondern die Vorschrift aus Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG lediglich in einem Sinne konkretisiert und präzisiert worden ist, wie dies schon früher, d. h. vor der geänderten BGH-Rechtsprechung, der ganz überwiegend vertretenen Auslegung des RVG entsprach. Nichts spricht dagegen, die in diesem Sinne erfolgte gesetzliche Präzisierung schon jetzt bei der Gesetzesauslegung für maßgeblich zu halten, zumal auf diesem Wege krasse Wertungswidersprüche vermieden werden können."

 

Der 17. Zivilsenat des OLG Köln gehörte früher zu den Verfechtern einer Nichtanrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren.

 

Den Wandel seiner Rechtsprechung hin zur BGH-Auffassung begründete der Senat im Beschluss vom 02.04.2008 in 17 W 27/08, nrwe; wie folgt:

"Der Senat sieht sich durch die Entscheidung des BGH vom 22.1.2008 (VIII ZB 57/07) gehalten, von seiner bislang in der Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr vertretenen Auffassung (Senat: Beschluss vom 10.10.2007 –17 W 153/07-; Beschluss vom 19.12.2007 -17 W 194/07-) abzurücken. Nach der Entscheidung des BGH ist für eine Anrechnung ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder beglichen ist. Entsteht die Verfahrensgebühr von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Für die Anrechnung ist hiernach vielmehr allein entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegen-standes entstanden ist (BGH a.a.O. (sub. 10))." sowie

"Die Entscheidung des BGH vom 22.1.2008 (VIII ZB 57/07) ist insoweit eindeutig. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern. Die Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstands entstanden ist, wird zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet."

 

Aus einer aktuellen jurion Meldung:

"LG Hamburg, Beschluss vom 03.09.2009, Az. 324 O 248/09

 

 

Die vorgerichtliche Geschäftsgebühr ist seit der Neuregelung der Anrechnung einer Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Entstehung der Geschäftsgebühr hat auf die im Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr keinen Einfluss. Die Letztere gehört in vollem Umfang zu den Kosten des Rechtsstreits. Die neu eingeführte Norm kann bedenkenlos auch auf noch nicht abschließend entschiedene Altfälle angewendet werden.

  RVG § 15a; RVG § 60 Abs. 1; RVG VV Nr. 2300; RVG VV Nr. 3100"

 

Der 2. Zivilsenat des BGH hat die Frage vermutlich entschieden.

02.09.2009
II ZB 35/07
  Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG Zur Frage, inwieweit eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Kommentar hinzufügen