Täterschaft des Compliance Officers möglich -- Gilt dies auch für Umweltbeauftragte und Ausfuhrverantwortliche?

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 05.11.2009

In seinem Urteil vom 17.07.2009 (Az. 5 StR 394/08) (BGH NJW 2009, 3173 ff.) hat der BGH erstmalig ausdrücklich die Garantenpflicht von „Compliance Officers“ bejaht. Im zugrunde liegenden Verfahren ging es um den Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision der Berliner Stadtreinigungsbetriebe, bei dem der BGH eine Stellung entsprechend der eines Compliance Officers gerade nicht annahm.

Der BGH führte in seinem obiter dictum aus, dass es das Aufgabengebiet der Compliance Officers sei, Rechtsverstöße, insbesondere auch von Straftaten zu verhindern, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. Derartige Beauftragte würde regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i.S. des § 13 I StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies sei die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden

Diese Rechtsprechung dürfte auch für Umweltbeauftragte beachtlich sein. Dies betrifft namentlich etwa Beauftragte für Gewässerschutz (§§ 21aff. WHG), Immissionsschutz (§§ 53ff. BImSchG) oder Strahlenschutz (§§ 31ff. StrahlenschutzVO). Zwar wurde auch bislang bereits eine Garantenpflicht für Umweltbeauftragte angenommen. So hatte das OLG Frankfurt/Main (Urteil vom 22.05.1987; Az.: 1 Ss 401/86, NJW 1987, 2753 (2756)) bereits im Jahre 1987 einen Gewässerschutzbeauftragten als Überwachungsgaranten angesehen. Da dessen Aufgabe jedoch nicht die Verhinderung einer Gewässerverunreinigung sei, handelte es sich nach dieser Rechtsprechung lediglich um einen Überwachungsgaranten, bei dem insoweit bestenfalls eine Strafbarkeit als Teilnehmer in Betracht kam.

In seinem Urteil gibt der BGH nunmehr die vom OLG Frankfurt/Main noch vorgenommene Unterscheidung zwischen Schutz- und Überwachungsgarant auf. Die Dichotomie Schutz/Überwachung, welche im Fall des OLG Frankfurt/Main noch Unterscheidungskriterium hinsichtlich Täterschaft/Teilnahme war, spielt nach Ansicht des BGH eben keine entscheidende Rolle. Die Überwachungspflicht diene stets dem Schutz bestimmter Rechtsgüter. Insoweit kann auch ein Überwachungsgarant Täter sein, wenn er seinen Informationspflichten nicht nachkommt.

Zwar existierte damit auch in der Vergangenheit eine Garantenpflicht der Umweltschutzbeauftragten Nach der neuen Entscheidung des BGH sind Umweltschutzbeauftragte jedoch im Falle von nicht unterbundenen Umweltvergehen, hinsichtlich derer ihnen eine Überwachungspflicht zukommt, künftig grundsätzlich auch wegen Täterschaft zu strafen. Jedoch bleibt nach der Rechtsprechung des BGH dem erkennenden Gericht bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ein deutlicher Spielraum erhalten. Der BGH stellte maßgeblich auf den „Gehilfenvorsatz“ des Garanten ab. Insgesamt bedeutet die neue Rechtsprechung jedoch ein höheres Risiko für die Umweltbeauftragten, da die zwingende Strafmilderung des § 27 II 2 StGB nicht zugute kommen muss.

Auch für Ausfuhrverantwortliche i.S.d. Außenwirtschaftsrechts kann diese Rechtsprechung Bedeutung haben. Hier ist indes zweifelhaft, ob nicht bereits eine Schutzpflicht einer möglichen Garantenstellung zugrunde liegt. Eine Änderung trat hier durch die neue Rechtsprechung also nur ein, wenn man von einer bloßen Überwachungspflicht durch den Ausfuhrverantwortlichen ausgeht. Beim Ausfuhrverantwortlichen kommt neben der strafrechtlichen Garantenstellung durch Übernahme der Verantwortung als Ausfuhrverantwortlicher stets auch die Haftung aus einer Garantenstellung kraft Mitgliedschaft im Leitungsorgan des Unternehmens in Betracht. Hinzu wird stets die Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG treten.

 

Rechtsanwälte Dr. Ludger Giesberts, LL.M. und Prof. Dr. Jürgen Taschke

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Taschke und Herr Dr. Giesberts,

 

Ihren Ausführungen stimme ich zu. Das Urteil des BGH hat unter Compliance Officern einen enormen Aufruhr verursacht. Falls man einem Compliance Officer gerade deswegen gekündigt hat (Probezeit), weil er gravierende Verstöße des Managements seines Unternehmens aufgedeckt und benannt hat, müßte die Rechtsprechung des BGH doch auch Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Stellung des Compliance Officers haben.. Wenn der BGH eine Garantenstellung des Compliance Officers feststellt, müßte doch damit analog dem Betriebsrat oder dem Datenschutzbeauftragen auch die Basis für einen Sonderkündigungsschutz des Compliance Officers gegeben sein. Wie soll er sonst die Mißstände bei seinem Arbeitgeber anprangern und diese "gefahrlos" abstellen können?

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