"Gigantomanie": Wie böse ist Google?

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 12.01.2010

Die Titelseite (!), ein 12-seitiger Report und ein Interview mit der Bundesministerin für Justiz: Das Magazin „DER SPIEGEL“ nimmt sich im aktuellen Heft Nr. 2/2010 (in lesenswerter Weise) Google vor und zeigt, wie das Unternehmen durch immer neue Produkte seine Kunden quasi einkreist und immer mehr ihrer Daten einsammelt. Google ist ja längst nicht nur Suchmaschine, sondern bietet ein großes Portfolio meist wirklich guter Produkte (mittlerweile um die 150) an. Mit dem Handy "Google Nexus One“ wird Google jetzt richtig mobil und macht den Schritt von Internet ins „Outernet“.

„Don’t be evil“ - das ist das allseits bekannte Motto von Google, doch viele vermuten genau das Gegenteil. „Datenkrake“ und „Big Brother des Internet“ sind die gängigen Attribute. Google steht, wie ja schon seit langem auch Microsoft vor dem Problem, dass die geläufige Gleichung „Größe = böse“ lautet. „Böse“ ist Google meiner Meinung nach nicht. Vielmehr sollte man zunächst anerkennen, dass es sich um ein extrem innovatives Unternehmen handelt, das gute Ideen entwickelt und schnell umsetzt.

Das Problem von Google ist aber, dass Wachstum und Marktmacht sowie das Geschäftsmodell „Datensammeln“ und „Nutzung von Werken Dritter“ (siehe Google Books) nahezu automatisch zu Friktionen mit dem geltenden Recht führen müssen: Kartellrecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. 

In ihrem aktuellen SPIEGEL-Interview wirft die Bundesministerin für Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Google numehr „Gigantomanie“ und „Vorpreschen“ vor und bezieht sich dabei insbesondere auf die Google-Buchsuche: Erst würden geschützte Werke eingescannt und dann abgewartet, ob jemand sein Urheberrecht geltend mache. Im Hinblick auf den Datenschutz sieht die Ministerin das Unternehmen in der Bringschuld und stellt implizit eine rechtliche Regulierung in Aussicht und dies nicht nur auf deutscher Ebene und der Ebene der EU, sondern über das Forum der G 20 – steht hier der Startschuss für ein globales Datenschutzrecht bevor?

Zurück zum heimischen Rechner. Man muss auf Google nicht verzichten, dem Unternehmen aber auch nicht alle seine Daten anvertrauen. Datenschutz ist vor allem auch Selbsthilfe und wer auf das Gesetz wartet, hat schon verloren. Man kann z.B einen kleinen Anfang machen und hin und wieder mal eine andere Suchmaschine verwenden (denn Google speichert die Suchhistorie). Verschiedene Suchmaschinen wurden ja auch hier im Blog schon erwähnt, so richtig überzeugend war aber bislang keine. Als Alternative könnte man es ja aber mal mit „Bing“ versuchen, der Suchmaschine von Microsoft mit dem „Underdog-Bonus“ (so DER SPIEGEL).

Oder man versucht es mit „Ixquick“, einer (möglicherweise) datenschutzkonformen Metasuchmaschine, die es trotz der Empfehlung von Datenschützern aber noch nicht geschafft hat, im Markt etwas bekannter zu werden. Weitere Suchmaschinen findet man z.B. in der Übersicht bei http://www.suchmaschinen-datenbank.de.

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12 Kommentare

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Da habe ich eine weit bessere Empfehlung, seit Kurzem gibt es www.ecosia.de. Mit jeder Suche rettet man ca. 2m Regenwald, damit tut also auch der passive Computernutzer wenigstens etwas für die Umwelt, Ecosia arbeitet dabei mit dem WWF, Yahoo und Bing zusammen, funktioniert sehr gut und zwar so: http://ecosia.org/how.php

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studenten lieben google books (erst recht jura studenten). Viel effizienter als in jeder Bibliothek suchen ... wenn jetzt nur mehr Buecher voll verfuegbar waeren... immer diese verleger die geld verdienen wollen ... aber wer kann sich schon leisten 30 euro o.ae. fuer einen artikel fuer eine (woechentliche) hausarbeit auszugeben?

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Zur Datenkrake google passt die Datenkrake facebook. Dass diese Firma alles speichert, was ihre User so tun - und zwar doppelt und dreifach - weiß man zwar auch irgendwie (ebenso wie das meiste über google, was im Spiegel steht), aber gelegnetlich hilft es ja, wenn man daran erinnert wird. Es wird noch gestritten, ob das folgende Interview mit einer facebook-Angestellten ein "fake" ist, aber dass die dortigen Informationen wahrscheinlich zutreffen, wird kaum bestritten:
http://therumpus.net/2010/01/conversations-about-the-internet-5-anonymou...

Dass Googles personalisierender Datenfetisch ein wichtiges Thema ist, ist unbestritten. Zugleich kann man sich jedoch fragen, warum die Diskussion gerade jetzt so massiv in einem Massenmedium, wie dem Spiegel, thematisiert wird. Denn parallel wird aktuell international auch das wichtige Thema Netzneutralität besprochen http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1/Doc~E74877C6C2C... . Während Ökonomen und zahlreiche IT-Unternehmen ein großes Geschäft in der Internet-Klassengesellschaft wittern und eine Ungleichbehandlung daher forcieren wollen, haben sich die USA wohl weitgehend dagegen ausgesprochen, in Deutschland ist man wie immer sehr langsam und verschleppt das Thema, anstatt sich ebenfalls klar gegen die Pläne zu positionieren. Google ist hier eines der IT-Unternehmen, die sich für die Beibehaltung der Netzneutralität aussprechen, selbstverständlich auch aus eigenen Interessen, was freilich den großen der IT-Branche ein Dorn im Auge ist. Die Themen sind also wie stets vieldimensinal und bedürfen umfassender Betrachtung.

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"steht hier der Startschuss für ein globales Datenschutzrecht bevor?"

Weniger.

Den Staaten ist es nur recht wenn Google Daten sammelt. Es ist ihnen nur nicht recht, das die Bürger ebenfalls darauf Zugriff haben oder das es dabei zu einer "Entlarfung" z.B. von Agenten kommt (hat die NYT letztes oder vorletztes Jahr vorgemacht wie so etwas geht).

Eher kommt ein G20-Artikel welche versucht global Möglichkeiten des Internets einzuschränken. Siehe auch ACTA. Das ist ein schleichender Prozess in üblicher Salami-Taktik. Für die einzelnen Scheibchen ist mit relativ wenig Wiederstand zu rechnen.

Uh ja. Eben aus dem Ticker gefischt:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Designierter-EU-Handelskommissar-...

Ach so, ja. Leutheusser-Schnarrenberger ist ja in der FDP. "Ein zweites SWIFT wird es nicht geben". So nach dem Telekom-Paket und unter Ausschluss der VDS kommt denn noch ACTA.

Google ist eine Datenkrake. Es gibt etliche davon, z.B. auch die SCHUFA o.ä.. Bedenklich ist die Verwendung von Daten. Natürlich herrscht das Primat der Datenvermeidung. Diejenigen welche es gegen den Bürger verwenden sind doch ironischerweise eher Organe denen der Staat explizit den Zugang gewährt bzw. auch der Staat selbst. Siehe auch die VDS usw..

Wenn Staatsbedienstete von "Datenschutz" reden ist es wie mit dem Grundgesetz. Es hat zunehmend nur noch zwischen den Bürgern Gültigkeit.

Grüße
ALOA

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Immerhin will sich jetzt google gegen die Zensur in China wenden, nachdem man von dort Ausspähattacken gegen chinesische Bürger- und Menschenrechtsaktivisten festgestellt habe. Google nimmt dafür sogar Kursabschläge an der Börse in Kauf. Also doch nicht so "evil"?
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,671621,00.html

Dazu musst man wissen, dass Google in China nie wirklich Fuß gefasst hat. Dort benutzt man als Suchmaschine Baidu (und zum Bloggen MSN Spaces, anstatt Twitter Plurk). Von 2005 bis 2006 ist ihr Marktanteil in China von 33% auf 20% gesunken, aktuell liegt er bei etwa 17%, Tendenz weiter sinkend.

Daher denke ich, die Menschenrechte und/oder der Hackerangriff sind eher vorgeschobene Gründe, um einen geordneten Rückzug durchzuführen. Ob es tatsächlich Kursabschläge an der Börse gibt, wage ich angesichts des geringen Marktanteils und geringen Kaufkraft der dortigen "Werbeziele" zu bezweifeln.

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@name: Kann sein, aber 17 % in China sind wahrscheinlich nicht viel weniger Menschen als 90 % in Deutschland (ausgehend von Bevölkerungszahl sogar weit mehr, gemessen an Computernutzerzahlen wahrscheinlich derzeit noch ein paar weniger, aber China holt ja kräftig auf und hat jetzt schon ca. 4x soviele Surfer wie Deutschalnd). Selbst bei sinkendem Marktanteil ist es möglich, dass es in absoluten Zahlen bei allg. stark steigender Computernutzung tatsächlich sogar mehr Menschen werden, die dort google nutzen.
Sich (selbst bei sinkendem Marktanteil) aus dem potentiell größten Markt der Welt ganz zurückzuziehen, das wäre m. E. schon eine gravierende Entscheidung.

Zunächst herzlichen Dank an Maxi und Jens Ferner für die Hinweise auf die alternativen Suchmaschinen ecosia (kannte ich noch nicht) und Scroogle.

@ Maxi: Das Thema Netzneutralität war ja bisher eher etwas für Insider. Das Google-Thema ist da vorerst für die Medien noch griffiger. Im juristischen Bereich wird die Netzneutralität aber schon länger gecovered, siehe die Beiträge des Kollegen Dr. Axel Spies in diesem Blog und jetzt auch den Beitrag von Spies/Ufer, MMR 2010, 13.

@ step21: Für die Studenten ist google books eine feine Sache. Wenn man aber weiss, wie aufwändig und teuer die Herstellung von Fachbüchern und- Zeitschriften für Autoren und Verlage ist, dann muss es eine faire Kompensation geben, sonst macht das keiner mehr. Und das wäre mittelfristig auch für die Studenten keine gute Idee.

@ Prof. Müller und name: Das Thema Google und China ist jetzt ja in allen Medien. Von diesen "digitalen Kulturkämpfen" wird es künftig wahrscheinlich noch mehr geben und nicht nur zwischen China und Google.

Einen Tipp hatte ich vor kurzem selbst bekommen: Die Suchmaschine Benefind erlaubt es dem Nutzer für eine Hilfsorganisation seiner Wahl zu spenden. Und neben den "großen" wie Care, SOS Kinderdorf, Menschen für Menschen, Die Tafel etc. gibt es auch schon eine Anzahl kleinerer regionaler Hilfsorganisationen zur Auswahl.

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