Erneut keine Klärung der Erheblichkeitsfrage

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 13.01.2010
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-Recht|2451 Aufrufe

Bei der Frage, ob der Vermieter bei einer gemischten Nutzung eines Gebäudes die verschiedenen Nutzungsarten getrennt abzurechnen hat, hat der BGH darauf abgestellt, ob (ansonsten) eine erhebliche Mehrbelastung des Mieters mit Betriebskosten stattfindet (BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, NZM 2006, 340), wofür der Mieter darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 251/05, NZM 2007, 83). Auch bei der ersten Entscheidung zur Umlage der Aufzugskosten auf den Erdgeschossmieter hat der BGH zumindest mittelbar die Erheblichlkeit der Belastung des Mieters als Argument herangezogen (BGH v. 20.9.2006 - VIII ZR 103/06, NZM 2006, 895). Schließlich hatte der VIII. Senat den Anspruch auf Änderung des vereinbarten Umlageschlüssels an eine krasse Unbilligkeit geknüpft, ohne dass positiv ersichtlich ist, wo die dafür anzusetzende Grenze liegt (BGH v. 12.3.2008 – VIII ZR 188/07, NZM 2008, 444).

Nunmehr hat er die Umlage von sog. aperiodischen Kosten (Kosten der Öltankreinigung) jedenfalls in dem Jahr des Anfalls in Höhe von 103 € zugelassen mit dem Argument, dass der Mieter dadurch nicht unbillig erheblich verletzt werde (BGH v. 11.11.2009 – VIII ZR 221/08).

Daraus wird deutlich, dass die 10%-Grenze (= erblicher Mangel) bei der Wohnflächenabweichung auf das Betriebskostenrecht nicht übertragbar ist. Vielmehr ist hier auf die absolute Belastung des Mieters abzustellen. Solange diese unter 10 €/monatlich liegt, ist die Erheblichkeitsgrenze bei aperiodischen Kosten jedenfalls nicht überschritten.

Dies macht andererseits deutlich, dass der Hartz-IV-Empfänger nicht den durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter repräsentiert. Denn würde auf sein Einkommen abgestellt und z.B. zu berücksichtigen sein, dass der Vermieter im Abrechnungsjahr schon eine Mieterhöhung nach § 558 BGB geltend gemacht hat, so dass der Mieter - jedenfalls in Köln - weitere 3,50 € für den Erwerb des nicht beigefügten Mietspiegels aufwenden musste (BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 276/08, WuM 2009, 747: Preis von 4,00 € ist zumutbar), fehlen ihm schon knapp 125 € im Jahr. Wären die 120 € auf 5 Jahre zu verteilen, beschränkte sich seine Belastung auf 2 € pro Monat plus den Kosten für den Mietspiegel. Aber es ist ja nicht auf den letzten in der Reihe, sondern den durchschnittlichen Mieter abzustellen.

Oder gilt das nur für den Intellekt? Müssen die zumutbaren Belastungen nicht anhand des Einzelfalls berücksichtigt werden (wozu auch die Tatsache gehört, dass der Hartz-IV-Empfänger nicht die Betriebskosten in vollem Umfang erstattet bekommt, weil z.B. die Warmwasserkosten in den Lebenshaltungskosten enthalten sind)? Ist es dem Vermieter nicht zumutbar, sich vorab um die finanzielle Situation seiner/s Mieter/s zu informieren um anhand des Schützenwertesten die Maßstäbe für die Betriebskostenabrechnung zu orientieren?

Eindeutig nein: Der BGH tut gut daran, das Betriebskostenrecht nicht in eine Kasuistik zu verlagern, sondern dogmatisch nachvollziehbare Begründungen zu liefern, die sich an den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts orientieren und Rechtssicherheit bringen.

Trotzdem will der Praktiker zur Beratungssicherheit wissen, wo die Erheblichkeitsgrenze liegt (wenn er sich nicht an 10% orientieren kann).   

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