Der "Abwrack-Betrug" kein strafbarer Betrug?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 05.10.2009

Persönlich sind mir noch keine Betrugsverfahren wegen der Abwrack-Prämie bekannt (Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen, BAnZ 2009, 835, 1036, 1144 - PDF). Bei der geschätzten Zahl von 50.000 Fahrzeugen, für die die Abwrack-Prämie zwar kassiert, die Fahrzeuge dann aber gleichwohl ins Ausland verkauft wurden, könnte ich mir gut vorstellen, dass der "Abwrack-Betrug" demnächst in verstärktem Maß die Justiz beschäftigt.

Dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs jedoch keineswegs zweifelsfrei gegeben ist, behandelt Rechtsanwalt Alexander Stumpf, München, in der aktuellen NJW-Spezial 2009, 648 (der Link geht noch nicht): Er sieht das Problem in der Frage, ob auf staatlicher Seite ein Vermögensschaden vorliegt. Die neuere Rechtsprechung ziehe zur Begründung eines Vermögensschadens auch die Verfehlung des mit der Subvention verfolgten wirtschaftlichen oder sozialen Zwecks heran. Eine Täuschung über die für die Subventionsgewährung zu erbringenden Nachweise genügt demnach nicht, wenn trotz des Irrtums seitens der Behörden der Subventionszweck erreicht wird (BGH NStZ 2006, 624). Also: Wird der Subventionszweck durch den Verkauf des Altfahrzeugs ins Ausland verfehlt? Allemal ein rechtliches Argument für die Verteidigung mit Fundstelle.

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5 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Kollege von Heintschel-Heinegg,

möglicherweise beruht dies auf einem Vertipper, aber die von Ihnen zitierte Entscheidung betrifft wohl einen anderen Fall: Dort war schon  Täuschung und Irrtum der Behörde fraglich, weil der Behördenvertreter die falschen Abrechnungen kannte bzw. bewusst duldete. Davon wird man beim Abwrack-Betrug aber wohl in konkreten Fällen nicht ausgehen können. § 263 StGB wird auch nicht schon deshalb ausscheiden, weil die Behörde im Allgemeinen weiß, dass es (statistisch in gewissem Umfang) zu Betrügereien kommt.

Um die Frage des Vermögensschadens bei öffentlichen Subventionen und die Frage der Berücksichtigung einer evtl. Zweckerreichung gibt es dogmatisch keine Einigkeit, was den allg. Streit um den Schadensbegriff in § 263 StGB (§ 264 StGB ist hier wohl nicht anwendbar) reflektiert. Ohne den Artikel von Stumpf gelesen zu haben, würde ich zunächst darauf abstellen, dass ein Schaden schon dann vorliegt, wenn die tatsächlichen gesetzlichen Voraussetzungen der Prämie vorgetäuscht wurden, der Staat also zahlt, obwohl keien Anspruch auf die Prämie vorlag. Auf die Zweckerreichung bzw. -verfehlung käme es m.E. nur an, wenn sich die Behörde konkret um die Zweckerreichung im Einzelfall Gedanken machte (etwa im Rahmen einer Ermessensentscheidung). Dies ist hier aber nicht der Fall: Da derjenige, der sein Fahrzeug nicht verschrottet, sondern ins Ausland verkauft, keinen Anspruch auf die Prämie hat, wird der Staat auch nicht von diesem Anspruch frei, weshalb ein Schaden vorliegt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Kollege Müller,

 

was die zitierte Entscheidung betrifft, so habe ich diese dem Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Stumpf entnommen, weil er nur diese einzige Entscheidung neben Literaturzitaten nennt. Auch Herr Rechtsanwalt Stumpf ist der Meinung, dass die Voraussetzungen eines Subventionsbetrugs nach § 264 StGB nicht vorliegen, da es sich bei der Abwrackprämie nicht um eine Subvention i.S. von dessen Abs. 7 handle.

 

Gerade habe ich mit Herrn Zosel im Verlag telefoniert mit der Bitte, dass ein Link auf den angesprochenen Beitrag gesetzt wird. Vielleicht gelingt Herrn Zosel auch ein kostenfreier Link auf den Text der Richtlinie.

 

Zu der von Ihnen angesprochenen Frage schreibt Herr Rechtsanwalt Stumpf auch, dass die Richtlinie als zwingende Voraussetzung für die Subventionsgewährung das Verschrotten des Altfahrzeugs postuliert: "Der Gesetzgeber hat sich demnach dafür entschieden, die Auszahlung der Umweltprämie und die Erreichung des Subventionzwecks entscheidend davon abhängig zu machen, dass die Fahrzeuge endgültig `stillgelegt` werden." Der Autor ist sich aber gleichwohl nicht sicher, ob die Rechtsprechung einen Vermögensschaden bejahen wird oder den Zweck der Umweltprämie auch bei einem Verkauf des Altfahrzeugs ins Ausland gewahrt sieht. Die Zielsetzung, den Absatz von Neuwagen zu fördern, werde auch trotz falschen Abwrack-Nachweises erreicht, weil der Besitzer des Altfahrzeugs unabhängig davon, ob dieses verschrottet wird oder nicht, einen Neuwagen erworben hat.

 

Beste Grüße

 

Bernd von Heintschel-Heinegg

Hinzu kommt aber noch ein weiterer Aspekt: Selbst wenn man die Zweckerreichung als Schadensausschluss akzeptieren würde (was m. E. nicht geschehen sollte, s. o.), dann fragt sich noch, ob der "Zweck" allein in der Subventionierung der Autoindustrie lag. Immerhin wurde die Prämie auch als "Umweltprämie" beworben. Da die Umwelt an Grenzen nicht Halt macht, wäre der Zweck genauso verfehlt, wenn die "Stinker" in Afrika oder Osteuropa weiterstänken.

Nochmals Grüße

Henning Ernst Müller

Geschädigt könnte m.E. u.a. auch derjenige sein, der einen Antrag eingereicht hat, aber wegen Erreichens des Kontingents nicht mehr berücksichtigt wurde.

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"Da die Umwelt an Grenzen nicht Halt macht, wäre der Zweck genauso verfehlt, wenn die "Stinker" in Afrika oder Osteuropa weiterstänken." - wobei sie da ja eher noch schlimmere Stinker ersetzt hätten ...

Leider ist die EU-Kommission ja nicht meinem Vorschlag gefolgt, das als unerlaubte mittelbare Ausfuhrbeschränkung zu qualifizieren ...

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