Zum Schutz des Oktoberfests – zwei Personen in Gewahrsam genommen

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 30.09.2009

Wegen islamistischer Terrordrohungen im Internet wird von der bayerischen Polizei eine Gefährdung der Wiesn offenbar sehr ernst genommen. Wie schon vorgestern in der Süddeutschen Zeitung berichtet wurde, wurden sogar zwei Personen bis zum Ende des Oktoberfests in Gewahrsam genommen. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 17 BayPAG.
Danach kann die Polizei
„eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn (…)

  das unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern; die Annahme, daß eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass

a) sie die Begehung der Tat angekündigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstände mit einer solchen Aufforderung mit sich führt; dies gilt auch für Flugblätter solchen Inhalts, soweit sie in einer Menge mitgeführt werden, die zur Verteilung geeignet ist, oder

  b) bei ihr Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Taten verwendet werden, oder ihre Begleitperson solche Gegenstände mit sich führt und sie den Umständen nach hiervon Kenntnis haben mußte, oder

  c) sie bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlaß bei der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit als Störer betroffen worden ist und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist;“

  Auf den ersten Blick liegt keiner der im Katalog aufgeführten Sachverhalte vor. Aber der Katalog ist nicht abschließend („insbesondere“), so dass hier wohl auf ähnlich gravierende Gefahranzeichen zurückgegriffen wurde. Polizeipräsident Schmidbauer hat betont, den Männern werde keine Straftatbegehung vorgeworfen; ausschlaggebend ist wohl der Kontakt zu dem aus dem Drohvideo bekannten Islamisten Bekkay Harrach. (Quelle) Die Maßnahme wurde richterlich bestätigt, wie in Art. 18 BayPAG vorgesehen.  Laut Spiegel-Online
"fürchten die Behörden, dass sich die Männer durch die Terror-Botschaften der letzten Tage, vor allem durch die Bänder des al-Qaida-Propagandisten Bekkay Harrach, aufgerufen fühlen könnten, Anschläge in der bayerischen Metropole zu planen und durchzuführen. Auch wenn es keine konkreten Hinweise gebe, so die Argumentation, habe man in der aktuellen Gefährdungslage nicht riskieren können, dass sich die beiden frei bewegen können."

Kurzes Fernsehinterview mit Polizeipräsident Schmidbauer, in der er die Gründe für die Maßnahme erläutert  (BR)

Entscheidend ist wohl die Frage, ob die Ingewahrsamnahme „unerlässlich“ ist, um eine "unmittelbar bevorstehende" Straftat zu verhindern, oder ob nicht mildere Maßnahmen (insbesondere der polizeilichen Beobachtung/Überwachung) ausgereicht hätten.

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8 Kommentare

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rund eine woche vorbeugender gewahrsam ohne konkrete hinweise... da sträubt sich meine innere rechtsstaatsbürste, ums mal mit den worten von prof. hans-heinrich trute zu formulieren.

 

minority report lässt grüßen...

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Meines Erachtens haben wir hier wieder einen Fall, in dem das staatliche Sicherheitsinteresse fast prüfungslos über das Individualinteresse gestellt wird. Wie Hr. Prof. Müller schon geschrieben hat, muss man sich fragen, ob nicht eine mildere aber gleich geeignete Maßnahme existiert um die "drohende Terrorgefahr" (aber anscheinend ohne Anhaltspunkte) erfolgreich abzuwenden.

Eine rein präventive Ingewahrsamnahme scheint dafür keinesfalls dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu entsprechen.

Nähern wir uns jetzt dem Zustand an, indem unliebsame Personen anscheinend ohne konkrete Anhaltspunkte festgenommen werden und erst nach Belieben der Behörden wieder freigelassen werden? Wenn das Erfolg hat, kann man das auch im Demonstrationsrecht einfach anwenden und gleich alle Demonstranten vor Beginn festnehmen lassen um sich Ärger zu ersparen.   

Sehr geehrter Herr Seidel, sehr geehrte Mitdiskutanten,

wenn Sie den Vorgang mit den Worten "fast prüfungslos", "nach Belieben der Behörden" kommentieren, sollten Sie nicht übersehen, dass hier eine gerichtliche Prüfung erfolgte, also nicht allein die Polizei und auch nicht allein die Exekutive für die Maßnahme verantwortlich ist.

Allerdings kann man sich vorstellen, dass - einmal dazu aufgefordert - ein Richter nicht die Verantwortung dafür übernehmen will, wenn dann doch etwas "passiert".

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

@5: Ausserdem hätte der Richter vermutlich wesentlich mehr Schreibarbeit, wenn er den Antrag ablehnen würde :-)

 

Mich erinnert die Nachricht jedenfalls an "Schutzhaft" und an "Gedankenpolizei" und das macht mir Angst.

In den USA wurden in 2001 zig Leute als "material witness" festgehalten, obwohl die nie was gemacht haben.
http://en.wikipedia.org/wiki/Material_witness#September_11_Controversy
http://www.law.com/jsp/article.jsp?id=1202433636349&FORM=ZZNR3

(Noch lächerlicher finde ich die Anwältin: "Im Auftrag meines Mandanten werde ich unverzüglich Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Richterin erstatten, die den Beschluss angeordnet hat", anstelle Rechtsmittel einzulegen)

 

Aber es kann doch nicht sein, dass jemand in den Knast wandert nur weil er uns "Ungläubige" hasst, und Kontakt zu einem üblen Typen gehabt hat, oder zu dem Bruder von dem üblen Typen, und ausserdem in die "falsche" Moschee geht.
Wenn man alle Muslime einbuchten würde die mehr oder weniger heimlich vom Jihad oder von Burka-Babes träumen, und uns hassen weil wir Bier und Wein trinken, dann hätte dies grössere Bautätigkeiten zur Folge. Unheimlich!

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"Noch lächerlicher finde ich die Anwältin: "Im Auftrag meines Mandanten werde ich unverzüglich Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Richterin erstatten, die den Beschluss angeordnet hat", anstelle Rechtsmittel einzulegen"

 

Das eine schließt das andere ja wohl nicht aus. Wer sagt, dass sie kein Rechtsmittel eingelegt hat?

 

BtW:

Soeben erlebt bei einer mündlichen Haftprüfung in der JVA Stadelheim:

 

"Schon richtig, Herr Verteidiger, eigentlich liegen derzeit keine richtigen Verdachtsmomente vor, aber es wird ja auch noch ermittelt; da kann schließlich noch einiges rauskommen".

 

Es wurde Haftfortdauer angeordnet.

 

Ein Blogleser machte mich noch auf zwei weitere Maßnahmen aufmerksam, über die in der Süddeutschen berichtet wurde:

Der automatische Kfz-Kennzeichenabgleich in der Landsberger Straße und eine Verfassungsschutzaktion, von der ein münchener Architekt betroffen war (Anwerbeversuch?). Beides zeigt eine gewisse Nervosität der Behörden , was m. E. aber angesichts der konkreten Drohungen nachvollziehbar erscheint. Was meinen Sie?

Auf der einen Seite stehen die Informationen aus dem SZ-Artikel, deren maßgebliche Quelle wohl die Aussagen der Anwältin des Betroffenen sein dürften. Auf der anderen die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden, über die man mangels Kenntnis keine Aussagen treffen kann, die aber offenbar genügten, um einen Richter zur Bestätigung der Ingewahrsamnahme zu überzeugen.

 

Ohne genauere Kenntnis bleibt - jedenfalls bei mir - ein etwas bedenklicher Beigeschmack, wie weit der Staat durch solche Drohvideos nervös werden sollte, sodass die Verhältnismäßigkeit der Mittel noch gewahrt ist.

Nachlese: Der Stern berichtet über den einen der beiden Inhaftierten. Er hatte wohl selbst keinen Kontakt zu Harrach, sondern kannte nur einen, der diesen Kontakt hatte. Er selbst rief angeblich vor seiner Festnahme die Polizei über 110 an, als er sich verfolgt fühlte (die Verfolger waren nach dem Bericht bayerische Staatsschützer) . Stimmt dies, kann man wohl kaum behaupten, er habe sich der polizeilichen Überwachung entziehen wollen.

Interessant auch diese Darstellung der Anwältin des Inhaftierten in der Münchener Abendzeitung:

"Amtsrichterin Heike A. hatte am Sonntag den Gewahrsams-Antrag bewilligt. Anwältin Lang: „Morgens um zehn Uhr hatte sie den Antrag abgelehnt, die Beweise reichten nicht. Um 23 Uhr genehmigt sie ihn dann. Sie sagte zu mir, sie will nicht der Buhmann der Nation sein, wenn es dann Tote gibt.“

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