Blutprobenentnahmen: Polizisten "zwischen den Stühlen" - ein Bericht aus dem Bereich der Polizei Aachen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 07.10.2009

In dem schon einige Monate alten Beitrag "Fiese" Fragen zur Blutprobenentnahme: Was steht für Polizisten und Ärzte auf dem Spiel? hat nun Blogleser und Polizist Peter Wollgarten einen ganz interessanten Bericht aus der seiner Praxis geschrieben, den ich gerne einmal zum Anlass nehmen will, einen neuen Beitrag zur Praxis im Zusammenhang mit § 81a StPO "aufzumachen". Hier die Stellungnahme von Herrn Wollgarten auszugsweise:

"...Vor einigen Monaten ist es ja einigen Rechtsanwälten gelungen, ihre total besoffenen Mandanten wieder unter die Verkehrsteilnehmer zu bringen.

Ich kann nur für meine Dienstgruppe sprechen, aber ich denke, nicht nur dort waren wir sehr verunsichert. Also wurden schleunigst ein Haufen Telefonnummern gesammelt, um einen Bereitschaftsdienst zu erreichen.

 

Seit meinem letzten Kommentar vor genau einem Monat, habe ich ca. zehn Blutentnahmen gehabt. Ich habe festgestellt, dass nicht nur bei uns auf der Wache ein Chaos geherrscht hat. Nein auch beim AG Aachen und bei der StA Aachen war man teils überfordert.

So antwortete mir ein Richter am AG nach meiner Sachverhaltsschilderung, was ich denn für das Richtige halten würde? "Nun, der junge Mann hat mir 0,75 mg/l einen Verkehrsunfall verursacht, da halte ich eine Blutprobe und eine Beschlagnahme des Führerscheins für das Richtige."

"Dann machen Sie es doch so, wie sie es immer gemacht haben, da brauchen Sie mich doch nicht anrufen."

 

Eine Richterin war ein wenig ungehalten, sie würde soetwas nur mit der Staatsanwaltschaft besprechen, schließlich sei diese ja die Herrin des Verfahrens. Darauf wurde die StA informiert..... "Haben Sie schon mit einem Richter gesprochen?"

 

Seit zwei Wochen gibt es einen neuen Trend. Der Probant muss zunächst befragt werden, ob er mit der Maßnahme einverstanden ist, sollte dies der Fall sein, kann "munter drauf los gepickt" werden, ohne StA oder einen Richter zu befragen. Sollte während der Maßnahme jedoch eine Sinneswandlung entstehen, muss dann doch wieder eine Anordnung eingeholt werden.

 

Auf meine Frage, wie es sich denn verhalten wird, wenn der Probant im Nachhinein angibt, dass er meine Erklärung und sein Einverständnis nicht verstanden hat, weil er ja schließlich total betrunken war, konnte mir bislang keiner eine Antwort geben. Selbst wenn ich es mir von ihm unterschreiben lasse, was zählt denn nachher die Unterschrift von einem Kerl, der um die zwei Promille hatte?

 

Nun existiert seit gestern Mittag eine vorläufige Dienstanweisung des PP Aachen. Hier sind Beispiele aufgeführt, wie wir unter gewissen Umständen zu verfahren haben. So richtige Klarheit besteht aber auch jetzt nicht...."

 

Hier einmal ein ganz hezliches Dankeschön für die Stellungnahme eines betroffenen Polizisten!

 

 

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6 Kommentare

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Der Beitrag gibt sicherlich die Realität wieder.

Allerdings sieht man hier doch, wie sehr die gesetzeswidrige Praxis zu automatisierten Verfahrensabläufgen geführt hatte. Jetzt muss mans richtig, will sagen: so wie es im Gesetz steht, machen und das Chaos bricht aus.

Mitleidsfaktor: Null

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Mitleidsfaktor: Null?

Von wegen! Zu Recht darf man mit vor Ort betroffenen ordentlichen Polizisten, die sich bemühen gesetzmäßig zu handeln, Mitleid haben. Das Chaos bricht doch im Übrigen nur deshalb aus, weil es der Dienstherr verabsäumt, klare Anweisungen zu erteilen. Dass deshalb der Polizist vor Ort, welcher so einen Mist ausführen soll, kein Mitleid verdient, ist unverständlich.

Mit ihrer Formulierung von der gesetzeswidrigen Praxis, die zu automatisierten Verfahrensabläufen führt, haben Sie allerdings Recht.

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Der erste Richter sollte disziplinarisch belangt werden. Der zweite belobigt werden, dafür dass er die Subsidiarität zwischen Polizei und StA kennt. Den Polizisten muss man das geben, was sie verdienen: anständige Dienstanweisungen.

Die Frage der Einwilligung hätte eigentlich schon früher mal auftauchen sollen. Dass dies nun erst überhaupt bedacht wird, ist ein Armutszeugnis für die Polizisten und die StA.

Vor einigen Monaten ist es ja einigen Rechtsanwälten gelungen, ihre total besoffenen Mandanten wieder unter die Verkehrsteilnehmer zu bringen.

Dieser polemische Satz lässt Rückschlüsse auf das rechtsstaatliche Verständnis des Polizisten zu.

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@ studiosus juris: Polizisten sind eben keine Juristen, die an irgendetwas "gutes" im System glauben. Und bei Tätern, die ganz eindeutig der Tat schuldig sind, derer sie beschuldigt werden, und nur wegen Verfahrensfehlern nicht bestraft werden, werden Laien eben schnell mal zynisch - ganz besonders wohl solche Laien, die ständig mit solchen Tätern konfrontiert sind. Das Verständnis des Rechtsstaats ist eben in der Bevölkerung immer noch geprägt von einem Wunsch nach Gerechtigkeit, und Gerechtigkeit speist sich traditionell aus dem Mitleid. Und Mitleid wird man mit jemandem, der mit zuviel Promille am Steuer erwischt wurde und dann seinem due process entzogen wurde, indem nicht ein am Telefon sitzender Richter, sondern nur ein direkt vor ihm stehender Polizist einen kurzen Stich in die Haut anordnete, wohl kaum haben.

 

@ Malte S.: Die Frage der Einwilligung ist wohl auch deshalb nicht besonders schnell aufgetaucht, weil eine Einwilligung im Ernstfall überhaupt nichts taugen würde. Ein Armutszeugnis ist nur, dass den Polizisten keine klaren Dienstanweisungen gegeben werden; eigentlich müsste eine Bearbeitungsreihenfolge aus Sicht der StA schnell und eindeutig zu formulieren sein. Der erste Richter gibt immerhin eine tiefe Wahrheit wieder: Dem § 81a StPO fehlt es an Wirklichkeitsnähe.

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Wahrscheinlich müssten ähnlich Programmen für Robotter die konkreten Dienstanweisung nochmals in einem Heft immer in der Hosentasche beim Beamten sein, wenn man sich an rechtsstaatliche Regelungen in der Praxis sonst nicht orientiert, so dass er dann jeweils Schritt für Schritt die Punkte nachlesen, abarbeiten und abstreichen kann. Andere flexiblere Lösungen scheinen nicht zu funktionieren.

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