Guantanamo: Soll Deutschland Obama helfen, sein Wahlversprechen zu halten?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.02.2010

Eines der ersten Wahlversprechen Obamas war es, Guantanamo binnen Jahresfrist zu schließen. Zwar wurden inzwischen einige Gefangene entlassen, doch 192 Gefangene sitzen dort immer noch ein, seit mittlerweile etwa acht Jahren ohne Gerichtsverhandlung, ohne Verurteilung. Es handelt sich keineswegs durchgängig um "Terroristen", denen man nur nichts nachweisen kann, sondern auch um Menschen, die man auf dem Kriegsschauplatz in Afganistan aufgegriffen hat, teilweise um Menschen, die von anderen gegen Belohnung denunziert wurden etc. Ca. die Hälfte der 192 Gefangenen (ständig aktualisierte Datenbank der New York Times) gelten als unschuldig und könnten entlassen werden. 45 können aber nicht in ihr Heimatland entlassen werden, weil ihnen dort Verfolgung droht. Bisher sind 15 Gefangene nach Europa entlassen worden und führen hier ein "normales Leben", wie es heißt (taz-Bericht von Ulrike Winkelmann).

Nachdem Deutschland im letzten Jahr ablehnte, Uiguren aufzunehmen (Diskussion dazu hier im Blog), wird jetzt erneut die Frage gestellt, ob Deutschland bereit ist, Gefangene aus Guantanamo aufzunehmen, dies fordern jedenfalls Vertreter internationaler Menschenrechtsorganisationen.

Eigentlich ist natürlich die USA für diese Gefangenen verantwortlich und müsste sie aufnehmen. Jedoch weigern sich offenbar die US-Bundesstaaten, teilweise mit irrationalen Argumenten und Angst vor Wählerstimmenverlust.

Einen Grund für Deutschland, die Gefangenen aus humanitären Gründen aufzunehmen, sehe ich in der Beteiligung am Afghanistan-Krieg. Deutschland hat sich hier aus Solidarität mit den USA von Anfang an engagiert. Sollte das nicht ein Anlass sein, auch die humanitären "Kollateralschäden", die die USA hier angerichtet haben, mitzutragen?

 

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3 Kommentare

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Seit dem 11. September 2001 wurden überall auf der Welt Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien im Namen der Terrorbekämpfung abgebaut. Diesen Verfall gilt es dringend aufzuhalten oder besser noch zurückzunehmen. Es gibt wohl kein größeres Symbol für dieses Unrecht als Guantanamo, die Schließung wäre schon wegen ihrer Signalwirkung der wichtigste Schritt der Umkehr. Dafür verdient Obama meiner Meinung nach Unterstützung.

Es ist nicht so zielführend zu fragen, wie man in diese Situation hineingekommen ist oder wer korrekterweise dafür verantwortlich ist, wichtiger ist es, da wieder herauszukommen und dies möglichst schnell, denn jeder Tag, an dem Unschuldige in Haft sitzen, ist ein Tag zuviel. Eine gewisse Verantwortung zur Verbesserung der Menschenrechtssituation weltweit lässt sich nicht zuletzt auch aus Art. 1 herleiten, durch die Solidarität mit den USA wiegt diese Verantwortung um so schwerer.

Schließlich sollte man auch nicht vergessen, dass ein Mensch, der einmal den Entschluss gefasst hat, einen Terroranschlag zu begehen und dabei sein eigenes Leben zu opfern nur mit sehr viel Glück noch aufzuhalten ist. Kein Glück hingegen erfordert es, schon vorher anzusetzen, ihm einen Grund weniger für diesen Entschluss zu geben. Dass die bloße Existenz von Guantanamo mit dazu beigetragen hat, das sich Menschen für  den Terrorismus entschieden haben, wurde schon mehrfach berichtet. Eine Welt ohne Guantanamo wäre nicht nur eine bessere, sondern auch eine sicherere Welt.

 

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Ich stimme Rochus Wessels zu. Zumal ich es für scheinheilig halte, etwas anzuprangern und abschaffen zu wollen, gleichzeitig dafür aber nicht selbst einstehen zu wollen.

Ich würde Deutschland in der Pflicht sehen, würde es sich bei der Aufnahme von ehemaligen Gefangenen um eine logisitsche und nicht eine politische Bedingung für die Schließung Guantanamos handeln. Da sich im Moment der Schließung die Frage nach dem Verbleib der politisch verfolgten Häftlinge gar nicht stellt, sondern die Vereinigten Staaten wohl von ihrer Justiz in die Verantwortung genommen würden, geht es originär gerade nicht um die Aufnahme von in Deutschland Asylsuchenden. Vielmehr würden den USA dort Asylsuchende und Asylberechtigte abgenommen, allein aus dem Grund, dass in den Staaten die Gewährung des Asyl politisch nicht erwünscht ist. Dieses politische Hemmnis ist Fortsetzung der Unrechtsneigung, die hinter Guantanamo steht, auf moderaterem Niveau (und wäre auch in Deutschland zu kritisieren, wäre man durch einen Asylsuchenden unmitelbar und nicht nur diplomatisch angesprochen).

Auch aus der deutschen Beteiligung am Afghanistankrieg vermag ich keine Pflicht abzuleiten, hierzu Beihife zu leisten, nur um eine Supermacht einigermaßen zu resozialisieren. Ich meine zudem, dass diese Antriebsschwäche überwunden werden kann, wenn Obama die Zeit davonläuft. So knapp sind demokratisch dominierte Bundesstaaten auch wieder nicht.

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