Nachgefärbt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.03.2010

Er stammt von der Elfenbeinküste und ist dunkelhäutig. Sie ist hellhäutige Deutsche und bekam am 12.10.2000 eine Tochter, für die er die Vaterschaft anerkannte. 2002 gebar sie einen Sohn, auch für ihn erkannte er die Vaterschaft an.

Er erhob im Oktober 2008 Vaterschaftsanfechtungsklage gegen das Mädchen mit der Begründung, seine Kinder seit seinem Umzug nach ... zwar ein- bis zweimal im Jahr gesehen zu haben, aber erst im Juni 2008 von der Kindesmutter erfahren zu haben, dass die Tochter wahrscheinlich von einem anderen Mann abstamme. Daraufhin habe er im August 2008 einen Vaterschaftstest machen lassen, nach dessen Ergebnis er nicht der biologische Vater der Beklagten sei.

 

Das AG wies die Klage wegen Versäumung der zweijährigen Anfechtungsfrist ab. Das ThürOLG versagte dem Kläger für die Berufung die Prozesskostenhilfe. Der Senat führte u.a. aus:

Hinzu kommt das Erscheinungsbild der Beklagten, nach dem - wovon der Senat sich nach den eingereichten Lichtbildern überzeugen konnte - nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Elternteil Schwarzafrikaner ist, während dies bei dem weiteren Sohn O. K. offensichtlich ist. Der Vortrag des Klägers, er sei als Sohn schwarzer Eltern selbst bei seiner Geburt hellhäutig gewesen, steht der Tatsache nicht entgegen, dass der Kläger einige Zeit nach der Geburt V.s erkennen konnte, dass diese nicht mehr „nachfärben“ würde. Nach den Recherchen des Senates mag es schon vorgekommen sein, dass Kinder, bei denen ein Elternteil eine schwarze Hautfarbe hat, bei der Geburt heller erscheinen als später. Dieses behauptete Phänomen ist jedoch spätestens nach einigen Lebenswochen abgeschlossen. Der Kläger hat Vl unstreitig an Weihnachten in den Jahren 2002, 2003 und 2004 gesehen. 2004 war die Beklagte bereits vier Jahre alt; der Kläger behauptet selber nicht und tritt hierfür auch keinen Beweis an, dass in diesem Alter noch von einer Veränderung der Hautfarbe ausgegangen werden könne. Wenn der Kläger bis 2007, mithin zu einem Alter des Kindes von sieben Jahren, angeblich keinen Verdacht geschöpft hat und weiterhin davon ausgegangen sei, dass V. noch „nachfärbe“, wie er sich einlässt, und aus den vorgenannten Umständen nicht der Schluss auf eine mögliche Abstammung der Beklagten von einem anderen Mann gezogen hat, ist dies unerheblich. Entscheidend ist, dass er diesen Schluss aufgrund der ihm bekannten objektiven Umstände hätte ziehen können.

ThürOLG BeckRS 2010 03613

 

 

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4 Kommentare

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Diese Lichtbilder würde ich nur zu gerne mal sehen. Die Schlussfolgerungen des Gerichts widersprechen jedenfalls meiner eigenen Erfahrung. Ich bin selbst Vater so einer hellhäutigen "Mischlingstochter". Nicht blond und blauäugig (das war die Beklagte wahrscheinlich auch nicht, sondern würde niemand von "nachfärben" reden), sie würde aber m. E. trotz zwischenzeitlich stattgefunden "Nachfärbens" noch als kleine Süditalienerin durchgehen. Die Vaterschaftsfrage stellt sich zum Glück nicht, weil nicht ich, sondern die Mutter aus Schwarzafrika stammt. Wenn Fremde uns sehen, denken sie immer, meine Frau wäre das Kindermädchen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass sie die Mutter ist. Wir sind uns aber 100%ig sicher, dass unsere Tochter nicht in der Klinik vertauscht wurde :-)

Bedenklich finde ich auch, wenn Richter aus Thüringen (nicht gerade bekannt für eine Vielzahl an "Mischehen") meinen, ohne Hinzuziehung eines erbbiologischen Gutachters, nur aufgrund ihrer persönlichen Lebenserfahrung und von "Recherchen" beurteilen zu können, wie die objektiven Umstände korrekt zu beurteilen sind. Ich selbst würde mir das nicht zutrauen. War da nicht mal was mit dominanter und rezessiver Vererbung von Merkmalen?

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Meinem Vorredner kann ich nur zustimmen. Hinzu kommt: Genetische Defekte mit Melaninmangel (Albinos) kommen gerade bei Schwarzen häufig vor. Es sind sogar Fälle von Zwillingen bekannt, von denen der eine schwarz, der andere aber weiß ist. Insofern ist es dem Vater nicht zum Vorwurf zu machen, dass er aufgrund der Hautfarbe nicht hinreichend misstrauisch wurde. Jedenfalls hätte das Gericht nicht ohne fachmedizinischen Rat entscheiden dürfen.

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Man kann von Richtern nicht erwarten, dass sie Fachkenntnisse eines Hautarztes oder eines Wissenschaftlers für Genetik verfügen.

Da muss der Antragsteller schon von sich aus etwas beibringen.

Schließlich wollte er etwas (Prozesskostenhilfe) und muss dementsprechend auch die Belege beibringen.

Oder wurde das in den letzten Stunden grundlegend verändert ?

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@Tourix
Bei Familiensachen gilt m.E. der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Prozeßkostenhilfe wurde erst vor dem Berufungsgericht abgelehnt; es wäre interessanter, wie das Familiengericht seine Urteil begründet hatte.

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