BVerfG stoppt Berliner Ladenöffnungszeiten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 01.12.2009
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBerlinArbeitsschutzSonntag1|3238 Aufrufe

Durch Urteil vom heutigen Tage (1 BvR 2857/07 ua) hat das BVerfG die Regelung über die Öffnung von Verkaufsstellen an den Adventssonntagen im Berliner Ladenöffnungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Sie verstoße gegen die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) in Verbindung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Art. 140 GG i.V. mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung).

Aus arbeitsrechtlicher Sicht besonders bemerkenswert sind die Äußerungen des Gerichts zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, die mit dem grundsätzlich arbeitsfreien Sonntag verfolgt werden (Rn. 167 ff. des Urteils). Der Erste Senat zitiert Äußerungen der Professoren Knauth und Nachreiner aus der mündlichen Verhandlung, in der sie hervorgehoben haben, dass die Ausweitung von Nacht- und Schichtarbeit bei gleichzeitiger Einbeziehung des Tages der allgemeinen Arbeitsruhe vermehrt zu psychosozialen Beeinträchtigungen führe. Eine Verringerung oder gar Aufgabe sozialer Beziehungen, eine reduzierte Anteilnahme am sozialen Leben und eine Veränderung der Einstellung zu sozialer, aber auch zu politischer Teilhabe, seien nicht nur bei lebensnaher Betrachtung naheliegend; sie seien auch in der Arbeitswissenschaft anerkannt. Die Desynchronisationseffekte führten zwangsläufig zu einer Verringerung der sozialen Interaktionsdichte und -qualität, die sich auch auf den Familienverband und zu betreuende Kinder auswirke. Aus religiös-christlicher Sicht, die sich im Ergebnis von den in der weltlich-sozialen Perspektive hervorgehobenen Auswirkungen nicht wesentlich unterscheide, werde insoweit den Sonn- und Feiertagen der Charakter als Tag der Gemeinschaft, aber auch der Besinnung durch ausgreifende Ladenöffnungsmöglichkeiten, die auch Folgesparten miterfassen, weitgehend genommen.

Das (vom Senat wörtlich so bezeichnete) "Shopping-Interesse" müsse dahinter zurückstehen.

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