Manifest der Forschungsgruppe zur Europäischen Kriminalpolitik - ECPI gegründet

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 20.12.2009

Wer die Einflüsse des Europarechts sowohl auf das materielle Strafrecht der Mitgliedstaaten als auch im Bereich der justiziellen  Zusammenarbeit verfolgt, muss erkennen, dass es an einer durchschaubaren, rationalen Kriminalpolitik gerade in diesem besonders sensiblen Bereich auf europäischer Ebene fehlt. Die EU-Gesetzgebungstätigkeit neigt dazu, das Strafrecht zu einseitig als nur eines von vielen Durchsetzungsmöglichkeiten zu verstehen. In seinem Kernbestand dient das Strafrecht aber nicht "als rechtstechnisches Instrument zur Effektuierung einer internationalen Zusammenarbeit, sondern steht für die besonders sensible demokratische Entscheidung für das rechtsethische Minimum" (BVerfG Lissabon-Urteil Rn. 358).

Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass 14 Strafrechtswissenschaftler aus 10 EU-Mitgliedstaaten an der Ludwig-Maximilian-Universität in München die "European Criminal Policy Initiative" (ECPI) in dem Bestreben gegründet haben, dem Strafrecht auf europäischer Ebene durch nachträgliche Einforderung einer europäischen Kriminalpolitik größere Beachtung zu schenken. Die Grundprinzipien einer stimmigen, guten und vernünftigen Terminalpolitik auf europäischer Ebene sind in dem jetzt vorliegenden Manifest formuliert (einführend Satzger "Der Mangel an Europäischer Kriminalpolitik. Anlass für das Manifest der internationalen Wissenschaftlergruppe `European Criminal Policy Initiative`").

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Vielen Dank für den Link auf das Manifest, Herr Professor!
Ich habe es gerade gelesen und muß sagen, dass ich wirklich schockiert bin, zugleich aber auch geradezu begeistert, und zwar über die Deutlichkeit, mit der die Autorinnen und Autoren ihre Kritik vorbringen und wie nachvollziehbar und durchdacht ihre Argumentation ist.
Andererseits finde ich es aber zutiefst erschreckend, dass es überhaupt notwendig ist, solche Selbstverständlichkeiten wie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzw. des ultima ratio-Prinzips so eindringlich einzufordern.
In diesem Zusammenhang würde ich mir insbesondere eine grundlegende Diskussion auf nationaler, supranationaler sowie internationaler Ebene über legitime Strafzwecke wünschen sowie die Gewöhnung oder Wiedergewöhnung an den Gedanken, dass Moral einerseits und Strafrecht andererseits in einem säkularisierten Gemeinwesen inhaltlich keineswegs deckungsgleich sein sollten, sondern dass vielmehr das Strafrecht nur einen möglichst kleinen Ausschnitt des Moralkodexes durchzusetzen versuchen sollte, aber dies eben gerade nicht als Selbstzweck, sondern um individuelle (potenzielle) Opfer in einer konkreten Situation vor einer Beeinträchtigung ihrer persönlichen Rechtsgüter zu bewahren.
Dieser Versuch einer generellen Definition des legitimen Strafzwecks ist sicher zu eng, weil beispielsweise, um auf die Ausführungen in dem Manifest zurückzugreifen, Betrug zu Lasten der EU durchaus strafwürdig erscheint, dies aber vielleicht nicht unter "persönliche" Rechtsgüter zu subsumieren wäre.
Da ich aber immer noch unter dem Eindruck der Lektüre stehe, wollte ich versuchen, den dort geschilderten und meiner Meinung nach zu Recht kritisierten gesetzgeberischen Denkweisen eine maximale Gegenposition gegenüberzustellen.

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Ringhof,

Ihren mehr als berechtigten Wünschen kann ich mich nur nachdrücklich anschließen. Das Manifest ist hoffentlich der Anfang und nicht schon das Ende der zu führenden Diskussion.

Hier noch der Link auf die von den Verfassern des Manifests eingerichteten Homepage, auf der sich aber noch nicht viel tut: http://www.crimpol.eu. Aber da ist wohl auch etwas Geduld angesagt.

Beste Grüsse
Bernd von Heintschel-Heinegg

Kommentar hinzufügen