Leider immer noch: Zwei Drittel der Amerikaner sind für die Todesstrafe

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 14.10.2009

Traditionell findet in den USA die Todesstrafe einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt. Fast die Hälfte der Amerikaner meinen sogar, die Todesstrafe werde nicht oft genug angewendet - obwohl 59% einräumen, dass in den vergangenen fünf Jahren wahrscheinlich mindestens ein unschuldiger Mensch hingerichtet wurde.

Nach einer Umfrage des renommierten Gallup-Instituts befürworten rund 65% der Amerikaner die Bestrafung von schweren Verbrechen mit dem Tod (Quelle: T-ONLINE von heute).

Wie die Stimmungslage Deutschland aussieht, weiß ich nicht. Aber nachdem ich mich in der Kriminologie bewege, kann uns vielleicht  Herr Kollege Müller weiterhelfen.

 

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11 Kommentare

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Bei genauem Hinsehen ist das angeblich so freie Land USA dann so frei gerade nicht, frei eigentlich nur hinsichtlich ökonomischer Aspekte, widerum beschränkt allerdings auf die eigene Ökonomie. So kann man für Niemand ein globales Vorbild sein.

 

Amnesty befürchtet in diesem Jahr in den Ländern der Todesstrafe mehr Hinrichtungen http://www.zeit.de/newsticker/2009/10/10/SPERRFRIST-iptc-bdt-20091009-18... . Dabei richtet China weltweit die meisten Menschen hin, doch Deutschland spricht auch dieses Thema nicht offiziell an. Wie auch, man fürchtet sich ja bereits, wenn die chinesische Delegation nur physisch den Raum der Frankfurter Buchmesse verlässt, weil gemäßigte Oppositionelle auf der Bühne sprechen. Das alles geschieht im Dienste der globalen Ökonomie, nur welcher eigentlich, einer humanen anscheinend nicht.

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Lieber Herr Kollege von Heintschel-Heinegg,

da Sie mich direkt ansprechen: Die Todesstrafe ist  immer wieder - auch in Deutschland - ein Thema. Ich kenne keine aktuelle Umfarge dazu, aber ich bin nicht sicher, ob die Ablehnung der Todesstrafe in Deutschland eine Mehrheit hätte. Allerdings ist eine solche Umfrage  methodisch schwierig, etwa  im zeitlichen Umfeld von besonders grausamen Straftaten oder Terroranschlägen. Zudem kommt es etwa darauf an, ob in der Fragestellung eine Alternative zur Todesstrafe genannt wird.

Ihre Überschrift "immer noch" impliziert den Tenor, es gebe eine allg. Tendenz zur Ablehnung der Todesstrafe, gegen die das Umfragergebnis spreche. Es gab zwar in den 60er und 70er Jahren auch in den USA weniger Zustimmung zur Todesstrafe in der Bevölkerung, allerdings war in den letzten 25 Jahren immer mind. eine Zweidrittel-Mehrheit, teilweise weit mehr, dafür. (hier die gallup-Umfragen der letzten Jahre - 1.Grafik, und  der letzten Jahrzehnte - 2.Grafik weiter unten). Zwei Drittel Zustimmung zur Todesstrafe scheint mir deshalb nicht einmal besonders hoch, wo es doch vor wenigen Jahren noch 80% waren.

In jüngerer Zeit werden allerdings in den USA tatsächlich weniger Menschen hingerichtet (siehe diesen Beitrag) und es gab zwei Ereignisse, die eigentlich auch in den USA gegen die Todesstrafe sprechen müssten:

Der Fall, in dem eine Hinrichtung abgebrochen werden musste, weil man  keine Vene für die Giftspritze gefunden hat und den Todeskandidaten über zwei Stunden quälte (Quelle hier) und der Fall des Familienvaters, der offenbar unschuldig hingerichtet worden ist (Quelle).

Hinzu kommen etliche Fälle, in denen durch nachträglichen DNA-Unschuldsnachweis schon zum Tode Verurteilte wieder freigelassen werden mussten (Quellen hier).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sie haben recht, Herr v. Hentschel-Heinegg: die Gefahr, dass auch nur ein Unschuldiger zum Tode verurteilt wird, ist letztendlich das schlagende Argument gegen die Todesstrafe.

Wenn man allerdings die Umstände der Einführung des Art. 102 GG im Jahre 1949 bedenkt, besteht freilich wenig Anlass, sich gegenüber den Amerikanern moralisch aufs hohe Ross zu setzen... (dies in erster Linie an "Christina").

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@Jens

 

Man beachte bitte den Zeitablauf und den hinkenden Vergleich eines historischen Ereignisses mit der aktuellen Situation, die Aufklärung sollte doch bis heute weiter vorangeschritten sein, wir schreiben das Jahr 2009.

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@Christina

 

Dass die Aufklärung nicht automatisch mit Zeitablauf voranschreitet, können Sie zB. an der aktuellen Reaktion der Bundesbank (und anderer) auf die Äußerungen von Herrn Sarrazin beobachten.

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@Jens

 

Die Aufklärung schreitet in jedem Fall voran, dennoch bestehen natürlich auch andere systematische Einflussfaktoren fort, wie bewußte Manipulationen, explizite Berufung auf Eigenheiten und Sonderwege, komplexere Lobbyinteressen etc., diese werden jedoch heute weit schneller ihrer Vernunftsferne überführt, gerade durch die größere Aufklärung, so eben auch das Beharren auf der Todesstrafe.

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Ein amerikanischer Sechsjähriger, der stolz sein klappbares Pfadfinderbesteck in die Grundschule mitbrachte, sollte für 45 Tage in die Besserungsanstalt (Quelle). Wenn man so etwas liest, glaubt man nicht unbedingt an ein Fortschreiten der Aufklärung.

Nach der Lektüre solcher SV kann man tatsächlich zweifeln. Vielleicht kann man dahingehend erweitern, dass die durchschnittliche globale Aufklärung zunimmt und auch im Strafrecht wohl inzwischen durchschnittlich solche Strafmaße/ Bestrafungsverhältnisse abgelehnt werden. Wonach freilich unaufgeklärtere Teilbereiche einer Gesellschaft/ eines Staates dennoch bestehen können, wie z.T. evtl etwa im amerikanischen Strafrecht. Eine unaufgeklärte Gesellschaft, gerade unter westlichen Staaten, heute jedoch noch anzunehmen, fällt gerade unter Berücksichtigung der Medienvielfalt und deren Vernetzung eher schwer, zumindest hinsichtlich des hier relevanten Strafrechtsthemas, freilich können Medien jedoch auch desinformierend und inaufklärend wirken, das müsste man dann hinsichtlich der USA und dem Thema Todesstrafe einmal untersuchen.

 

Als Ursachen müssten hier jedoch m.E. neben einem tatsächlichen geringeren Grad der Aufklärung auch viele andere mögliche systematische Einflußfaktoren herangezogen werden, wie bewußte Manipulationen, explizite Berufung auf Eigenheiten und Sonderwege (kulturell, religiös o.a.), komplexere Lobbyinteressen etc. Im Detail könnte ein einzelner solcher Einflußfaktor hinsichtlich der Gefängnisse/ Besserungsanstalten/ Bootcamps in den USA etwa die Privatisierung der Einrichtungen sein, da diese somit auch eine Lobby haben werden und selbe bspw. an einer guten Auslastung interessiert sein und dahingend wirken wird.

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Der Rückschritt der Aufklärung macht sich mE an einer ganz anderen Entwicklung bemerkbar --dem zunehmenden (europaweiten) Trend zur Verschärfung des Sexualstrafrechts.

Trauriger Höhepunkt (oder Tiefpunkt) ist das gerade in Verabschiedung befindliche Gesetz Polens zur zwangsweisen chemischen Kastration von Sexualverbrechern. Und auch in Frankreich soll es eine öffentliche Diskussion darüber geben. [1]

Was ist eine europäische Menschenrechtskonvention wert, die diese Exzesse staatlichen Handelns zulässt?

Kein mir bekannter Deliktsbereich ist auch in Deutschland über die letzten zwanzig Jahre so stetig und massiv verschärft worden wie das Sexualstrafrecht. Die Geldstrafe wurde komplett abgeschafft, stattdessen droht bereits bei einer Ersttat die lebenslange Sicherungsverwahrung. Als ich mich als jugendlicher Schüler mit den theoretischen und philosophischen Grundlagen des Strafrechts beschäftigt hatte, leuchtete mir ein, dass bei allen präventiven Strafzwecktheorien die "Obergrenze" das Problem war --wie Roxin beschrieben hatte, gab es ja zum Glück hier aber das Konzept des Schuldüberschreitungsverbots, oder kürzer des Schuldprinzips.

Wie bereits an anderer Stelle im Blog beschrieben: wie kann es eigentlich sein, dass sich die Maßstäbe für den Unrechtsgehalt sexueller Handlungen an Kindern derart verschoben haben? Ich würde mich strafbar machen, wenn ich Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bagatellisieren würde, und das will ich auch nicht. Aber es gibt eine empirische Zahl, gemäß derer bereits 10% aller 13jährigen sexuelle aktiv sind. Wie kann es also sein, dass sich ein Strafrecht maßvoll und verhältnismäßig nennt, bei dem ein einvernehmlicher Sexualkontakt mit einem Vertreter dieser Altersgruppe nach dem früheren Sexualstrafrecht einen Strafbefehl mit einer vielleicht vierstelligen Geldstrafe nach sich zog, während heute sofort ein Haftbefehl erlassen wird und die Strafandrohung, je nach Praktik, nicht unter zwei Jahre Freiheitsstrafe liegt?

Mir macht diese Entwicklung Angst. Immerhin sind die Schutzaltersgrenzen in Europa unterschiedlich. Ein 14jähriger junger Mensch kann sein recht zur positiven sexuellen Selbstbestimmung in Deutschland wahrnehmen, ohne dass, bestimmte Umstände sichergestellt, sich sein erwachsener Partner strafbar macht. In Polen liegt diese Altersgrenze beispielsweise aber bei 15 Jahren. Die Willkür bei solchen Festlegungen nach Lebensalter wäre nochmal ein eigenes Kapitel.

Wie sieht es jedoch dann mit dem europäischen Strafbefehl aus, ein Fall wie "Marco" abgewandelt? Auslieferung nach Polen, dortige Kastration?

NS-Vergleiche sind eigentlich unnötig, aber die Wortwahl des polnischen Ministerpräsidenten beim Thema Zwangskastration spricht auch ohne solch einen Vergleich Bände: Es handele sich bei den Betroffenen nicht um Menschen, sondern um Kreaturen.

Das ist es, was ich als Rückschritt der Aufklärung bezeichnen würde.

 

[1]: http://www.heise.de/tp/blogs/6/146021

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Zum Thema Todesstrafe in den USA.  Ich weiß nicht, wie stichhaltig die neuesten Umfragen hier sind (das Strafrecht ist von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich), aber der US Supreme Court beschäftigt sich intensiv mit dem Thema:

Hier ist eine gute Zusammenfassung - auch mit Statistiken:

http://justice.uaa.alaska.edu/death/history.html

Grüsse aus Washington

Axel Spies

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