Dr. Frank Bokelmann: Radwegbenutzungspflicht auf dem Weg zum BVerwG?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.11.2009

Einmal mehr hat mir Dr. Frank Bokelmann (supervielendank, Herr Dr. Bokelmann!!!) einen Gastbeitrag zugemailt:

Der BayVGH hat mit Urteil vom 11.08.2009 - 11 B 08.186 in einem sehr sorgfältig begründeten Urteil u.a. bestätigt, daß es dem Willen des Bundesverkehrsministeriums und des Bundesrates entspreche, wenn Radwegebenutzungspflichten nur restriktiv - also unter Beachtung des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO - angeordnet werden. Das haben schon viele Verwaltungsgerichte geurteilt, obwohl Bouska in einer Anmerkung (NZV 2001, 320) zum "ersten Radwegurteil" des VG Berlin vom 28. September 2000 - NZV 2001, 317 das Gegenteil vertreten hatte.

Daneben wurde entschieden, daß der betroffene Radfahrer sich auf § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO berufen kann, obwohl sich diese Norm an die Straßenverkehrsbehörden wendet.

Der BayVGH hat die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der durch den Rechtsstreit aufgeworfenen, über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage, ob Anordnungen im Sinn von § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO auch an § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu messen sind, zugelassen. Da die Beklagte § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO anders auslegt als der BayVGH, wäre es nur konsequent, wenn sie die zugelassene Revision einlegt. Damit wäre erstmals seit dem 01.10.1998 eine Radwegbenutzungspflicht auf dem Weg zum BVerwG.

Urteil: http://blog.tessarakt.de/wp-content/uploads/2009/10/08a00186u.pdf

Zum Verfahren: http://www.u-r.de/adfc/radweg/

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12 Kommentare

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Wenn Benutzungspflicht, dann müssen die Radwege aber geeignet sein: Berliner Radler fordern mehr Platz für sich. Radwege auf dem Bürgersteig sind kreuzgefährlich, Radstreifen sinnvoll.

 

""Bei einem Tempo von 30 Sachen sind die Bürgersteig-Radwege saugefährlich." Besonders ungünstig sei die Streckenführung über Ein- und Ausfahrten."

 

"David Greve, Landes-Geschäftsführer des ADFC-Berlin, fordert, Radfahrer grundsätzlich mit in den Straßenverkehr einzubinden. "Der Radfahrer muss weg vom Gehsteig und sichtbarer Verkehrsteilnehmer werden.""

 

 

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Was sollen eigentlich dauernd die Deeplinks auf Dateien in meinem Blog?

 

Vielleicht überlegen Sie sich mal, ob nicht auch ein Dank an mich dafür, für das Urteil 7,50 € an den Freistaat Bayern gelassen zu haben, angebracht wäre?

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@Jens Müller

Dankbar muß man vor allem den Klägern sein, die viel Zeit aufwenden und (für Radfahrer) viel Geld riskieren, um etwas zu erlangen, was andere sich einfach so nehmen. Immerhin fahren im Urteilsfall ausweislich der Urteilsbegründung schon heute 1/3 der Radfahrer (z.Zt. noch illegal) auf der Fahrbahn. Die riskieren nur eine Verwarnung mit max. 35 € alle paar Jahre, da die Ordnungshüter nun auch nicht täglich an jedem benutzungspflichtigen Radweg stehen können.

 

Ich kann mich noch daran erinnern, wie erschüttert die Kläger in diesem Fall vom Urteil des VG Regensburg und insbesondere der Urteilsbegründung waren. Aber sie haben weiter gemacht. Ähnliches hat der ADFC Hamburg erlebt und ich persönlich auch schon. Oft geht es inzwischen bei Gericht überhaupt nicht mehr um die Sache (insbesondere, was denn die sichste Lösung ist), sondern nur noch um die Widerspruchsfrist oder die Klagebefugnis und ähnlich uninteressante Randthemen, die die Beklagen und z.T. auch die Gerichte an den Haaren herbeiziehen, um nur ja eine Entscheidung in der Sache zu vermeiden.

 

Nicht immer hat man soviel Glück wie ich im Verfahren beim VG Berlin - 11 A 606.03, wo die Straßenverkehrsbehörde meine spätere Klage selbst in Aktenvermerken begründete, bevor sie den Widerspruch (fälschlich) als verfristet verwarf, und das Gericht - strikt am Untersuchungsgrundsatz orientiert - diese Aktrenvermerke in ein für mich erfreuliches Urteil umsetzten.

 

Also vielen Dank an all' die Kläger, die § 45 Abs. 9 StVO überhaupt erst mit Leben füllen. Denn auch das muß man sagen: selbst die Straßenverkehrsbehörden, die die StVO und die VwV-StVO regelmäßig nicht beachteten, lassen sich von den vielen Urteilen zum Thema inzwischen beeindrucken. In diesem Sinne auch besonders vielen Dank an Sie, Herr Müller.

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Die Stadt Regensburg wird als Beklagte fast sicher in die Revision gehen:

 

http://www.regensburg-digital.de/?p=5442&cpage=1#comment-7242

(in den Kommentaren)

 

Dann dürfen wir mal gespannt sein, was sie da geltend macht. Denn eigentlich wird ja nur noch die Rechtsfrage geprüft, ob der die Beschilderung mit Z 237 oder Z 240 am Maßstab des § 45 Abs. 9 StVO zu prüfen ist. Und da steht der BayrVGH München auf recht sicherem Boden (es sei denn das BVerwG macht es wie viele Instanzgerichte und findet noch den Notausgang zum Prozeßurteil, was aber eher unwahrscheinlich ist).

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"Denn eigentlich wird ja nur noch die Rechtsfrage geprüft, ob der die Beschilderung mit Z 237 oder Z 240 am Maßstab des § 45 Abs. 9 StVO zu prüfen ist."

 

Nein nein, das ist nur der Zulassungsgrund. Geprüft wird die komplette rechtliche Begründung.

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"Denn auch das muß man sagen: selbst die Straßenverkehrsbehörden, die die StVO und die VwV-StVO regelmäßig nicht beachteten, lassen sich von den vielen Urteilen zum Thema inzwischen beeindrucken. In diesem Sinne auch besonders vielen Dank an Sie, Herr Müller."

 

Ich hab bisher nur Niederlagen kassiert (die aber allesamt noch nicht rechtskräftig sind).

 

"Oft geht es inzwischen bei Gericht überhaupt nicht mehr um die Sache (insbesondere, was denn die sichste Lösung ist), sondern nur noch um die Widerspruchsfrist oder die Klagebefugnis und ähnlich uninteressante Randthemen, die die Beklagen und z.T. auch die Gerichte an den Haaren herbeiziehen, um nur ja eine Entscheidung in der Sache zu vermeiden."

 

Mein neuestes Randthema: Sind Aufhebungs- und (hilfweise gestellter) Verpflichtungsantrag in Bezug auf den selben Gegenstand teilbar in Sachen Berufungszulassung? CEN hat dieses Fass aufgemacht ...

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Die Stadt und die Landesanwaltschaft sind in Revision gegangen. Statistisch gesehen kriegen wir das Ergebnis dann im Oktober 2010.

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Ich schrieb:

>>"Denn eigentlich wird ja nur noch die Rechtsfrage geprüft, ob der die Beschilderung mit Z 237 oder Z 240 am Maßstab des § 45 Abs. 9 StVO zu prüfen ist."

 

"Jens" antwortete

>Nein nein, das ist nur der Zulassungsgrund. Geprüft wird die komplette rechtliche Begründung.

 

Es ist aber auch das Herzstück der rechtlichen Begründung in Hinblick auf die Sache. Die weitergehende Beurteilung der einzelnen Benutzungspflicht ist dem BVerwG entzogen, weil das durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden wäre. Insofern wird die höchstrichterliche Rechtsprechung in all' den Fällen, in denen vor allem die tatrichterliche Würdigung eine entscheidende Rolle spielt, überschätzt. Bei Urteilen des BVerwG merkt man es nicht so, da die entsprechenden Bedenken der unterlegenen Partei schon durch zwei Instanzen gefiltert werden. Dem BFH (hier gibt es nur eine "Tatsacheninstanz") geht die folgende Floskel jedoch flott aus der Feder (hier in der Version Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde):

"Diese dem FG obliegende tatrichterliche Würdigung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302) bindet den BFH auch in einem künftigen Revisionsverfahren, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210, m.w.N.). Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte."

Man muß in jedem Revisionsurteil genau nachsehen, ob das höchstrichterliche Urteil wirklich die Aussage enthält, die man ihm zuschreibt, oder einfach nur drinsteht: "Kann auch so machen (könnte man natürlich auch anders)."

Ich denke nicht, daß das BVerwG in dem Urteil noch Fehler bei der "tatrichterliche Würdigung " des Einzelfalls findet, wenn es dem Rechtssatz "die Beschilderung mit Z 237 oder Z 240 ist am Maßstab des § 45 Abs. 9 StVO zu prüfen" zustimmt. Und der ist nun wirklich gut begründet worden. Es wäre eine Überraschung, wenn der Kläger damit nicht durchkommt, zumal der Vertreter des Bundesinteresses diesen Rechtssatz eigentlich unterstützen müßte. Außer Bouska und einigen Bürgermeistern hat die Richtigkeit dieser Aussage bisher niemand bezweifelt und deren Begründungen waren jeweils hanebüchen. Daher ist vielleicht noch denkbar, daß das BVerwG über die Prozeßvoraussetzungen urteilt. Mehr Möglichkeiten hat es aber eigentlich nicht.

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