§ 15a RVG - doch Großer Senat?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 30.10.2009

Wer gehofft hatte, dass durch die Entscheidung des II. Senats des BGH vom 2.9.2009 -  II ZB 35/07 - das leidige Thema der Anwendung des § 15a RVG auf so genannte Altfälle abschließend geklärt ist, sieht sich leider spätestens durch die Entscheidung des Kammergerichts vom 13.10.2009  - 27 W 98/09  -wieder auf den rauhen Boden der Wirklichkeit zurückgeholt. Denn der 27. Zivilsenat des Kammergerichts, der der Auffassung ist, dass § 15a RVG nicht lediglich eine Klarstellung des Gesetzgebers ist, hat sich in dem genannten Beschluss auf den Standpunkt gestellt, dass auch durch die Entscheidung des II.Zivilsenats des BGH vom 2. September 2009 die Anwendung von § 15 a RVG auf Altfälle noch nicht abschließend geklärt ist, weil andere Senate des BGH die vor Einführung des § 15a RVG bestehende Rechtslage abweichend beurteilen und der Große Senat für Zivilsachen insoweit noch nicht entschieden hat. Das Kammergericht hat somit erneut die Rechtsbeschwerde zugelassen.....

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Diese Frage wird demnächst (nach eigener Ankündigung) auch vom "Großen Senat" des OLG Düsseldorf entschieden - dort nimmt man eine sofortige Beschwerde wohl zum Anlass für eine Absprache mit den übrigen Senaten. Gegenstand ist unser Rechtsmittel gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach rechtskräftiger Verfahrensbeendigung vor dem Landgericht, nachdem die außergerichtliche Geschäftsgebühr nicht (mindernd) auf die Verfahrensgebühr angerechnet worden war.

Wir vertreten dabei die Auffassung, dass nicht lediglich eine Klarstellung, sondern eine wirkliche Neuregelung vorliegt. Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss bereits erklärt, von einer "Klarstellung" auszugehen, sodass wir für erledigt erklärt und den Antrag hilfsweise aufrecht erhalten haben. Die Sache kann also nur vor den BGH kommen, wenn wir gewinnen und nach dem Hilfsantrag entschieden wird.

Pikant ist, dass das OLG im Fall, dass es eine reine Klarstellung annimmt, nach § 91a ZPO über die Kosten entscheiden müsste. Dann aber beißt sich die Katze in den Schwanz, nimmt man lediglich eine "Klarstellung" an:

Es ist kaum vertretbar, unsere sofortige Beschwerde als "von Anfang an unbegründet" zu bezeichnen, da man sich damit in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGH setzte. Schließlich hätte bis zur Neuregelung am 5. August 2009 der sofortigen Beschwerde stattgegeben werden müssen, da keine Anrechnung vorgenommen wurde. Man wird also nicht umhin kommen, eine 91a-Entscheidung zu unseren Gunsten zu fällen.

Dann aber ist es nicht logisch nachvollziehbar, warum die sofortige Beschwerde durch eine "Klarstellung" hätte erledigt werden können. Diese Annahme impliziert, dass die Rechtslage vor und nach dem 5. August 2009 gerade nicht identisch ist, sonst gäbe es ja kein erledigendes Ereignis.

Die Rechtsprechung des BGH in Zweifel zu ziehen dürfte einigen Begründungsaufwand erfordern: die Anrechnungsvorschrift ist, auch wenn etwas anderes gemeint gewesen sein sollte, semantisch eindeutig. Frei nach dem Satz: "Rechne ich dir etwas hoch an, wirst du kleiner, nicht ich." Da gibt es eigentlich keinen Auslegungsspielraum.

Ich fürchte, wir gewinnen und die Sache geht in eine neue Runde. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass das OLG sich verdächtig viel Zeit lässt - die Sache liegt da schon seit Anfang des Jahres. Offenbar ist man sich nicht ganz schlüssig.

Ach ja: selbst wenn man eine Anwendbarkeit des § 60 RVG ablehnt, kommt eine Rückwirkung kaum in Betracht - BGH, Urt. v. 18.05.06, I ZB 57/05 – Erstattung von Patentanwaltskosten m.w.N.

Es ist ein Urheberrechtsstreit, der vor dem 1. Senat landen würde. Den Ausgang der Sache werden wir jedenfalls unter http://www.stroemer.de veröffentlichen.

0

Der 10. Zivilsenat des BGH hat sich zur Anwendbarkeit des § 15a RVG auf Altfälle im Beschluss vom 29.09.2009 in X ZB 1/09, juris, geäußert. Die Ausführungen des Senates sind deutlich, jedoch nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat durchgreifende Zweifel der Auffassung des 2. Zivilsenats beizutreten.

Aus den Gründen:

"Angesichts der wiedergegebenen Gesetzesbegründung bestehen ebenfalls Bedenken, die Anwendbarkeit des § 15a RVG auch auf am 5. August 2009 noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren aus dem Grundsatz herzuleiten, dass bei Verfahrensrecht eine Gesetzesänderung ab deren Inkrafttreten gilt (vgl. Müller-Rabe, NJW 2009, 2913, 2916 und

die dortigen Nachw.). Denn ausgehend von der Auslegung des bisherigen Rechts, die auf die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zurückgeht, kann kaum davon gesprochen werden, dass § 15a RVG ausschließlich verfahrensrechtliche Fragen (neu) regele."

 

Es bleibt abzuwarten, ob der 2. Zivilsenat im Haus nunmehr noch weitere/ausreichende Unterstützung für seine Auffassung findet. Möglicherweise bedarf es mit Blick auf § 132 Abs. 3. S. 1 GVG keiner Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen. Lt. OLG Celle, B. v. 19.10.2009 in 2 W 280/09 ist bei dem 10 Zivilsenat des BGH unter dem Az. X ARZ 292/09 eine Rechtsbeschwerde zur Anwendung des § 15a RVG in Altfällen anhängig. Bleibt zu hoffen, dass der BGH in den abzuarbeitenden Altfällen schnell für Rechtssicherheit sorgt.

13 OA 134/09
OVG Lüneburg
27.10.2009 Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in "Altfällen"
Ist ein Rechtsanwalt bereits vor Inkrafttreten des § 15a RVG beigeordnet worden ("Altfall"), so bestimmt sich aufgrund der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Rahmen der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach bisherigem Recht.

 

Auszug aus den Gründen des Beschlusses:

a) Die Auswertung der bislang vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob § 15a RVG auch auf "Altfälle" anwendbar ist, ergibt ein uneinheitliches Bild. Der 2. Senat des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 02.09. 2009 - II ZB 35/07 -, juris Rdnr. 8) vertritt für das Kostenfestsetzungsverfahren die Auffassung, dass der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 15a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert habe, sondern lediglich die - nach Ansicht des 2. Senats - bereits vor Einfügung des § 15a RVG bestehende Gesetzeslage klargestellt habe, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirke. Demgegenüber hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 22.07.2009 - 9 KSt 4/08 -, juris Rdnr. 6) ausgeführt, dass im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 164 VwGO die für das vorangegangene Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sei. Er hat zudem betont, dass eine - rechtspolitisch denkbare - andere Lösung einer Entscheidung des Gesetzgebers bedürfe und insoweit auf den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung schon vorliegenden Entwurf des § 15a RVG (BT-Drs. 16/12717) verwiesen. Anders als der 2. Senat des Bundesgerichtshofs lässt sich mithin unter Zugrundelegung der Entscheidung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht argumentieren, dass § 15a RVG der Sache nach auch auf Altfälle anwendbar sei, weil es sich bei der Regelung nur um eine Klarstellung der Rechtslage gehandelt habe, die richtigerweise schon in der Vergangenheit eine Anrechnung nicht zugelassen habe.

b) Der Senat vermag der insbesondere vom 2. Senat des Bundesgerichtshofs vertretenen Auffassung, dass in der Neuregelung nach § 15a RVG eine bloße Klarstellung zu erblicken sei, die deshalb ungeachtet von Übergangsbestimmungen - gleichsam rückwirkend - auch für Altfälle zugrunde zu legen sei, nicht zu folgen (so im Ergebnis auch: OLG Celle, Beschl. v. 26.08.2009 - 2 W 240/09 -, Nds. Rpfl. 10/2009, S. 356; OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.10.2009 - 13 W 43/09 -; V.n.b.; VGH München, Beschl. v. 21.10.2009 - 19 C 09.2395 -, V.n.b.; a.A.: OVG Münster, Besch. v. 11.08.2009 - 4 E 1609/08 -, juris).

Quelle: http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000200900013413%20OA

 

 

Ein aktueller Überblick über die Entwicklung der bekannt gewordenen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle nach dem Beschluss des BGH vom 2.9.2009 in II ZB 35/07, juris:                                                               

Wie der 2. Zivilsenat wenden § 15a RVG auf Altfälle an: 

  1. OLG Braunschweig, B.v.10.9.2009 in 2 W 155/09, juris;
  2. OLG Köln, B.v.14.9.2009 in 17 W 195/09, juris;
  3. OLG Bamberg, B.v.5.10.2009 in 7 WF 201/09;
  4. OLG München, B.v.13.10.2009 in 11 W 2244/09, juris;
  5. OLG Köln, B..31.10.2009 in 17 W 261/09 (Prozesskostenhilfe)
 

Gegen eine Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle sprechen sich (größtenteils in Kenntnis des und argumentativer Auseinandersetzung mit dem BGH-Beschluss) aus:

  1. KG Berlin, B.v.10.9.2009 in 27 W 68/09, juris;
  2. OLG Bamberg, B.v.14.9.2009 in 4 W 133/09;
  3. OLG Bamberg, B.v.15.9.2009 in 4 W 139/09;
  4. OLG Hamburg, B. v. 21.09.2009 in 4 W 236/09
  5. OLG Hamm, B.v.25.9.2009 in 25 W 333/09 (Prozesskostenhilfe), juris;
  6. BGH, B.v.29.9.2009 in X ZB 1/09, juris;
  7. OLG Bamberg, B.v.6.10.2009 in 5 W 77/09;
  8. OLG Bamberg, B.v.6.10.2009 in 3 W 109/09;
  9. OLG Oldenburg, B.v.7.10.2009 in 13 W 43/09, juris;
  10. KG Berlin, B.v.13.10.2009 in 27 W 98/09, juris;
  11. OLG Celle, B.v.19.10.2009 in 2 W 280/09, juris;
  12. Bayer. VGH München, B.v.21.10.2009 in 19 C 09.2395, juris;
  13. Hess. LAG, B.v.26.10.2009 in 13 Ta 530/09, juris;
  14. OVG Lüneburg, B.v.27.10.2009 in 13 OA 134/09 (Prozesskostenhilfe), juris;
  15. OLG Oldenburg, B.v.27.10.2009 in 13 W 46/09 (Prozesskostenhilfe), Niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank;
  16. OLG Bamberg, B.v.5.11.2009 in 8 W 98/09;
  17. OVG Lüneburg, B.v.17.11.2009 in 10 OA 166/09; Niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank;
  18. OLG Celle, B. v. 12.11.2009 in 2 W 325/09
  19.  

Der XII. Zivilsenat des BGH hat sich mit Beschluss vom 09.12.2009 in XII ZB 175/07 der Ansicht des II. Zivilsenats angeschlossen.

 Ob die anderen Zivilsenate dem folgen werden?

Kommentar hinzufügen