BVerfG: Mündliche Verhandlung zur Vorratsdatenspeicherung am 15.12.

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 28.10.2009

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 15.12.2009, 10:00 Uhrmehrere Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die  Vorratsdatenspeicherung nach dem TKG richten.

Inhalt: 

§ 113a TKG sieht vor, dass Verkehrsdaten, die bei der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten entstehen, von den Anbietern der Dienste jeweils für sechs Monate zu speichern sind. Dies gilt für Telefondienste ebenso wie für Internetzugangsdienste und e-Mail-Dienste. Zu speichern sind etwa bei Telefongesprächen die Rufnummern des Anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie Beginn und Ende des Gesprächs. Die anlasslos auf Vorrat gespeicherten Daten dürfen von den Diensteanbietern an die zuständigen Behörden zur Strafverfolgung (§ 113b Satz 1 Nr. 1 TKG), zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit (§ 113b Satz 1 Nr. 2 TKG) und zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes und des militärischen Abschirmdienstes (§ 113b Satz 1 Nr. 3 TKG) übermittelt werden. Gesetzliche Voraussetzung für die Übermittlung der Daten ist, dass die betreffenden Behörden jeweils durch eine Rechtsgrundlage zum Abruf ermächtigt sind, die auf § 113a TKG Bezug nimmt. Für die Strafverfolgung gestattet den Zugriff auf die Vorratsdaten § 100g StPO. Insoweit ist auch diese Regelung Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.

Verfahren:

Der von den Beschwerdeführern zunächst gestellte Antrag, §§ 113a, 113b TKG im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Erfolg. Mit Beschluss vom 11. März 2008 (verlängert durch Beschluss vom 1. September 2008) erließ das BVerfG eine einstweilige Anordnung, nach der die Übermittlung der Vorratsdaten zu Strafverfolgungszwecken nach § 113b Satz 1 Nr. 1 TKG bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nur gemäß den in der einstweiligen Anordnung vorgesehenen Maßgaben erfolgen darf. Ein Anlass zur Erstreckung der einstweiligen Anordnung auf § 113b Satz 1 Nr. 2 und 3 TKG bestand zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung nicht, weil weder im Bereich der Gefahrenabwehr noch des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste Rechtsgrundlagen für einen Abruf der nach § 113a TKG gespeicherten Vorratsdaten vorhanden waren.

Die Beschwerdeführer sehen durch die Vorratsdatenspeicherung vor allem das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Sie halten die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungen für unverhältnismäßig. Insbesondere machen sie geltend, dass sich aus den gespeicherten Daten Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen ließen. Einige Beschwerdeführer (Rechtsanwälte/ Ärzte/ Journalisten/ Steuerberater) fühlen sich darüber hinaus durch die Vorratsdatenspeicherung in ihrer Berufsfreiheit verletzt, weil sie die Vertraulichkeit der Kontakte zum Mandanten beeinträchtige. Eine Beschwerdeführerin, die einen Internetanonymisierungsdienst anbietet, rügt, die mit der Speicherung verbundenen Kosten beeinträchtigen die Anbieter von Telekommunikationsdiensten unverhältnismäßig in ihrer Berufsfreiheit.


Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-124.html

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5 Kommentare

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Man darf gespannt sein was daraus wird. Das (aller)mindeste was daraus werden sollte ist, das man (das BVerfG) den Zugriff auf das genaueste regelt und die Latte sehr hoch ansetzt.

 

...auch wenn ich Idealist bin und eigentlich davon überzeugt, das es schlichtweg Verfassungswidrig ist. Das BVerfG ist zwar ein Gremium welches die Verfassung schützen soll aber letztlich auch nur ein hm....  Erfüllungsorgan und nicht der Gesetzgeber.

Es ist offensichtlich das das Gesetz erheblichen Einfluss für die Kommunikationsgewohnheiten haben kann wenn man weiß, das "mitgezeichnet" wird wann und mit wem .... Und das ist das Kriterium an welchem zu messen ist.

 

ich finde immer noch dieses Urteil für den Fall ganz passend:

http://www.servat.unibe.ch/law/dfr/bv067157.html

Und diese Gedankengänge (und das Fazit) von Prof. Dr. D. Klesczewski fand ich ganz nett:

http://www.uni-leipzig.de/~straf/forschung/Vorratsdatenspeicherung.pdf

http://www.uni-leipzig.de/~straf/lehrstuhl/klesczewski.html

 

Grüße

ALOA

 

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Danke. Noch ein paar Zahlen: Wie das BMJ in dem Verfahren ausführt, gab es 2008 in 8.316 Verfahren insgesamt 13.426 Erstanordnungen zur Erhebung von Verkehrsdaten. Im halbjährigen Zeitraum 2009 waren es 7.538 Erstanordnungen in 3.968 Verfahren.  Besonders eifrig waren 2009 Behörden in Bayern, die 1.804 Anordnungen in 999 Verfahren erließen.

Bis zur vorläufigen Einschränkung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht am 11. März 2008 war neben Abfragen bei schweren Straftaten nach § 100 StPO auch die Nutzung von Vorratsdaten in Verfahren wegen mittels Telekommunikation begangener Straftaten möglich. Für 2008 listet das BMJ 1.414 solche Anfragen auf. Der Großteil der Anfragen bezog sich also auf schwere Straftaten (12.469 in 2008).

Sehr geehrter Dr. Spieß,

die Zahlen sind interessant. Denn das wofür man es verwendet ist eben das Problem. Das Outsourcing von Datensammlungen und das verknüpfen mit anderen Daten ist das Problem. Man hat das bei der Operation MIKADO gesehen mit dem Outsourcing einer Überprüfung von Kreditkarten-Daten wo es auch "nur" um zu suchende Verdachtsfälle ging. Das wurde dort als "legal" und zudem als "keine Rasterfahndung" bezeichnet. Überträgt man den Fall auf die Vorratsdatenspeicherung bzw. den Zugriff auf diese Daten so scheint mir dem kaum eine Schranke gegenüberzustehen.

Wir hatten das hier schon einmal:

http://blog.beck.de/2009/04/03/bverfg-einstellen-von-kreditkarten-in-mas...

Und es sei dabei noch einmal auf ETSI verwiesen:

http://futurezone.orf.at/stories/223854/

Zitat:

Was Datenschützer befürchten und Politiker bestreiten, ist in zwei internen Dokumenten des European Telecom Standards Institute [ETSI] bereits festgeschrieben. Es handelt sich um technische Normen für flächendeckendes Data-Mining in Telefonie-Verkehrsdaten, die im Zuge der "Vorratsdatenspeicherung" gesammelt werden.

 

 

Womit die zukünftige Verwendung - und wenn sie über die EU legitimiert wird - nahezu feststehen sollte. Das dabei der österreichische Präsident des Verfassungsgerichtshofes den Vergleich zur DDR zieht ist auch nicht gerade geneigt meine Befürchtungen abzumildern.

 

Grüße

ALOA

 

 

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In Bulgarien und in Rumänien haben die Gerichte glatt gegen die Vorratsdatenspeicherung entschieden. Damit ist man dort wohl der Meinung, dass die Richtlinie 2006/24/EG keine Anwendung finden darf. 

Haben diese Länder jetzt Klagen vor dem EuGH zu erwarten, oder kann bzw. muss Brüssel die nationale Entscheidung respektieren?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Hm... Google enthüllt das in Bulgarien ein Verwaltungsgericht das entschieden hat. Ich weiß nicht wie die Zuständigkeiten in Bulgareien aussehen. Das Urteil eines Verwaltungsgerichtes hätte hierzulande noch nicht wirklich etwas zu bedeuten. Das mit Rumänien ist interessanter:

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Rumaenisches-Verfassungsgericht-u...

http://www.mediafax.ro/english/romania-s-constitutional-court-rules-data...

Wenn würde es aber weniger auf ein EuGH-Urteil hinauslaufen sondern auf die Frage ob es Sanktionen von der EU gäbe. Das muss die EU nicht machen. Kann und wird sie so oder so nur dann machen wenn es Sinn ergibt. Das käme auf das dortige Urteil bzw. die dortige Begründung an. Durchaus denkbar das die Rumänen hingehen und den dortigen Art. 28 der Verfassung ändern.

 

Ich glaube nicht das es Repressalien hagelt. Das wäre mit das dümmste was man machen könnte. Den Menschen ist die EU schon so etwas suspekt (das sollte auch für Rumänien und Bulgarien gelten). Zu versuchen Verfassungsänderungen mit der EU-Knute durchzudrücken und das um Grundrechte abzuschwächen sollte nicht im Interesse der EU liegen.

 

Grüße

ALOA

 

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