Nochmals Volksverhetzung: Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt Strafbefehl gegen Pius-Bischof Williamson wegen Volksverhetzung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 18.10.2009Nach langwierigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Regensburg Strafbefehl wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB gegen den Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson von der umstrittenen Piusbruderschaft beantragt. Ob der Antrag, der derzeit vom zuständigen Richter geprüft wird, sich auf eine Geldstrafe oder eine Bewährungsstrafe richtet, ist  nicht bekannt. Williamsons deutscher Anwalt Matthias Loßmann aus Coburg erwägt unterdessen, gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen. Damit käme es zu einer Hauptverhandlung. 

 

Williamson leugnete systematische Vernichtung der Juden

Der 69 Jahre alte britische Bischof hatte vor knapp einem Jahr im Pius-Priesterseminar im bayerischen Zaitzkofen den Massenmord an den Juden während der Hitler-Diktatur stark relativiert. In einem Fernsehinterview mit einem schwedischen Reporter hatte er die systematische Ermordung von Menschen in den Gaskammern bestritten. Die Holocaust-Leugnung Williamsons hatte Anfang 2009 weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Interview war etwa zu dem Zeitpunkt veröffentlicht worden, als Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Bischöfen der Traditionalisten-Bruderschaft, darunter Williamson, ausgesetzt hatte. Weltweite Kritik an dem Umgang des Vatikans mit den Pius-Brüdern folgte. Benedikt XVI. hatte später in einem Brief an alle Bischöfe Fehler bei der umstrittenen Aufhebung der Exkommunikation eingeräumt und erklärt, von der Holocaust-Leugnung erst nach seiner Entscheidung erfahren zu haben.

 

Schwedisches Presserecht verhinderte die Vernehmung des Journalisten

Wegen der Zuständigkeit für Zaitzkofen nahm die Regensburger Staatsanwaltschaft bereits im Januar 2009 die Ermittlungen auf. Die Untersuchung des Falls stockte allerdings monatelang, weil die schwedischen Behörden nach einem Rechtshilfeersuchen aus Deutschland den Journalisten nicht wie gewünscht als Zeugen vernehmen konnten. Das schwedische Presserecht verhinderte dies. Die Regensburger Ermittler bekamen erst kürzlich ein Schreiben vom Chef des Fernsehjournalisten, in dem offene Fragen beantwortet wurden. Laut Presseberichten gab das schwedische Fernsehunternehmen in dem Brief an, dass es keine Absprache mit Williamson gegeben habe, das Interview nur in Schweden auszustrahlen. Dies hatte der Bischof in dem Ermittlungsverfahren behauptet. Die Leugnung des Holocaust ist in verschiedenen anderen Ländern im Unterschied zur Bundesrepublik nicht strafbar.

 

Quelle: Straubinger Tagblatt vom 16.10.2009 S. 11

 

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5 Kommentare

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Die Norm (§ 130 III StGB) setzt voraus:

 

- die Leugnung oder Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art

 

- in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören

 

Das erste TBM ist unzweifelhaft gegegben. Hinsichtlich des eingrenzenden Merkmals der Störung des "öffentlichen Friedens" habe ich in Ansehung der Wortlautgrenze des Art. 103 GG aber doch einige Bedenken. 

Zwar sagen die Kommentare, dass ein gewichtiges Indiz für die Eignung zur Friedensstörung gegeben sei, wenn tatsächlich eine erhebliche unruhestiftende Wirkung über den unmittelbaren Zuhörer- oder Empfängerkreis hinaus eintritt, was zB durch die Feststellung der öffentlichen Resonanz, den Hinweis auf Presseberichte und den Eingang zahlreicher Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft hinreichend belegt werden kann (so der MüKoStGB).

Aber vom Wortlaut her wird eben mehr verlangt als Empörung und "öffentliche Resonanz". Es wird eine Störung des "öffentlichen Friedens" verlangt.

Ich sträube mich dagegen, dass eine vorübegehende öffentliche Empörung in einer demokratisch so gefestigten Gesellschaft wie der deutschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirklich genügen, um von einer Störung des "öffentlichen Friedens" auszugehen.

Dem natürlichen Wortsinn entsprechend identifiziere ich die Friedensstörung zwar nicht mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen oder der tatsächlichen Einschränkung staatlicher Funktionen, wohl aber mit einer nachhaltigen Vergiftung des politischen Klimas.

Kurzum: Es muss eine "Brandfackel" in die Gesellschaft getragen werden mit dem Potential, die Mitglieder dieser Gesellschaft fernab eines harten Meinungsdiskurses tiefgreifend voneinander zu entfremden.

Das trifft für die Äußerungen dieses Bischofs aber kaum zu. Dieser hat vielmehr auch mit anderen Aussagen gezeigt, dass er auf einem recht wahnsinnigen "esoterischen Trip" ist, kurzum: die Mehrheit der Menschen hier hat diesen Williamson und seine Worte nicht ernst genommen.

Da Williamson sich auch nicht anschickte, politischen Einfluss irgendwelcher Art in dieser Gesellschaft auszuüben, waren seine Aussagen eine traurige, aber für unser Zusammenleben ungefährliche Groteske und Geschmacklosigkeit.

Eher geeignet, das politische Klima IN DIESER GESELLSCHAFT zu vergiften waren die zögerlichen Reaktionen des Vatikan...

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Nun ja, die Aussagen des Bischofs sind zumindest geeignet, bestimmte Kreise in ihren Agitationen und Kampfaktionen zu bestärken und dann wird schon durch deren Aktionen eine "Brandfackel" in die Gesellschaft hineingetragen.Wehret den Anfängen und hört auf mit der Verharmlosung. Es kann keinen Unterschied machen, ob eine Gesellschaft in sich gestärkt und abgeklärt ist. 

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andy hat insofern Recht, als er das Merkmal "öffentliche Friedensstörung" als interpretationsbedürftig und nur unter Schwierigkeiten interpretationsfähig beurteilt. Der "öffentliche Friede" als Rechtsgut bei Äußerungsdelikten ist in einer demokratischen Gesellschaft ohnehin problematisch, da eine gewisse "Beunruhigung" durch Kritik und verbale Auseinandersetzung ja den Kern der Demokratie ausmacht.

Die Williamson-Äußerung im Fernsehen hat durch die Quasi-Wiederaufnahme dieser verqueren Sekte in die römisch-katholische Kirche - Kirchenrecht ist nicht mein Fach, aber so kam es in der breiten Öffentlichkeit an - besondere Aufmerkamkeit erhalten. Sie hat so im Vergleich mit dumpfem Stammtischgerede in NPD-Hinterzimmern schon eine wesentlich (ver)störendere öffentliche Wirkung gehabt.  Zumindest in der katholischen Kirche, die ja einen nicht unmaßgeblichen Einfluss in der deutschen Öffentlichkeit/Gesellschaft hat, hat Williamsons Äußerung auch zu einer teilweisen "Klimavergiftung" geführt, man denke an die Bemühungen des Papstes, sich nachträglich von Williamson zu distanzieren.  Zudem muss bei "Eignungsdelikten" ja nicht erst abgewartet werden, ob die Klimavergiftung eintritt, es genügt eben die Eignung dazu, und hier wird man die Position und Prominenz der äußernden Person, das Medium der Verbreitung und das gesellschaftspolitische Umfeld der Äußerung berücksichtigen können.

Wenn man die Messlatte so hoch legt  wie andy, dann passt Williamson natürlich darunter, ebenso wie die allermeisten solcher Äußerungen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Wie die lokale Presse beerichtet, hat das Amtsgericht Regensburg nunmehr den Haftbefehl wegen Volksverhetzung erlassen, der allerdings noch nicht rechtskräftig sei. Der Verteidiger habe bestätigt, dass gegen Williamson eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 Euro verhängt worden sei. Dem Bericht zufolge plane der Bischof, innerhalb von zwei Wochen Einspruch einzulegen (Quelle: Straubinger Tagblatt vom 27.10.2009 S. 9).

In einer früheren Zeitungsmeldung heißt es, dass  der Bischof es für die Strafwürdigkeit ausschlaggebend für halte, ob er der Veröffentlichung seines Interviews in Deutschland zugestimmt habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen (Quelle: Straubinger Tagblatt vom 19.10.2009 S. 11).

Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,

auch in der Mittelbayerischen Zeitung wird berichtet, der Strafverteidiger überlege noch, ob der Strafbefehl akzeptiert werde:

"Der deutsche Anwalt
des Briten, Matthias Loßmann aus Coburg,
kündigte an, die Frist ausnutzen
zu wollen. „Allerdings gibt es die Tendenz,
den Strafbefehl anzugreifen.“ In
dem Fall steckt nach seinen Worten
„eine Reihe spannender Rechtsfragen“.
Loßmann: „Ganz vieles hängt an
Vorsatzfragen.“
(soweit die MZ vom 27.10., Seite 1)

In der Tat könnte es seine Verteidigungsstrategie sein, die Eignung zur öffentlichen Friedensstörung (in Deutschland) sei nicht vom Vorsatz umfasst, da Williamson nicht mit einer Veröffentlcihung in Deutschland gerechnet habe.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

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