BAG gibt langjährige Rechtsprechung zu außerdienstlichen Verfehlungen von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes auf

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 09.02.2010

Arbeitnehmer, die im öffentlichen Dienst nicht mit hoheitlichen Tätigkeiten beschäftigt sind, treffen keine strengeren außerdienstlichen Verhaltenspflichten als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Das hat das BAG mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 10.9.2009 (2 AZR 257/08) entschieden. Damit gibt das Gericht seine langjährige gegenteilige Rechtsprechung auf. Unter der Geltung des BAT hatte es wiederholt erkannt, dass die Öffentlichkeit das Verhalten eines im öffentlichen Dienst Beschäftigten mit einem strengeren Maßstab messe als dasjenige privat Beschäftigter. Deshalb könne die dienstliche Verwendbarkeit hier leichter durch außerdienstliche Vorgänge beeinflusst werden (z.B. BAG, Urt. vom 8.6.2000 - 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282; 21.6.2001 - 2 AZR 325/00, NZA 2002, 1030). Mit der Ablösung des BAT durch den neuen TVöD seien diese unterschiedlichen Maßstäbe nun nicht mehr gerechtfertigt:

Diese Regelungen (gemeint sind § 8 Abs. 1 BAT und die inhaltsgleichen Bestimmungen des MTVArb - Verf.) wurden in die seit dem 1.10.2005 geltenden Tarifwerke des öffentlichen Dienstes nicht übernommen. Die Vorschrift des § 41 TVöD-BT-V hat den früheren Verhaltensmaßstab zumindest für die nicht hoheitlich tätigen Beschäftigten des Bundes und der Kommunen aufgegeben. Nach § 41 Satz 1 TVöD-BT-V ist nunmehr „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach Satz 2 der Bestimmung müssen sich Beschäftigte, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2007 § 41 BT-V Rn. 2; Bröhl ZTR 2006, 174, 175, 177). Die Vorgaben in § 3 TVöD-AT betreffen nur dienstliche Pflichten. Mit der Neuregelung haben sich die Tarifvertragsparteien insoweit von ihrer bisherigen Orientierung am Beamtenrecht entfernt und das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als eine „normale Leistungsaustauschbeziehung“ (Bredendiek/Fritz/Tewes ZTR 2005, 230, 237) ausgestaltet (so auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO; Bröhl aaO; aA offenbar weiterhin KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 451; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 591). Die Tarifvertragsparteien - und damit auch die Arbeitgeber - haben für die nicht hoheitlich tätigen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ersichtlich keine weitergehenden Verhaltenspflichten mehr begründen wollen als diese auch für die Beschäftigten in der Privatwirtschaft gelten. Sie sind in dieser Hinsicht die berufenen Sachwalter des öffentlichen Interesses. Darauf hat die Rechtsprechung Bedacht zu nehmen.

Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer als Arbeiter auf dem Bauhof der beklagten Stadt beschäftigt. Im November/Dezember 2005 saß er für etwa vier Wochen wegen des Vorwurfs mehrfacher Verstöße gegen das BtMG in Untersuchungshaft. Noch während des laufenden Strafverfahrens kündigte die Stadt das Arbeitsverhältnis fristgemäß (1. Kündigung). Später wurde der Kläger vom LG Detmold wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwanzig Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Daraufhin kündigte die Stadt das Arbeitsverhältnis erneut, diesmal fristlos (2. Kündigung). Das Arbeitsgericht Detmold hat durch Teilurteil die gegen die erste Kündigung gerichtete Klage abgewiesen (Urt. vom 30.1.2006 - 3 (1) Ca 313/06), das LAG Hamm (Urt. vom 19.4.2007 - 17 Sa 32/07) hat ihr stattgegeben. Die Revision der beklagten Stadt war erfolglos. Das Arbeitsgericht wird nunmehr über die Wirksamkeit der zweiten Kündigung zu entscheiden haben.

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1 Kommentar

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Sehr geehrter Herr Hoppenkamps,

die neue Rechtsprechung halte ich für völlig zutreffend und angesichts der Veränderungen im TVöD (und TV-L) gegenüber dem früheren BAT für konsequent. In Bezug auf innerdienstliche Pflichtverletzungen (bzw. den Verdacht hierauf) ist sie allerdings ohne Konsequenzen, denn hier hat das BAG schon bislang in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst - zu Recht - dieselben Maßstäbe angelegt.

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