Besoffen auf Kutsche - straflos?!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.10.2009

Trunkenheitsfahrten mit Kutschen sind sicher selten. Nun ist so ein Fall einmal wieder vor Gericht gelandet, so berichtet Der Westen:

"...Das Unglück ereignete sich am Ende einer Ausflugsfahrt. Der Waltroper Landwirt wollte die Pferde eigentlich nur noch zur Weide bringen. Doch die Zossen wurden von einer Ziege erschreckt und gingen durch. Der 56-Jährige, der eigentlich schon abgestiegen war, sprang wieder auf, um Schlimmeres zu verhindern. Im Prozess vor dem Amtsgericht in Recklinghausen erklärte er, dass er Angst gehabt habe, dass die Tiere auf die nahe Münsterstraße rennen würden. Bei dem Unfall hatte er sich selbst verletzt.

Da eine Blutprobe einen Alkoholwert von 1,7 Promille ergeben hat, hatte die Staatsanwaltschaft den Waltroper wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr angeklagt. Während Auto- oder Radfahrer sicherlich auch verurteilt worden wären, kam der Landwirt mit einem Freispruch davon. Pferde, so hieß es im Prozess, seien schließlich intelligenter als Räder und Autos, könnten die Fehler eines betrunkenen Kutschers ausgleichen. Außerdem fand das Gericht keine Promillegrenze. Es hieß, der Kutscher müsse sich lediglich auf dem Bock halten können...."

Aus anderen Berichten lässt sich entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die Verurteilung wegen § 316 StGB beantragt hatte, sondern auch eine Fahrerlaubnisentziehung (§ 69 StGB) und eine Sperre (§ 69a StGB) - dafür hätte die Pferdekutsche mit ja immerhin mehreren PS natürlich ein Kraftfahrzeug sein müssen...

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5 Kommentare

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Gab schon mal was Ähnliches: AG Köln, NJW 1989, 921: "...Der Angekl. war freizusprechen, weil nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G ein Fahrfehler des Angekl. nicht nachzuweisen und eher unwahrscheinlich ist; ein Sturz des Pferdes wie der vorliegende könne die verschiedensten Ursachen haben, aber kaum vom Lenker des Gespanns herbeigeführt werden.

Der Auffassung der StA, daß der Angekl. aufgrund des genossenen Alkohols absolut fahruntüchtig war, vermag das Gericht nicht beitreten. Der von der Rechtsprechung für Radfahrer ermittelte Grenzwert von 1,7 Promille kann nicht ohne weiteres auf Lenker von Pferdegespannen übertragen werden. Die absolute Fahruntüchtigkeit von Radfahrern wurde im Rahmen von Fahrprüfungen ermittelt, bei denen es in erster Linie auf die Fähigkeit der Testpersonen ankam, bei Kreis- und Slalomfahrten nicht umzufallen; auf die entsprechenden Veröffentlichungen in Blutalkohol 1982 und 1984 wird hingewiesen.

Bei Lenkern von Pferdegespannen kommt dem Gleichgewichtssinn eine geringere Bedeutung nur insoweit zu, als der Kutscher in der Lage sein muß, sich auf dem Bock zu halten. Auch muß berücksichtigt werden, daß Pferde kraft der ihnen eigenen Intelligenz alkoholbedingte Schwächen des Kutschers in gewissem Umfang kompensieren können. Insoweit könnte erwogen werden, bei Lenkern von Pferdegespannen eine BAK von mehr als 1,7 Promille zu tolerieren. Dagegen spricht, daß Pferde (anders als Fahrräder) schreckhaft auf Verkehrsvorgänge oder andere äußere Reize (z. B. Insektenstiche) reagieren können und daß die Fähigkeit des Fahrers, scheuende oder durchgehende Pferde wieder unter Kontrolle zu bringen, bei einer BAK von 1,7 Promille erheblich eingeschränkt sein dürfte. Statistisch oder experimentell gesicherte Erkenntnisse hierüber fehlen jedoch..."

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Wie sagt schon das AG Köln in seiner "Brauereigaulentscheidung" (sehr lesens- bzw. lachenswert) 226 C 356/84, NJW 1986, 1266-1268:

 

Ein Bierkutscher, der diensteifrig dem Gebräu der eigenen Brauerei zugesprochen hat, verstößt gegen § 316 StGB, wenn er in fahruntüchtigem Zustand das Pferdegespann führt. Die Fahrerlaubnis kann ihm allerdings nicht entzogen werden.

Ein "Führen" im Sinne des § 316 StGB ist gegeben, wenn der Bierkutscher durch Zurufe (zB "Hüh" oder "Hott") auf die Gäule einwirkt. Dies gilt jedoch nicht für Zurufe des Beikutschers.

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