BGH kippt Freispruch im Fall Ouri Jallow in Dessau nach dessen Tod im Polizeigewahrsam

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 08.01.2010
Rechtsgebiete: StrafrechtMaterielles StrafrechtStrafverfahrensrecht393|112496 Aufrufe

Die Entscheidung, auf die Herr Kollege Müller in seinem Blogbeitrag schon kurz hinwies, will ich nochmals aufgreifen, weil der erstinstanzliche Freispruch mangels Beweises ein großes, teils sehr negatives Medienecho fand und auch heute die Medien von der Entscheidung des BGH "voll" sind: Der Prozess um den Tod des Asylbewerbers  Ouri Jallow am 7. Januar 2005 im Polizeigewahrsam in Dessau muss neu aufgerollt werden. Der BGH hat gestern den Freispruch des Dienstgruppenleiters durch das LG Dessau-Roßlau vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge wegen zahlreicher Lücken aufgehoben (Mitteilung der Pressestelle des BGH; die Urteilsgründe liegen noch nicht vor).

Der aus Sierra Leone stammende 23-jährige Ouri Jallow verstarb bei einem Brand in seiner Gewahrsamszelle in Dessau. Er war festgenommen worden, weil sich zwei Frauen von dem alkoholisierten Mann belästigt gefühlt hatten. Weil er sich den Beamten widersetzte, wurde er an die Matratze seiner Gewahrsamszelle gefesselt, die später in Flammen aufging.

Der BGH hat die Sache nicht - wie zumeist - an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, sondern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an ein anderes Landgericht zurückzuverwiesen, nämlich an das Landgericht Magdeburg. Dort muss sie jetzt neu verhandelt werden.  

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Vier Beiträge auf beck-blog zum Klageerzwingungsverfahren

Ich habe Anfang 2016 einen Aufsatz geschrieben, Alexander Würdinger: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren. In: HRRS, Nr. 1/2016, S. 29. Diesen Aufsatz habe ich verteidigt bei

Bernd von Heintschel-Heinegg, BGH kippt Freispruch im Fall Ouri Jallow in Dessau nach dessen Tod im Polizeigewahrsam, veröffentlicht am 8. Januar 2010

Carsten Krumm, Lesetipp: Aufsatz zum Klageerzwingungsverfahren veröffentlicht am 18. Dezember 2017

Carsten Krumm, Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags veröffentlicht am 2. September 2018

Carsten Krumm, Körperverletzung im Amt durch polizeiangeordnete Blutprobenentnahme - Gut, dass der Gesetzgeber geholfen hat! veröffentlicht am 10. August 2019

Es heißt dort über mich: "Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen." Mein Aufsatz ist im übrigen in zahlreichen Wikipedia-Artikeln zitiert: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren.

Lesenswert sind insbesondere die beiden folgenden Fundstellen in der Kommentarliteratur:

Es handelt sich zum einen um Graf, Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Auflage 2018, Rn. 19 zu § 172 StPO. Dort weist die Bearbeiterin Claudia Gorf auf meinen Aufsatz hin. Hierbei macht die Bearbeiterin  insbesondere darauf aufmerksam, dass ich die Anwendung des Verwaltungsprozessrechts auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO vorschlage. Weiter hebt die Bearbeiterin in ihrer Kommentierung der §§ 172 ff StPO zu Recht hervor, dass dies insbesondere eine Hinweispflicht des Gerichts gem. § 86 III VwGO zur Folge hätte. 

Zum anderen weist der angesehene Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, Bearbeiter Mark Zöller in Rn. 1 zu § 172 StPO zu Recht darauf hin, dass die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO die bisher bestehenden Probleme im Bereich der Zulässigkeit dieser Verfahren lösen würde. 

Sie lassen trotz des wg. Ihnen gescheiterten Klageerzwingungsverfahrens nicht nach, Ihren Unfug zu verbreiten und damit viele Rechtssuchende, die sich auf Ihren Quark verlassen, vorsätzlich und absichtlich ins offene Messer zu laufen und kläglich scheitern zu lassen! Schämen Sie sich! Sie verwechseln Rechtskunde mit Rechthaberei! Sie sind kein Rechtsanwalt, sondern ein Rechthaberbold!

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Die hingegen von einem anonymen Gast auf beck-blog mit großem Nachdruck vertretene These, wonach - in bester absolutistischer Manier - das Verfahren im Klageerzwingungsverfahren (KlEV) und im Ermittlungserzwingungsverfahren (EEV) im freien Belieben des Gerichts steht, scheint mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 III GG und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG nur schwerlich vereinbar zu sein. Es ist dabei ein erster Schritt in Richtung eines rechtsstaatlichen Verfahrens im KlEV und im EEV, dass auch der anonyme Gast zugestehen muss, dass das Gericht zumindest an einzelne Gesetzesvorschriften - zumal wenn diese in der Normenpyramide oberhalb der StPO angesiedelt sind - gebunden ist. Diese Norm ist Art. 6 I 1 EMRK, der für das KlEV und das EEV - ebenso wie für jedes andere Gerichtsverfahren - die Mündliche Verhandlung vorschreibt. Wenn also sogar die juristische Autorität schlechthin, der anonyme Gast, die Geltung konkreter Gesetzesvorschriften für das Verfahren im KlEV und im EEV anerkennt, gibt es in der Tat keinen Grund mehr, sich gegen die Anwendung der passenden Verfahrensordnung auf das KlEV und das EEV zu wenden. Es wurde hierbei bereits verschiedentlich beiläufig erörtert, dass diejenige Verfahrensordnung, die in der Sache am besten auf das KlEV und das EEV passt, die Verwaltungsgerichtsordnung, in Fachkreisen kurz VwGO genannt, ist. Den Unterschied zwischen einem KlEV und einem EEV merken Sie spätestens dann, wenn Ihnen klar wird, was Sie in einem KlEV dartun müssen und was Sie in einem EEV dartun müssen: In einem KlEV müssen Sie nämlich dartun, dass eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht, während Sie in einem EEV lediglich dartun müssen, dass ein Anfangsverdacht besteht. Die überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit ist dabei gegenüber dem Anfangsverdacht natürlich die wesentlich höhere Hürde für einen Prozesserfolg. Das wird Ihnen auch klar, wenn Sie die unterschiedliche Zielsetzung eines KlEV gegenüber einem EEV bedenken: Bei einem KlEV wollen Sie wesentlich mehr erreichen als bei einem EEV: Bei einem KlEV wollen Sie erreichen, dass die StA - nach vollständigem Abschluss der Ermittlungen - Anklage erhebt, bei einem EEV wollen Sie lediglich erreichen, dass die StA die Ermittlungen einleitet oder fortsetzt.

Sie lassen trotz des wg. Ihnen gescheiterten Klageerzwingungsverfahrens nicht nach, Ihren Unfug zu verbreiten und damit viele Rechtssuchende, die sich auf Ihren Quark verlassen, vorsätzlich und absichtlich ins offene Messer zu laufen und kläglich scheitern zu lassen! Schämen Sie sich! Sie verwechseln Rechtskunde mit Rechthaberei! Sie sind kein Rechtsanwalt, sondern ein Rechthaberbold!

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Im Endeffekt hat sich das OLG Naumburg im Fall Oury Jalloh so benommen, als lägen die Voraussetzungen für ein  In-Camera-Verfahren vor. 

Zur Sache werde ich weiter nicht spekulieren, aber den Abzug eines Staatsanwalts aus den Ermittlungen kennen Juristen doch auch aus dem Fall Weimar.

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Das war in einem späteren Stadium des Verfahrens, als bereits Freispruch und Revision erfolgten, nicht mehr im ersten Ermittlungsstadium.

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Herr Würdinger, ist Ihnen klar, daß im Fall Weimar Frau Weimar diverse KlEV gegen den Ehemann und seine näheren Verwandten hätte betreiben können, und die dann auch bereits mündlich verhandelt werden mußten, wenn Ihre Vorstellungen damals gegolten hätten?

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Naja, 1949 war ja auch das zentrale Argument gegen  Art. 3 Abs. 2 GG, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ der Einwand, dann wäre ja das halbe BGB verfassungswidrig. Das ist dieselbe "Logik". 

Auch das ist keine ernstzunehmende Antwort, da das GG hier keine direkten und konkreten Handlungsanweisungen enthält wie eine StPO oder ein GVG. Der Art. 3 GG Abs. 2 enthält auch eine Absichtserklärung:

"Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Und im Art. 1 Abs. 1 steht der Zusatz "vor dem Gesetz" und dazu bedarf es auch vieler Einzelgesetze zur Ausgestaltung.

Also nicht zu vergleichen mit Ihren Vorstellungen, die Sie ja bereits konkretisieren.

Und im Art. 1 Abs. 1 steht der Zusatz "vor dem Gesetz" und dazu bedarf es auch vieler Einzelgesetze zur Ausgestaltung.

Irgendwie ist nun der Wurm drinnen:

Und im Art. 3 Abs. 1 steht der Zusatz "vor dem Gesetz" und dazu bedarf es auch vieler Einzelgesetze zur Ausgestaltung.

So sollte es heißen.

Was ich aber bisher noch vermißt (oder übersehen?) habe bei Ihren Konkretisierungen:

Es hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden

Vor welchen Gerichten denn beim EEV?

Und bleibt es im Fall des KlEV bei einem OLG?

 

Also: Das KlEV und das EEV sind zwei "Spielarten" der Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, sie unterscheiden sich nur in der Zielsetzung: Beim KlEV wollen Sie erreichen, dass die StA anklagt, beim EEV wollen Sie erreichen, dass die StA ermittelt. In jedem Fall ist das OLG gem. § 172 IV StPO erste und letzte Instanz und in jedem Fall hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da könnte doch dann zuerst ein EEV erfolgen und noch danach ein KlEV, dann wären 2 mal ein OLG vor einem LG tätig.

Bei dem Tempo der deutschen Justiz sind das Aussichten, die nicht froh stimmen können.

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Das KlEV und das EEV sind zwei "Spielarten" der Verfahren nach den §§ 172 ff StPO...

Eben! Nicht nach der VwGO wie Sie so unentwegt, wie falsch, vertreten, nur weil Sie einmal die Notwendigkeit der Vorschaltbeschwerde nicht gewußt haben, sondern nach der StPO.

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Und für mündliche Verhandlungen hat auch der EuGH keinen Absolutismus gesehen, siehe das Disziplinar-Verfahren Blum gegen Österreich, das ja angeführt wurde bei der Mündlichkeit als Grundsatz für Verfahren.

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Nun, die Wahrheit iegt wohl dazwischen. Als pauschales Totalurteil wohl zu weitgehend, aber imRechtsstaat wird man zitieren dürfen: 

 

OLG Koblenz 1. Senat für Familiensachen

Entscheidungsdatum:

14.02.2017

Aktenzeichen:

13 UF 32/17

ECLI:

ECLI:DE:OLGKOBL:2017:0214.13UF32.17.0A

Dokumenttyp:

Beschluss

 

Tz 58: Zwar hat sich der Betroffene durch seine unerlaubte Einreise in die Bundesrepublik nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG strafbar gemacht. Denn er kann sich weder auf § 15 Abs. 4 Satz 2 AufenthG noch auf § 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 GFK berufen. Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt." Zitat Ende.  Das hat sich in zwei Jahren und acht Monaten wohl nicht geändert oder gar gebessert.

Nach dem Gutachten steht nunmehr hier in Rede das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Seine Begründung sieht der Bundesgerichtshof mit den Vertretern der Verwerflichkeitskonzeption darin, dass es sich um einen Sonderfall der niedrigen Beweggründe handele. Konkret instrumentalisiere der Täter auch hier das Leben von Menschen für egoistische Ziele.[64]


Neues forensisch – radiologisches Gutachten im Fall Oury Jalloh / Pressemitteilung – Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, vom 28.10.2019

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Posted on Mon, 28. Oct 2019 Reply


Pressemitteilung – Initiative in Gedenken an Oury Jalloh – 28.10.19

Neues forensisch – radiologisches Gutachten im Fall Oury Jalloh

“Nach Begutachtung der Bilddateien der Computertomographie vom 31.03.2005 des
Leichnams des Oury Jalloh sind Knochenbrüche des Nasenbeins, der knöchernen
Nasenscheidewand sowie ein Bruchsystem in das vordere Schädeldach sowie ein Bruch der 11. Rippe rechtsseitig nachweisbar. Es ist davon auszugehen, dass diese Veränderungen vor dem Todeseintritt entstanden sind.” 1
Sowohl die schwere Kopfverletzung, als auch die klar erkennbare und durch punktuelle
Gewalteinwirkung gebrochene 11. rechte Rippe, legen den dringenden Verdacht nahe, dass Oury Jalloh von Polizeibeamten vor seinem Tod körperlich schwer misshandelt worden sein muss.
Als Oury Jalloh am Morgen des 7. Januars 2005 von den Frauen der Stadtreinigung angetroffen wird, weist er keine offenkundigen Verletzungen im Gesicht oder am Oberkörper auf. Auch im Rahmen der Untersuchung durch den Polizeiarzt Dr. Blodau zwischen 9:15 und 9:30 Uhr werden keinerlei solche Verletzungen oder Symptome der nunmehr festgestellten Verletzungen am Körper oder im Gesicht von Oury Jalloh beschrieben. Deshalb ist davon auszugehen, dass sowohl der Nasenbein- und Schädelbasisbruch als auch die gebrochene 11. Rippe rechts im Zeitraum zwischen
der Untersuchung durch Dr. Blodau und dem Ausbruch des Feuers in Zelle Nr. 5 entstanden seinmüssen. Die Einwirkungen der Gewalt waren sowohl im Gesicht, als auch im Bereich der 11. Rippe in einer Art und Weise punktuell bzw. fokussiert heftig, dass eine Selbstverletzung oder ein Sturz weitestgehend ausgeschlossen werden können. Eine Beifügung dieser Verletzungen durch Dritte ist damit naheliegend wahrscheinlich.
Der Zeitraum in welchem Oury Jalloh die beschriebenen Verletzungen durch externe
Gewalteinwirkung zugefügt worden sind, ist eindeutig eingrenzbar und liegt zwischen: 9:30 Uhrund 12:05 Uhr. Auch der Kreis möglicher Täter*innen ist eindeutig einzugrenzen – er beschränkt sich auf die im Polizeirevier Dessau anwesenden Personen mit Zugang zu den Zellen im Gewahrsamstrakt.

1 Prof. Dr. Bodelle, “Fachradiologisches Gutachten”, 18.10.2019, S.13.

Statement International Kommission-28-10-19 pdf

Pressemitteilung-28-10-19 pdf

“Nach Begutachtung der Bilddateien der Computertomographie vom 31.03.2005 des Leichnams des Oury Jalloh sind Knochenbrüche des Nasenbeins, der knöchernen Nasenscheidewand sowie ein Bruchsystem in das vordere Schädeldach sowie ein Bruch der 11. Rippe rechtsseitig nachweisbar. Es ist davon auszugehen, dass diese Veränderungen vor dem Todeseintritt entstanden sind.”

Wollen Sie oder die Initiative damit behaupten, dass diese vom neuen Gutachter festgestellten Befunde vorher nicht bekannt gewesen sein sollen? Das kann ich mir ganz einfach nicht vorstellen! Vermutlich weichen doch nur die Schlussfolgerungen voneinander ab, nicht die Tatsachen.

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Nach dem Gutachten steht nunmehr hier in Rede das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Das OLG Naumburg wird demnach, auf die Anhörungsrüge gem. § 152a VwGO hin, das Verfahren fortsetzen, die beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten gem. § 65 VwGO beiladen und in der Mündlichen Verhandlung gem. Art. 6 I 1 EMRK, § 101 I VwGO klären, ob eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Es spielt dabei keinerlei Rolle, ob entscheidungsrelevante medizinische Erkenntnisse früher oder später vorlagen. Entscheidend für die Erkenntnis des Gerichts ist nach allgemein gültigen Prozessrecht vielmehr der Zeitpunkt des Schlusses der Mündlichen Verhandlung. Dies ist, was den Tatsachenvortrag betrifft, die entscheidende  prozessuale Zäsur. 

Das OLG Naumburg wird demnach, auf die Anhörungsrüge gem. § 152a VwGO hin, das Verfahren fortsetzen...

Es wäre schön, wenn wir wissen würden, wie genau Sie und/oder die Initiative die Anhörungsrüge begründen wollen, also wo ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör verübt worden sein soll. Nach meinem aktuellen Kenntnisstand sehe ich das nicht.

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Da die Bundesrepublik Deutschland faktisch kein Rechtsstaat ist, bin ich durchaus der Meinung, dass ein Kampf gegen den Staat und seine Institutionen, der sich nicht auf das Führen von Gerichtsprozessen beschränkt, legitim sein kann.

Wo gibt es eigentlich den idealen, perfekten Rechtsstaat, der keinerlei Wünsche mehr sämtlicher Staatsbürger unerfüllt läßt?  Wieviele Abstriche sind dafür hinreichend, um das Zitat zu stützen? Bitte mal mit Prozentwerten quantifizieren, sonst bleibt man im Nebulösen.
 

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Meinen Sie, dass das OLG Koblenz  im Nebulösen bliebe? Ca 1,5 Millionen Fälle permanent?

Gut, Sie wollen mit mir über den "idealen, perfekten Rechtsstaat" diskutieren. Dass die Justiz einmal etwas "übersieht", von mir aus, das kann vorkommen. Der Spaß hört aber dann auf, wenn es nicht mehr darum geht, dass die Justiz "etwas übersehen" hat, sondern wenn es darum geht, dass die Justiz sehenden Auges und in vollem Bewusstsein Unrecht begeht. Und ein solches ganz bewusstes "Unrecht begehen" liegt eben genau im Fall Oury Jalloh und in meinem Fall vor. Das ist die Parallele. 

Das sind zuerst einmal noch unbewiesene BEHAUPTUNGEN!

Und wenn das sogar richtig wäre, sind das 2 Fälle, wären daher statististisch gesehen lediglich Marginalien, so hart das auch klingen mag.

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„Wir kennen das Gutachten, haben darin aber keine neuen Hinweise gesehen“, so OLG-Sprecher Henning Haberland (55) zu BILD. Der 1. Senat hatte vor einer Woche einen Antrag auf Klageerzwingung abgewiesen, die Jallohs Verwandte nach der Einstellung des Verfahrens 2018 angestrengt hatte.

https://www.bild.de/regional/sachsen-anhalt/sachsen-anhalt-news/feuertod-von-oury-jalloh-verwandte-stellen-neues-gutachten-vor-65663302.bild.html

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Drollig übrigens, dass sich das Gericht demnach inhaltlich mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt haben will, gleichzeitig aber den Klageantrag als unzulässig abgewiesen hat, demnach sich also geweigert hat, in eine Sachprüfung einzutreten.  

Man kann durchaus beides tun, einmal hauptsächlich und einmal obiter. Das OLG ist sehr wohl "in eine Sachprüfung eingetreten", vgl. hier: "Abgesehen von seiner Unzulässigkeit erweise sich der Antrag aber auch als unbegründet, weil die Generalstaatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht zu Recht verneint habe. Unabhängig davon, dass nach wie vor vieles für eine Selbstentzündung des Ouri Jallow spreche, fehle es für eine Brandlegung von anderer Seite jedenfalls an einem hinreichenden Tatverdacht gegen einem konkreten Beschuldigten. Vielmehr spreche gegen eine Täterschaft der von dem Antrag unmittelbar betroffenen Personen, aber auch aller weiteren an dem Geschehen Beteiligten, neben dem Fehlen ausreichender Beweise für ihren objektiven Tatbeitrag die Unschlüssigkeit der in der Antragsbegründung unterstellten Motive für die Tötung des Ouri Jallow". Das ist nicht etwa "drollig", sondern üblich.

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Nein, das OLG Naumburg verwickelt sich in Widersprüche: Auf der einen Seite sagt die (horribile dictu) rechtskräftige Gerichtsentscheidung: "Die Klageschrift war derart Scheiße, dass wir gar nicht begreifen konnten, was die überhaupt wollen." Auf der anderen Seite will das OLG Naumburg die Sache inhaltlich äußerst penibel und gewissenhaft geprüft haben und kam nach seiner sorgfältigen (etc. etc.) Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gegeben sei.   

Nein, wenn man diesen Widerspruch auflöst, wird auf einmal ein Schuh daraus. Völlig überraschend ergibt sich als prozessuale Verpflichtung des Gerichts, was ich schon seit Jahren fordere: Wenn das Gericht etwas nicht versteht, muss es halt nachfragen. Wenn das Gericht den Klagevortrag nicht versteht, muss es richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO geben und sich die Sache erklären lassen. So einfach und so offensichtlich liegen die Dinge in Wahrheit. 

Wenn das Gericht etwas nicht versteht, muss es halt nachfragen.

Nicht alle Vorträge in mündlichen Verhandlungen oder in schriftlichen Einlassungen, gedacht als eine Erklärung, sind eben eine Erklärung. Auch wenn sie hundertmal wiederholt werden sollten.

Ansonsten bräuchte man auch die §20 und 21 nicht im StGB.

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Wenn das Gericht den Klagevortrag nicht versteht, muss es richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO geben und sich die Sache erklären lassen.

Die VwGO und das Verwaltungsrecht haben im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

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Nein, da muss ich Sie leider korrigieren, die Meinung ist eben gerade nicht einhellig: Lesenswert sind insbesondere die beiden folgenden Fundstellen in der Kommentarliteratur:

Es handelt sich zum einen um Graf, Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Auflage 2018, Rn. 19 zu § 172 StPO. Dort weist die Bearbeiterin Claudia Gorf auf meinen Aufsatz hin. Hierbei macht die Bearbeiterin  insbesondere darauf aufmerksam, dass ich die Anwendung des Verwaltungsprozessrechts auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO vorschlage. Weiter hebt die Bearbeiterin in ihrer Kommentierung der §§ 172 ff StPO zu Recht hervor, dass dies insbesondere eine Hinweispflicht des Gerichts gem. § 86 III VwGO zur Folge hätte. 

Zum anderen weist der angesehene Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, Bearbeiter Mark Zöller in Rn. 1 zu § 172 StPO zu Recht darauf hin, dass die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO die bisher bestehenden Probleme im Bereich der Zulässigkeit dieser Verfahren lösen würde. 

Nein, da muss ich Sie leider korrigieren, die Meinung ist eben gerade nicht einhellig

Die Meinung ist de lege lata völlig einhellig. So abwegig, wie Sie es tun, kann das geltende Recht von niemand ausgelegt werden, der noch irgendwie ernst genommen werden will. Wie kann ein Mann nur so den Bezug zur Realität verlieren?

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Nein, Sie behaupten ganz bewusst die Unwahrheit: Prozessrecht dient praktischen Bedürfnissen. Die VwGO ist auf das KlEV und das EEV anwendbar, weil sie passt. Der Richter und Fachbuchautor Carsten Krumm stellt in einer dreiteiligen Serie seit Ende 2017 im Rahmen des Online-Angebots des Verlags C.H. Beck eine Neukonzeption des Ermittlungserzwingungsverfahrens (EEV) zur Diskussion.[17][18][19] Danach sollen die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Anwendung finden. Es wird also das "pflichtgemäße Ermessen", das nach der ständigen Rechtsprechung lediglich besteht, durch eine vollständige Verfahrensordnung ersetzt. Dies würde sich im wesentlichen in folgenden Punkten niederschlagen:

Antrag und Tenorierung, §§ 42, 113 VwGO

Der Antrag ist eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO. Auf diesen Antrag hin erfolgt die Tenorierung nach § 113 VwGO.

Ablehnungsgesuche, §§ 54 VwGO, 42 ZPO

Das Ablehnungsrecht wegen Besorgnis der Befangenheit richtet sich nach § 54 VwGO in Verbindung mit § 42 ZPO.

Beiladung des Beschuldigten, § 65 VwGO

Damit sich auch der Beschuldigte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern kann, ist die Beiladung des Beschuldigten gemäß § 65 VwGO anzuordnen.

Vorverfahren, §§ 68 ff VwGO

Das Vorverfahren richtet sich nach § 68 VwGO und den folgenden Vorschriften. Da das Bundesverfassungsgericht den Anspruch auf Strafverfolgung Dritter als "höchstpersönliches Recht" qualifiziert, steht es dem Verletzten frei, ob er, etwa wegen Aussichtslosigkeit, das Vorverfahren überspringen und sich unmittelbar an das Gericht wenden möchte.

Untätigkeitsklage, § 75 VwGO

Reagiert die Staatsanwaltschaft drei Monate lang nicht auf die Strafanzeige des Verletzten, kann sich der Verletzte gemäß § 75 VwGO unmittelbar an das Gericht wenden.

Untersuchungsgrundsatz, § 86 Abs. 1 VwGO

Es gilt der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO. Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.

Richterliche Hinweise, § 86 Abs. 3 VwGO

Ist der Sach- oder Rechtsvortrag des Verletzten unvollständig, sind Richterliche Hinweise gemäß § 86 Abs. 3 VwGO zu erteilen. Der Verletzte erhält danach die Gelegenheit, seinen Sach- oder Rechtsvortrag zu ergänzen.

Mündliche Verhandlung, Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO

Wie in jedem anderen Prozess auch, hat auch hier gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Verbindung mit § 101 Abs. 1 VwGO eine Mündliche Verhandlung stattzufinden.

Anhörungsrüge, § 152a VwGO

Gegen die rechtskräftige Entscheidung des OLG ist die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO statthaft. Diese muss innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der angefochtenen Entscheidung beim Prozessvertreter des Verletzten bei Gericht eingehen. Das Gericht erhält dadurch Gelegenheit, seine eigene Entscheidung zu korrigieren.

Vollstreckung, § 172 VwGO

Im Zuge des Dieselskandals liegt dem EuGH die Frage vor, ob eine Vollstreckung gemäß § 172 VwGO nur durch Androhung und Verhängung von Zwangsgeld oder auch durch Androhung und Verhängung von Zwangshaft zulässig ist.

Die VwGO und das Verwaltungsrecht haben im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

So auch folgende Aktenzeichen:
1 BvR 183/19
1 U 161/13
1 U 2482/14
120 AR 3573/18
120 Js 219164/17
120 Js 228111/17
123 Js 210158/17
15 O 13259/12
15 O 16154/13
15 S 8616/18
2 Abl 7/18
2 BvR 1180/19
2 BvR 1453/16
2 BvR 1490/18
2 BvR 1550/17
2 BvR 1681/18
2 BvR 1682/18
2 BvR 1683/18
2 BvR 1721/18
2 BvR 1808/19
2 BvR 1861/18
2 BvR 2598/18
2 BvR 2793/172 BvR 482/19
2 Ws 1238/18 KL
2 Ws 1347 - 1354/18 KL
22b Ns 235 Js 132863/15
34 Zs 3235/14
4 Ws 123/19 KL
5 OLG 13 Ss 244/16
5 OLG 13 Ss 81/17
842 Ds 235 Js 132863/15
AR 3327/19
Vf. 1-VI-14
Vf. 12-VI-15
Vf. 20-VI-19
Vf. 31-VI-19
Vf. 32-VI-15
Vf. 46-VI-18
Vf. 47-VI-18
Vf. 48-VI-18
Vf. 50-VI-18
Vf. 51-VI-18
Vf. 51-VI-19
Vf. 56-VI-18
Vf. 74-VI-17
Vf. 76-VI-19
Vf. 77-VI-18
Vf. 8-VI-15
Vf. 80-VI-18

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Schön, dass Sie die Az. auflisten, die Münchner Justiz hatte allerdings in ihrem eigenen Interesse geurteilt. 

Herr Würdinger, kennen Sie nicht das andere Problem, daß bei einer Straftat, die von mehreren Personen gemeinsam begangen wird, es ohne individuelle Täterschaft- und Schuldfeststellungen es auch schon mal zu keinen Verurteilungen kommen kann?

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Das mag dann im Strafverfahren gegen die zwei Polizisten geklärt werden. Zunächst geht es einmal darum, die beiden Polizisten überhaupt anzuklagen.

Vor dem vom BGH gekippten Freispruch gab es doch bereits ein Strafverfahren.

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2 Straf-Prozesse gab es schon in der Sache, Herr Würdinger, beide Polizisten wurden bereits angeklagt.

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Ich denke, das ist nicht so. Woher nehmen Sie Ihre Behauptung?

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