Datenschutz: "Facebook" in der juristischen Kneifzange?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 27.01.2010

Der populäre Internetdienst Facebook (mit gut über 100 Millionen Nutzern) hat sich mit seiner neuen Privacy Policy einige Kritik zugezogen. Profilfotos etwa, die bislang nur Freunde sehen konnten, oder den Wohnort kann nun jeder Internetsurfer finden. Eine vorherige Einwilligung der Nutzer wurde nicht eingeholt.  Unter anderem hat der Interessenverband EPIC hier in Washington eine Beschwerde bei der Federal Trade Commission (FTC) eingereicht  (http://epic.org/privacy/inrefacebook/EPIC-FacebookComplaint.pdf). In der Beschwerde, die sich wie ein datenschutzrechtliches Sündenregister liest, heißt es:.“ Facebook’s representations regarding its changes to users’ privacy settings and associated policies are misleading and fail to provide users clear and necessary privacy protections.” Deshalb solle die FTC unverzüglich einschreiten. Das Verfahren dauert an.

Außerdem droht Facebook Ungemach seitens der europäischen Datenschützer, obwohl Facebook wohl keine Niederlassung in Deutschland hat. Der sehr aktive Datenschutzbeauftragte für das Land Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, scheint einen juristischen Aufhänger gefunden zu haben und hat angekündigt, man werde von Facebook Aufklärung darüber verlangen, inwieweit die Datenschutz-Praktiken mit dem "Safe Harbor"-Abkommen zwischen der EU und den USA im Einklang stehe. Das Abkommen, das Ende der neunziger abgeschlossen wurde, soll gewährleisten, dass in der EU ansässige Nutzer und von US-Unternehmen grundsätzlich dasselbe Datenschutzniveau genießen wie bei europäischen Unternehmen, wenn persönliche Daten in die USA gelangen und dort verarbeitet werden.

Wie steht die Beck Community zum Thema Facebook und Datenschutz?

Quelle u.a.:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/496534

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11 Kommentare

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Für mich war Facebook und dergleichen nie ein Thema, insbesondere aus datenschutzrechtlichen Gründen. Allerdings sehe ich für mich in deren Angebot auch keinen Nutzen. Kontakte die ich wünsche halte ich und das geht auch sehr gut persönlich oder via Brief, Telefon, email. Daher könnte ich über solche Portale maximal unerwünschte Kontakte bekommen, aber die sind ja gerade unerwünscht. ;-)

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Lieber Herr Dr. Spieß,

ich teile die Bedenken und bin persönlich nur in Netzwerken mit Sitz in Deutschland, weil ich da sicher sein kann, dass ich alle datenschutzrechtlichen Ansprüche zur Löschung, Korrektur und ggf Sperrung durchsetzen kann, notfalls auch gerichtlich.

Es kommen bei Facebook im Speziellen aber noch andere Aspekte hinzu.

Der erstere ist, dass die Firma offenbar plant, eine Lizenz für ein eigenes Bezahlsystem zu beantragen und eine technische Lösung zum Payment innerhalb der Community aufbauen möchte. Nachdem noch nicht erwiesen ist, dass durch den Austausch von dem nutzergeniertem Content für den Betreiber der Plattform auch Geld verdient ist (man denke an die hohen Infrastruktur-Server-Kosten, Personal für Softwareentwicklung und auch User-Betreuung), hat sich das Management nun wohl auf diesem Wege einen Ausweg gesucht. (Googeln Sie nach facebook payment, Sie werden sicher Berichte darüber finden).

Wahrscheinlich wird es dann (auch) kostenpflichte Plug-Ins innerhalb von Facebook geben, man wird auch ein Facebook-Cashaccount haben können, usw. Dass damit die Monetarisierung glückt, ist freillich immer noch offen.

Andererseits lässt dann die Firma/Bank/Zahlungsdienstleister "Facebook" jede herkömmliche "Bank" blaß aussehen: Der Betreiber kennt nicht nur die sozialen Kontakte, Vorlieben, Gewohnheiten, Aufenthaltsorte usw. der "Kontoinhaber", sondern kann diese dann auch noch mit Informationen zu Zahlungsströmen korrelieren (sofern Zahlungen über diese Konten abgewickelt werden und auch für Transaktionen außerhalb des Netzwerks genutzt werden). Außerdem wird die Datenqualität der Profile erhöht, weil die Hürden für die Eröffnung eines Bank-Kontos höher liegen (maw. ein Identätitsnachweis erforderlich sein dürfte), als die bloße Registrierung eines (Fake-) Accounts.

Es gibt aber noch einen anderen, etwas spekulativeren Aspekt zum Thema Facebook. Die Venture-Capital-Firma, die die Neugründung zu Anfangs maßgeblich finanziert hat, wurde angeblich von zwei Personen geleitet, die beide Leitungsfunktionen bei der CIA und dem US-Verteidigungsministerium bzw. einer US-Daten-Sammlungs-Stelle und auch bei Technologie-Firmen für Data-Mining innehatten.

Da liegt natürlich der Verdacht nicht ganz fern, dass es eine verdeckte Mit-Nutzung der Geheimdienste gibt. Quelle hierzu ist ein kurzes Video (dessen Informationen ich allerdings nicht überprüft habe) aus dem Jahr 2006. Die Nutzeneffekte für die Dienste dürften durchaus gegeben sein.

http://www.youtube.com/watch?v=ZMWz3G_gPhU (insbes. ab Minute 2).

Falls es ein politisches Interesse an Facebook geben sollte, so wird es vielleicht auch eine gewissen Rückendeckung beim Thema Datenschutz geben.

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Der Punkt  mit dem Bezahlsystem ist eine gute Beobachtung. Danke. Die Umsetzung dürfte allerdings für Facebook nicht so einfach werden, selbst wenn es keine Niederlassung in der EU gibt: Im neuen Datenschutzgesetz von Massachusetts gibt zum Beispiel unfassende Trennungs- und Verschlüsselungspflichten auch für Bezahlsysteme. Es reicht, wenn der Nutzer, dessen "personal information" gespeichert wird, in Massachusetts wohnhaft ist (Resident). Eine kurze Übersicht zu dem ab 1. März geltenden Gesetz gibt es z.B. hier: http://www.bingham.com/Media.aspx?MediaId=9565 Theoretisch gilt das Gesetz für alle Anbieter weltweit - die Frage ist natürlich, wie es  praktisch durchgesetzt wird, wenn die Gesellschaft  außerhalb des Staates ihren Sitz hat. 

Gehöre zu den fb-Nutzern und verstehe manchmal die Aufregung nicht. Sehr schön am neuen System ist, dass man die Gruppen definieren darf, die einen Eintrag sehen dürfen. Sehr unschön ist, dass die Einstellungen standardmäßig auf "für alle sichtbar" stehen - hier sollte fb unbedingt nachbessern. Mein Wohnort dürfen andere Menschen schon sehen, und mein einziges Profilbild auch. Allerdings muss - und das ist imho wichtig - fb darauf hinweisen, welche Infos öffentlich sind.

Das Thema "Payment" kann durchaus brisant sein, allerdings muss niemand mit fb zahlen. Ich z.B. wäre eher bereit auf eBay zu verzichten, als PayPal zu nutzen.

Letzten Endes sehe ich das Problem eher darin, dass viele Menschen wenig Interesse an Datenschutz und Privatsphäre haben. Der Chef von fb, Mark Zuckerberg, hat in einem Interview behauptet, dass Datenschutz überbewertet wird und eines nicht so fernen Tages vollkommen unwichtig sein wird. (Sorry, keine Quelle)

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Bin froh, wenn ich mal ruhige Momente habe, da brauche ich nicht auch noch weitere Kontakte und Stress per facebook.

Dass Datenschutz häufig nicht nur von Anbieterseite und Regulierungsseite stiefmütterlich behandelt wird, sondern zudem auch mangelndes Bewusstsein bei den Nutzern vorherrscht, ist in der Tat ein weiteres Problem. Hier muss der Staat aufklärende und "bewusstseinswerweiternde" Kampagnen fahren, insbeondere jedoch die Regulierung und Kontrolle ganz wesentlich verbessern.

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Der Fall zeigt die Grenzen des Rechts in der Cloud. Die Empörung eines Landesdatenschutzbeauftragten (Schleswig-Holstein) ist berufsbeingt verständlich. Ein Aufstand in der Facebook-Community hat wegen des neunen Absatzes "To give search engines access to publicly available information"  in Abschitt 5Facebook`s Privacy Policy nicht stattgefunden.

 

Die rechtliche Bewertung dieses Umgangs mit der Privacy fällt ernüchternd aus. Das BDSG gilt zwar als anwendbar, wenn die Facebook-Seite in Deutschland genutzt wird und damit durch von Facebook gesetzte Cookies Daten in Deutschland erhoben werden. Die Datenschutzrechte gelten aber gegenüber einem in den USA ansässigen Plattformbetreiber weder behördlich noch gerichtlich als durchsetzbar. Werden Ansprüche in den USA geltend gemacht, so gilt US-Recht. Dies ist wenig erfolgversprechend.

 

Was ist zu tun? Was sind die rechtlichen Perspektiven? Wir müssen annehmen, dass der Aufenthalt in der Cloud unserere Vernunft verändert.Ich habe den Eindruck, dass diese Vernunftveränderungsthese, initiiert von Maryanne Wolf ("Proust and the Squid", New York, 2009) und von Nicholas Car ("Is Google making us stupid", The Atlantic, Juli/August 2008) nach dem Verlauf der Edge.org-Debatte und der aktuellen Artikelserie in der FAZ allgemein anerkannt wird. Danach lassen die Content-Happen, die uns in der Cloud geboten werden, die Fähigkeit zum vertieften und kritischen Lesen veflachen. Die Auswirkungen auf das Rechtsverständnis sind bisher nicht thematisiert worden, liegen aber nahe. Die Bestimmungen über die Privacy werden von den nicht oder bestenfalls obeflächlich zur Kennntis genommenen Privacy-Regeln  der Google, Facebook & Co-Plattformen geprägt. Damit entwickelt sich eine von den Intessen der Platformbetreiber definierte Privatsphäre.

 

Im Ergebnis ist die Entwicklung voraussehbar: Nicht das traditionelle Recht der Privatspäre bestimmt das Recht in der Cloud, sondern die Nutzungsbedingungen der Cloud verändern das Recht der Pruivatspäre. Manche sprechen von ihrem Verschwinden.

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Der der beschrieben Fall der unaufgeforderten email-Einladung von facebook mit dem Hinweis, dass mich zwei, nicht einladende, Personen dort auch interessieren könnten und beide kannte ich auch, obwohl ich noch nie Kontakt zu facebook hatte, ist mir kürzlich auch passiert:

 

Soziale Netzwerke - Facebook weiß alles über uns  http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~E0340B9598E...

 

Diese Datenfreiheit und -nutzung finde ich inzwischen nur noch widerlich.

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Ein schöner FAZ-Beitrag:

 

"Die Frage der digitalen Generation - Was lassen wir in unsere Köpfe?: Eine scheinbar alberne Frage zuerst: Mit welchem Gehirn denken Sie am meisten, mit dem schwammartigen in Ihrem Kopf oder dem elektronischen Wunderding unter Ihren Fingerkuppen? Welches von beiden speichert mehr Erinnerungen von Ihnen, welches knüpft die Netze Ihrer Freundschaften? ... Man stelle sich nur vor, was geschähe, wenn wir alle ein paar Monate ohne das elektrische Netz verbrächten, Karten spielten oder in alten Büchern und Zeitschriften blätterten. Das Netzwerk wäre ausgehungert nach Informationen. Unternehmen verlören ihre Arbeiter und Abläufe aus den Augen. Twitter hätte ausgezwitschert, Wikipedia würde veralten und für Facebook die Zeit stillstehen. Google ginge bankrott. Ohne menschlichen Input wäre unser elektronisches Gehirn nicht viel mehr als eine große Rechenmaschine am Himmel. ... Manche bieten Antworten, andere Klatsch oder Sexbilder. Einige der Erfolgreichsten wie E-Mail-Anbieter und soziale Netzwerke gewinnen uns dafür, unsere Freunde zu aktivieren und einzubinden. Ihre Dienste können nützlich, unterhaltsam oder sogar unverzichtbar sein. Betrachtet man sie aber aus der Perspektive unseres belagerten Gehirns, dann pflanzt uns die vernetzte Welt einen riesigen Basar voller Ablenkungen direkt vor die Nase – und schickt uns in diesem Basar auf tausend Pfade. Wenn sie damit Erfolg hat, kann sie einen simplen E-Mail-Check oder eine Websuche zu einer mehrstündigen Reise ins Chaos werden lassen. Im schlimmsten Fall werden wir konfus und zerstreut – in mancher Hinsicht vielleicht sogar dümmer –, während die vernetzte Welt selbst immer intelligenter wird. Ich betrachte sie als einen gigantischen Parasiten, der sich bester Wachstumsbedingungen erfreut. ... Auch Informationen waren lange Zeit ein rares Gut. Sie sind es aber nicht mehr. Wir können uns mit ihnen überfrachten. Wir können uns am Ramsch ins Koma saufen. Damit nähren wir das elektronische Gehirn und riskieren es, unser eigenes verhungern zu lassen. Mehr als je zuvor müssen wir steuern, was wir in unsere Köpfe lassen." ...Facebook und andere sog. social networks gehören für mich definitiv nicht dazu.

 

http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~EFE324AEB56...

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Wieder mal ein Artikel zu beachtlichen Datenschutzproblemen, daraus auch:

 

"Doch Listen von Nutzerprofilen werden längst wie Bananen auf dem Wochenmarkt gehandelt. Die Betreiber von Netzwerken wie Facebook veräußern diese Listen anonymisiert an Dritte. Shmatikovs Mitarbeiter Arvind Narayanan sieht darin ein Problem. „Verkauft man diese Datensätze weiter, ist es durchaus denkbar, dass Dritte sie deanonymisieren.“ Dass das technisch möglich ist, haben er und Shmatikov ja bereits bewiesen."

 

"Die derzeitigen Strategien gegen Datenraub können nicht mehr mit dem Tempo Schritt halten, in dem sich Facebook und andere Internetseiten zu globalen Netzwerken entwickeln."

 

http://www.faz.net/s/Rub2F3F4B59BC1F4E6F8AD8A246962CEBCD/Doc~E612B5C2877...

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Noch eine Aktualisierung. Facebook hat wohl eine Zweigstelle in Hamburg eröffnet. Herr Schaar und andere meinen, dadurch sei ein Tor zur Anwendung von deutschen Datenschutzrecht geöffnet. Siehe Artikel: Facebook comes under German law

Online: http://www.thelocal.de/sci-tech/20100220-25389.html

The internet social network Facebook can now face prosecution in Germany in the case of privacy violations, the country's data protection commissioner Peter Schaar confirmed Saturday.

Since Facebook had opened an office in Hamburg on February 11, Schaar said that the company was now subject to Germany's strict data protection laws, the federal government official told broadcaster Deutschlandradio.

Facebook has access to the personal data of its users, but up until now, those living in Germany have had no legal protection from the unwanted use of that information.

But Schaar emphasised that the "first responsibility" lay with Facebook users, and advised them to read the terms and conditions of the social network website

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