Kündigung im Fall "Essensmarke" unwirksam

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.05.2010

Die kontroverse Diskussion (hierzu zuletzt Preis, AuR 2010, 186) um die Kündigung wegen von Arbeitnehmern begangener Bagatelldelikte spiegelt sich zahlreichen Urteilen der Instanzgerichte. Ein Fall, über den hier bereits berichtet worden ist (siehe Blog-Beitrag vom 15.2.2010) und der auch in den Medien starke Beachtung gefunden hatte, ist nun mit einem Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen (vom 11.5.2010, 2 Ca 601/09) in erster Instanz zu einem (vielleicht nur vorläufigen) Abschluß gebracht worden. Dem 35-jährigen Sachbearbeiter eines schwäbischen Sportbekleidungsherstellers war gekündigt worden, nachdem er nachweislich eine ihm von einem Arbeitskollegen überlassene und auf dessen Namen ausgestellte Essensmarke im Wert von 80 Cent für die Bezahlung des Mittagessens seiner Lebensgefährtin eingesetzt hatte. Das Arbeitsgericht Reutlingen hat die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt. Zwar habe der Kläger bewusst gegen das Verbot verstoßen, Essensmarken anderen Personen zu übertragen, um sich einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil zu verschaffen. Er habe jedoch nicht planmäßig mit der Absicht gehandelt, das Vermögen des Arbeitgebers zu schädigen. Vor diesem Hintergrund habe es trotz der erheblichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers einer vorherigen Abmahnung bedurft. Der Vorsitzende Richter wird mit den Worten zitiert: "Zweck der Kündigung ist ja nicht die Sanktion, sondern sie soll zukünftige Vertragsverletzungen verhindern." Der unterlegene Sportbekleidungshersteller überlegt nunmehr, ob der er gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen soll. Ein grundsätzliche Stellungnahme zur Problematik der Bagatellkündigungen wird bereits zuvor vom BAG in Sachen Emmely erwartet (Verhandlungstermin: 10.6.2010).

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