Häufige Toilettenbesuche rechtfertigen keine Lohnkürzung - billable hours mal anders

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.01.2010

Auch angestellte Rechtsanwälte müssen um ihre Rechte kämpfen. In einem jüngst vom Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 21.1.2010 - 6 Ca 3846/09) entschiedenen Fall war dem Kläger, einem angestellten Rechtsanwalt, ein Betrag von 682,40 Euro von seinem Gehalt mit der Begründung abgezogen worden, er habe ungewöhnlich lange und häufig während der Arbeitszeit die Toilette benutzt. Der Chef der Anwaltskanzlei hatte minutiös protokollieren lassen, wie lange der Kläger sich auf der Toilette aufhielt. Eine Angestellte mußte hierüber schriftlich Buch führen. Allein in der Zeit vom 8. bis zum 26. Mai 2009 verbrachte der Mitarbeiter insgesamt 384 Minuten auf der Toilette. Der Arbeitgeber rechnete die WC-Zeiten auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses hoch und kam zu dem Ergebnis, dass sein Mitarbeiter bis Mai 2009 zusätzlich zu den üblichen Pausen- und Toilettenzeiten insgesamt 90 Stunden auf der Toilette verbracht hatte. Hierfür zog er ihm 682,40 Euro vom Nettogehalt ab. Immerhin ließ der der Chef insoweit Milde walten, als er den zusätzlichen Verbrauch von Toilettenpapier nicht gesondert in Rechnung stellte. Jedenfalls erhob der Rechtsanwalt Klage und berief sich darauf, in der fraglichen Zeit an Verdauungsproblemen gelitten zu haben. Das Arbeitsgericht stellte daraufhin fest, daß der Lohnabzug unberechtigt war. Der Gerichtssprecher wird hierzu wörtlich wie folgt zitiert (nach Spiegel Online vom 22.1.2010): "Gut, wenn einer nun die Hälfte der Arbeitszeit auf der Toilette verbringt, dann gibt es irgendwo eine Grenze. Aber bei akuten Verdauungsproblemen kann man das nicht einfach so hochrechnen". Wo die Grenze zur Arbeitsverweigerung liegt, lasse sich nicht klar festlegen. 

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6 Kommentare

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Die Ansicht, Toilettenbesuche hielten von der Arbeit ab, findet ihr Modell in der Manufaktur oder in der Maschinenhalle: Wer nicht an der Maschine steht, der produziert nicht. Es ist fraglich, ob dieses Modell auch für Rechtsanwälte gilt. Manchen Menschen kommen ja die besten Gedanken auf der Toilette. Und ob am PC sitzend tatsächlich sekündlich/minütlich über Akten und Schriftsätze nachgedacht wird, ist eine weitere Frage.

Henning Ernst Müller schrieb:

Die Ansicht, Toilettenbesuche hielten von der Arbeit ab, findet ihr Modell in der Manufaktur oder in der Maschinenhalle: Wer nicht an der Maschine steht, der produziert nicht. Es ist fraglich, ob dieses Modell auch für Rechtsanwälte gilt. Manchen Menschen kommen ja die besten Gedanken auf der Toilette. Und ob am PC sitzend tatsächlich sekündlich/minütlich über Akten und Schriftsätze nachgedacht wird, ist eine weitere Frage.

 

Gutes Argument. Leider meint man vielerorts immernoch, dass der, der viel am Schreibtisch sitzt, auch der produktivste ist.

 

BTW: für 90 Stunden 6hundertirgendwas Euro? Guter Stundenlohn.

Ich halte diese Art von Protokollierung zumindest in persönlichkeitsrechtlicher Hinsicht für bedenklich.

Und nicht zu vergessen: wie viel Arbeitszeit wohl die Erfassung der Toilettenbesuche gekostet haben mag, mit aufschreiben, addieren und hochrechnen. Und, noch etwas: 682,40 € als Lohn für 90 (!) Stunden ergibt einen Stundensatz von 7,58 € ... Ein (vermutlich gelernter) Müllmann verdient laut gehaltsvergleich.com etwa 15,50 € pro Stunde.

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Um eine Lanze für die Arbeitgeber zu brechen:

Es ist wohl durchaus verständlich dass man von einem Arbeitnehmer aus dem eigenen Haus erwarten darf dass sich dieser anständig und produktiv verhält. Sollten Auffälligkeiten sichtbar werden ist dies meines Erachtens nach nur billig, wenn diese erfasst und zur Sprache gebracht werden. Gutes Recht des Arbeitgebers!

Die Art und Weise in der dies geschieht sollte auch dem Verhalten entsprechen das man zwischen Erwachsenen erwarten kann. Ob das im gegebenen Fall vorliegt ist mindestens strittig ;-)

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Unterstellt man, dass der Kläger an Samstagen, Sonn- und Feiertagen frei hatte, lagen zwischen dem 8.5. und dem 26.5.2009 (jeweils einschließlich) 12 Arbeitstage. Teilt man 384 Minuten durch 12, kommt man pro Arbeitstag auf Toilettenpausen im Umfang von 32 Minuten, also etwas über einer halben Stunde. Bis sie den Vorwurf der "Arbeitsverweigerung" rechtfertigen, dürfen die Verdauungsprobleme damit wohl noch deutlich größer werden.

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