EuGH-Urteil zum Kündigungsschutz schwangerer Arbeitnehmerinnen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.10.2009

Der EuGH hat auf die Vorlage des Arbeitsgerichts Esch-sur-Alzette (Luxemburg) eine wichtige Entscheidung zum Kündigungsschutz schwangerer Arbeitnehmerinnen getroffen (Urteil vom 29.10.2009, Rechtssache C-63/08 - Pontin).  Der Sachverhalt und die Hintergründe sind bereits in dem Blog-Beitrag vom 15.6.2009 erläutert worden. Das vorlegende Gericht wollte vom EuGH wissen, ob kurze Klagefristen gegen eine Kündigung während der Schwangerschaft und die Vorenthaltung der Möglichkeit, eine Klage auf Schadensersatz zu erheben, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen. Der EuGH nimmt sich in seiner Antwort deutlich zurück und überantwortet die Einzelfallbeurteilung den nationalen Gerichten. Immerhin macht der EuGH deutlich, dass schwangeren Arbeitnehmerinnen, denen gekündigt wird, ein effektiver Rechtsschutz gegen die Kündigung zur Verfügung stehen muss. Die nationalen Maßnahmen müssten geeignet sein, einen tatsächlichen und wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben und in jedem Fall in angemessenem Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen. Das Gebot effentiven Rechtsschutzes umfasse auch angemessene Rechtsbehelfsfristen. Es obliege aber dem nationalen Gericht zu prüfen, ob diese Grundsätze beachtet wurden. Gegenüber einer nur 15-tägigen Klagefrist, die zudem schon mit Abschicken des Kündigungsschreibens in Gang gesetzt wird, lässt der EuGH allerdings deutliche Skepsis erkennen. Auch zu der Verengung der Klagemöglichkeit auf die Feststellung der Nichtigkeit und Wiedereinstellung äußert sich der EuGH nicht abschließend. Der EuGH hält es aber immerhin für möglich, dass das nationale Gericht in diesem Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass die betreffende Nichtigkeits- oder Wiedereinstellungsklage nicht den Grundsatz der Effektivität beachtet. Sollte das nationale Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung feststellen, müsse es die innerstaatlichen Zuständigkeitsregeln so weit wie möglich dahin ausdehnen, dass sie zur Erreichung des Ziels beitragen, einen effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte zu gewährleisten, die schwangeren Frauen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsen. Die Auswirkungen auf das deutsche Recht bedürfen einer gründlichen Analyse der Urteilsgründe. Die dreiwöchtige Klagefrist des § 4 KSchG und die Regelung des § 2 Abs. 4 AGG lassen sich womöglich auch weiterhin so anwenden, dass sie nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung stehen,

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