Dunkle Wolken am Himmel der Abmahnindustrie

von Jan Spoenle, veröffentlicht am 09.02.2010

Steht das lukrative Geschäftsmodell mit Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen möglicherweise vor dem Aus? Ein entsprechendes Signal sendet jedenfalls das Amtsgericht Frankfurt/Main mit seinem Urteil vom 29.01.2010 (Az. 31 C 1078/09 – 78, abrufbar im Volltext bei RA Thomas Stadler). Ganz so "hart" wird es die ehrenwerte Gesellschaft der Tauschbörsenjäger zwar nicht treffen; immerhin ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Dennoch dürfte es künftig zumindest spürbar schwieriger werden, außergerichtliche Anwaltskosten für Abmahnungen gerichtlich geltend zu machen.

Doch der Reihe nach: Die manchen Beck-Blog-Lesern sicher bekannte Vorgeschichte umfasst eine aus dem Nähkästchen plaudernde taz-Autorin, eine verkaufsfördernde  Präsentation der Firma DigiRights Solutions GmbH sowie die Veröffentlichung eines verräterischen Telefaxes des Rechtsanwalts Dr. Kornmeier an englische Kollegen (mehr dazu bei RA Thomas Stadler). Schlussendlich war der Eindruck entstanden, dass die Abmahnindustrie auf einem No-Cost-Modell beruht: Der Auftraggeber (sic!), sprich Rechteinhaber oder -verwerter, wird nur für erfolgreiche Abmahnungen zur Kasse gebeten, zahlt also pauschal oder erst im Nachhinein und ausschließlich für den Erfolgsfall.

Das AG Frankfurt/Main hat diese Entwicklung in einem anhängigen Verfahren der Firma DigiProtect, vertreten durch RA Dr. Kornmeier, aufgegriffen und einen ersatzfähigen Schaden hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Firma DigiProtect verneint. Aufgrund des Bestreitens hinsichtlich eines Schadens in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus dem Streitwert von 10.000 Euro durch den abgemahnten Beklagten und durch die oben skizzierten Entwicklungen gestützte Behauptungen, es müsse eine abweichende Honorarvereinbarung geben, hatte die Klägerin ein Dokument vorgelegt, nachdem die von ihr beauftragten Rechtsanwälte auf Basis eines monatlichen Pauschalbetrags abrechnen, weil dies wirtschaftlicher sei. Demnach kann ein Schaden in Form einer unfreiwilligen Vermögenseinbuße nach Ansicht des AG Frankfurt/Main aber nur hinsichtlich des vereinbarten Pauschalbetrags entstanden sein. Zu dessen Höhe mangelte es jedoch an jedem Vortrag seitens der Klägerin – ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...

Auf das Ergebnis in der nächsten Instanz darf man sehr gespannt sein. Sollte das Urteil hingegen rechtskräftig werden, sind sicher umfangreiche Besprechungen nicht nur in IT-rechtlich orientierten Zeitschriften fällig.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Der Artikel suggeriert, dass Gerichte zuvor Leute
pauschal zu Schadenersatz verurteilt hätten, ohne dass ein Schaden
nachgewiesen zu werden brauchte. Das ist natürlich nicht so. Der Anspruch
auf Erstattung der Abmahnkosten ist ein SCHADENERSATZANSPRUCH. Dieser
ist gerichtet auf Ersatz der gesetzlichen Kosten, die der Abmahnende an
seinen Anwalt für die durchführung der Abmahnung zahlen muss.

Derjenige, dessen Rechte verletzt wurden, musste nämlich einen Anwalt
einschalten, um die Rechtsverletzung des Abgemahnten zu unterbinden.
Der in Form der Anwaltskosten vorliegende Schaden muss der Rechtsverletzer
ersetzen. Soweit, so einfach (und gerecht). Diesen Sachverhalt pauschal als
Abmahnindustrie zu bezeichnen, liegt total neben der Sache.

Des weiteren wird in dem Artikel tendenziös unterstellt, Abmahnungen seien
pauschal lukrative Maßnahmen, denen ein (rechtswidriges) Geschäftsmodell zu Grunde
läge. Auch das ist natürlich grob falsch. Abmahnungen entlasten in erster Linie die
Gerichte von vermeidbaren prozessen und dienen damit der außergerichtlichen
Streitklärung.

Wenn in dem der Berichterstattung zu Grunde liegenden Einzelfall Anwaltskosten
als Schadenersatz eingeklagt wurden, denen tatsächlich aber keine schuldrechtliche
Forderung des Anwalts in eben dieser Höhe zu Grunde lag, dann ist das schlicht
und ergreifend Prozessbetrug, wenn wahrheitswidrig eben dies im Prozess vom Kläger
behauptet wurde. In dem entschiedenen Fall hat das AG Frankfurt die Darstellung
der Klägerseite bezüglich der Honorarzahlung ausdrücklich für unbeachtlich gehalten,
und damit keine diesbezügliche Beweisaufnahme durchgeführt, weil die Klägerseite
unstreitig bereits ein niedrigeres Pauschalhonrar mit dem Anwalt getroffen hatte. Es
wäre danach Aufgabe des Klägers gewesen, den Anteil des vorliegenden Falls aus dieser
Pauschale herauszurechnen, um so den Schaden des Beklagten zu konkretisieren.
Das hat der Kläger jedoch unterlassen und ist nur deshalb mit seinem diesbezüglich
grundsätzlich berechtigten Ersatzanspruch gescheitert.
Des Weiteren muss beachtet werden, dass der Kläger seinen mit der Abmahnung verfolgten
Ersatzanspruch für die entgangenen Lizenzkosten zugesprochen bekam.

Total neben der Sache liegt also die Erwartung, dass sich hinsichtlich der Geltendmachung
des Schadensersatzanspruch zukünftig durch das genannte Urteil etwas ändern
wird. Wenn Gerichte in der Vergangenheit fehlerhaft Schadensersatz zugesprochen
haben sollten, so liegt das nicht an dem Instrument der Abmahnung.

 

Wahrheitswidrige Angaben im Prozess sind außerdem gewöhnliches kriminelles Verhalten.
Es rechtfertigt aber in keinem Fall die dargebrachte entstellende Berichterstattung,
die in
unseriöser Weise das Instrument der Abmahnung als auch die Abmahnenden
und ihre Anwälte in ein schlechtes Licht rückt. Das ist insbesondere
deshalb inakzeptabel, weil der Abmahnende das Opfer der Rechtsverletzung ist
und der Schadensersatz nur bei berechtigten Abmahnungen zu zahlen ist.


0

Kommentar hinzufügen