"Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte"

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 05.12.2009

Gemeinsam haben Herr Kollege Müller und ich uns gestern in Regensburg den am 19. November angelaufenen Film "Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte" angesehen. Von dieser sehenswerten Studie über die Verknüpfung der Lebenswege und ihre politischen Ansichten der drei Rechtsanwälte Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler waren wir beeindruckt, zumal die Dokumentation einigen darüber hinausgehenden Diskussionsstoff liefert.

Auch wer die in den sechziger Jahren beginnende Zeitreise nicht von Anfang an selbst miterlebt hat, bekommt interessante Einblicke in die unterschiedliche Entwicklung und in die verschiedenen Karrieren, die die drei Protagonisten genommen haben. Die gelungene Mischung aus Archivmaterial und Interviews zeichnet nicht nur die Hintergründe des Entstehens der außerparlamentarischen Opposition nach - wer den Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" kennt, wird vielfältige Parallelen erkennen -, sondern auch die weitere Entwicklung der drei Anwälte bis in die jüngste Vergangenheit.

Vielleicht hat schon jemand den Film gesehen und wir könnten mit der Diskussion darüber beginnen!

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5 Kommentare

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Die von Herrn v. Heintschel-Heinegg verlinkte website des Films bietet neben Ausschnitten und Zitaten eine Zeitleiste zu den Biographien der drei Anwälte und weiteres Material. Dies ist auch dann lesenswert, wenn man den Flm nicht anschaut bzw. anschauen kann.
http://die-anwaelte.realfictionfilme.de/

Den Film habe ich noch nicht gesehen, nach Ihrem grds. positiven Eindruck werde ich das jedoch bei Gelegenheit noch nachholen. Was jedoch klar ist, Welten trennen diese Menschen nicht. Es ist vielmehr ihre oppositionelle und intellektuelle Rolle, die sie vereint. Es gibt zwar bei Einzelthemen Positionen, die sie grundlegend unterscheidet, aber das Labeling und die Zurechnung zu einzelnen Fronten, Politfarben, Lagern greift stets zu kurz und stigmatisiert (bewusst) gerade da, wo eine intensivere Hinterfragung der Entwicklung ihrer Persönlichkeiten und Positionen angezeigt wäre.

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Sehr spannend empfand ich die komprimiert dargestellte Entwicklung der drei Verteidiger.

Die Wende des Hotte Mahler möchte ich hier nicht kommentieren (Ich habe mit "Ja" gestimmt, als der Antrag gestellt wurde, ihn 2005(?) als erstes und einziges Mitglied aus der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger auszuschließen.).

Wohl aber zu Herrn Schily sei ein Wort geschrieben:
Herr Schily trägt in dem Film-Interview vor, er sei seinen Überzeugungen stets treu geblieben. Ich halte ihm entgegen: Als 1977 unter anderem das Kontaktsperregesetz verabschiedet wurde (mit dem die Kommunikation zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger unterbrochen werden sollte), ging er auf die Barrikaden. Aus seiner Zeit als Innenminister wird nicht überliefert, daß er sich um eine Abschaffung oder auch nur um eine Einschränkung dieses Eingriffs in das Recht auf ein faires Verfahren bemüht hätte. Unter anderem das nehme ich ihm sehr übel.
Allerdings - seinem Frisör ist er treu geblieben: Den Topfschnitt trägt er bis heute unverändert. ;-)

Und Herr Ströbele? Hätte es 1973 schon Heizpilze in Kreuzberg gegeben, hätte er sich sicher auch damals schon für ein Verbot gegen diese fürchterlichen Klimakiller eingesetzt.

Doch noch ein ernsthaftes Wort:
Alle drei Verteidiger haben seinerzeit bei der Verteidigung ihrer Mandanten sehr großes Engagement gezeigt. Dieses Engagement fand jedoch, so meine ich, seine überwiegende Basis in einer Solidarisierung des jeweiligen Verteidigers, bei Horst Mahler ganz besonders, mit seiner Mandantschaft und der dahinter stehenden Gruppe; mehr noch: Die Verteidiger haben sich die Interessen der Mandanten und die der politischen Bewegung zu Eigen gemacht und sie (die - eigenen - Interessen) auch als solche verteidigt. Die Unabhängigkeit der Verteidiger, ihre Stellung als freies Organ der Rechtspflege, frei auch im Sinne von unabhängig vom Mandanten, das haben sie aufgegeben. Sie unterlagen den (An)Weisungen ihrer Mandanten, haben sich damit zum Erklärungsboten gemacht.

Ob dies der damaligen Zeit geschuldet war, kann ich (Jahrgang 1956) von hier aus nicht mehr beurteilen. Würde man mir heute ein vergleichbares Mandat antragen, ich würde es nicht annehmen (oder es niederlegen), weil ich meine Freiheit als Verteidiger nicht aufgeben möchte, auch nicht im Verhältnis zum Mandanten. Eine emotional geführte Verteidigung ist (heute) sicherlich nicht die optimale. (In diesem Zusammenhang fällt mir Emmely ein, die durch Rechtsanwalt Benedikt Hopmann sehr engagiert - auch in Talkshows - vertreten wurde.) Sowas schadet mehr, als daß es nützt.

Schade, dass der Film bei uns auf dem Land wohl nicht zu sehen sein wird!

Nach dem von meinen Vorrednern Gesagten zu urteilen, ist er offenbar nicht nur als Beitrag speziell zur Zeitgeschichte, sondern auch unter dem zeitlosen Gesichtspunkt des politischen anwaltlichen Mandats interessant.

In diesem Sinne vielen Dank an die Herren Professoren v. Heintschel-Heinegg und Müller für den Link!

Zum Trost für die Interessierten  auf dem Land: der Film ist nicht nur fürs Kino geeignet. Er wird sicherlich auch ins Fernsehen kommen. Hoffentlich dann nicht erst (wie üblich im gebührenbezahlten öffentlichen Rundfunk) um 23.30 in der Nacht auf Dienstag.

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