Interview von BAG-Präsidentin Schmidt trifft auf Widerspruch
von , veröffentlicht am 29.12.2009Die Präsidentin des BAG, Ingrid Schmidt, hat der Süddeutschen Zeitung am 29.12.2009 ein Interview gegeben. Darin verteidigt sie nicht nur die "Flashmob-"Rechtsprechung ihres eigenen (Ersten) Senats, sondern auch die strenge Linie des Zweiten zur fristlosen Kündigung wegen Diebstahls geringwertiger Sachen. Auf die Kritik von Wolfgang Thierse angesprochen, der das "Emmely-"Urteil des LAG Berlin-Brandenburg "barbarisch" und "asozial" genannt hatte, sagte Frau Schmidt: "Diese Kritik war völlig daneben. Seit Jahrzehnten sagt die Rechtsprechung: Diebstahl und Unterschlagung auch geringwertiger Sachen sind ein Kündigungsgrund. Es gibt in dem Sinne also keine Bagatellen." Das stößt nun seinerseits auf erheblichen Widerspruch, so u.a. seitens des stellvertretenden Vorsitzenden der "Linken", Ernst.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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5 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenKanne kommentiert am Permanenter Link
Juristischen Laien mag diese Rechtsprechung durchaus negativ aufstoßen, besonders der Vergleich mit dem vermeintlichen Fehlverhalten gewisser Manager. Jedoch werden m.E. hier zwei verschiedene Anknüpfungspunkte miteinander vermischt. Auf der einen Seite steht eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitnehmers und auf der anderen Seite eine ledigliche Fehlentscheidung, die meistens von der sog. "business judgement rule" gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gedeckt sein dürfte. So gesehen sind (und müssen) Vorstandsmitglieder (um die es in der Vermengung der Diskussion ja meistens) geht, besser gestellt (werden). Vom Vorstand, dem gem. § 76 AktG die alleinige Leitung der Gesellschaft übertragen ist, wird darüber hinaus verlangt, dass er im Rahmen der o.g. Regel Geschäfte abschließt, die eine gewisse Riskanz haben. Wie jedoch bereits erörtert, stellt der Abschluss eines schlechten Geschäftes einen anderen Anküpfungspunkt dar.
GustavMahler kommentiert am Permanenter Link
Nach 30 Jahren in einem Grosskonzern kann ich nur feststellen, dass gerade die sogenanten Führungskräfte sich ziemlich ungeniert im eigenen Unternehmen bedienen. Nur bleibt dies in aller Regel folgenlos. In diesem Zirkel ist man sich ziemlich einig.
Die Ahndung von "Fehlverhalten" ist insofern auf den einfachen Arbeitnehmer konzentriert und die Gesetzgebung ist darauf zugeschnitten.
RA Dr. Frank A.Koch kommentiert am Permanenter Link
Die "Bagatellkündigungen" werden unverändert kontrovers diskutiert, wie ein Blick in verschiedene Foren zeigt. Weniger beachtet wird, in welchen Fällen die fristlose Kündigung möglich erscheint. So wird beispielsweise das unerlaubte Aufladen des Handys als möglicher Kündigungsgrund genannt. Dies kann man weiterdenken:
Gleiches muss nämlich auch für jede unerlaubte privat veranlasste E-Mail über die Firmenrechner gelten, ebenso für jedes unerlaubte private Surfen im Internet und insbesondere Herunterladen von Filmen oder Teilnehmen an Online-Auktionen. Während in den beiden ersten Fällen noch eine gestatende betriebliche Übung entstanden sein kann, ist dies bei den letzten beiden Fällen i.d.R. nicht so ! Zwischen dem Handy-Aufladen und dem Downloaden von "Avatar" besteht insoweit arbitsrechtlich kein Unterschied.
Allerdings kann auch der Arbeitgeber von strengen Regelunge betroffen sein: Gestattet er (etwa für die Dauer von Mittagspausen) die privat veranlasste Nutzung des betrieblichen E-Mail-Systems durch Mitarbeiter und liest er dann auch nur eine solche private Mail eines Mitarbeiters, macht er sich strafbar (§ 206 II Nr. 1 StGB).
RA Dr. Koch, 30.12.2009
D. Räder kommentiert am Permanenter Link
RA Dr. Räder
Im Ergebnis wird die Diskussion an der falschen Stelle geführt. Jeder Arbeitsrechtler dürfte wissen, dass die Frage des Wertes des Diebesgutes nicht bei dem Punkt Kündigungsgrund an sich zu problematisieren, sondern bei der Interessenabwägung zu prüfen ist. Leider scheinen das einige Kollegen in der Dis. zu vergessen. Mithin ist die Aussage der Präs- des BAG schin richtig.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Es sprechen einige Argumente dafür, dass es in unserer Rechtsordnung und auch und gerade im Arbeitsrecht "Bagatellsachverhalte" gibt, die mit einer Abmahnung aufgefangen werden sollten. Sollte der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien nicht tätig werden, wird man de lege lata zur Vermeidung einer unberechenbaren Kasuistik des Bundesarbeitsgerichtes nicht umhin kommen, eine sorgfälige Interessenabwägung vorzunehmen. Im einzelnen: