Wo soll gegen Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz ermittelt und verhandelt werden?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 13.05.2010

Um mehr Rechtssicherheit zu erreichen, hatten sich bereits im Koalitionsvertrag die Regierungsparteien darauf geeinigt, Ermittlungen und Prozesse gegen Bundeswehrsoldaten bei einer "besonderen Auslandsverwendung" künftig örtlich und personell in Leipzig mit einem " einheitlichen Gerichtsstand" zu bündeln (und eben nicht am jeweiligen Wohn-oder Heimatsstandort). So sieht es jetzt auch ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz vor. Ausgenommen sollen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch sein, für die nach wie vor der Generalbundesanwalt zuständig sein soll. 

Dem hat der Ministerpräsident des Saarlandes mit dem Vorschlag widersprochen, die Verfahren vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe führen zu lassen mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe als einheitlich zuständigem Gericht. Dafür spricht nicht zwar zwingend, dass Spezialkenntnisse der militärischen Abläufe und Strukturen wichtige Kriterien bilden, weil sich die Gerichte nicht selten in Spezialmaterien einarbeiten müssen, ohne dass gleich der Ruf nach einem "Sondergerichtsstand" laut wird. Wegen der nicht selten vorkommenden Überschneidung mit den völkerstrafrechtlichen Tatbeständen und auch den besseren Ermittlungsmöglichkeiten der Bundesanwaltschaft, erscheint mir der Gegenvorschlag die bessere Lösung.

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Die Redaktion beck-aktuell fasst die Argumente des Deutschen Richterbundes gegen die gerichtliche Sonderzuständigkeit zur Ahndung von Auslandstraftaten deutscher Soldaten wie folgt zusammen:

Bisherige StPO-Regelungen ausreichend

Die bisher in Deutschland anhängigen Ermittlungsverfahren hätten bereits unter den derzeitigen Regelungen der StPO sachgerecht bewältigt werden können, so der DRB. Es sei damit zu rechnen, dass sich die schon bisher sachgerechte Behandlung der Ermittlungsverfahren durch die Justiz im Falle einer Anklageerhebung bei den derzeit nach der StPO zuständigen Gerichten fortsetzen werde.

Eingriff in Strafverfolgungskompetent der Länder

Der DRB hat verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine Zuständigkeitskonzentration bei einem Gerichtsstand im Wege einer einfachgesetzlichen Regelung in der StPO möglich ist. Der in dem Referentenentwurf vorgeschlagene § 11a StPO-E führe im Ergebnis dazu, dass in die justiziellen Kompetenzen der Länder eingegriffen werde, deren Gerichte und Staatsanwaltschaften ohne § 11a StPO-E zumindest für die Verfolgung von Straftaten, die von Soldaten der Bundeswehr begangen werden, derzeit und aufgrund der bereits bestehenden Regelungen über die Gerichtsstände zuständig wären. Dadurch würde in derzeit bei den Ländern liegende Strafverfolgungskompetenzen in einem Teilbereich eingegriffen.

Verfassungsrechtliche Bedenken auch mit Blick auf Art. 96 Abs. 2 GG 

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach Ansicht des Richterbundes zudem hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 96 Abs. 2 GG. § 11a StPO-E knüpfe in Bezug auf Taten von Soldaten der Bundeswehr an zwei Voraussetzungen an: Zum einen an eine Eigenschaft des Täters und zum anderen an die Auslandsverwendung. Letzteres bedeute, dass es sich um im Ausland begangene Straftaten handeln müsse. Wie aus der Begründung des Gesetzentwurfs ersichtlich, seien die die Konzentration begründenden Umstände in erster Linie «die Besonderheiten des Verfahrens, an denen Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beteiligt sind». Justizseitig solle diesen Besonderheiten mit der Verschaffung von speziellen Erfahrungen bei der «Kenntnis der militärischen Abläufe und Strukturen sowie der rechtlichen und konkreten Rahmenbedingungen der besonderen Auslandsverwendung» entsprochen werden. Zudem solle der Gerichtsstand auf Fälle des Auslandseinsatzes beschränkt sein, «weil in diesen Fällen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in besonderer Weise auf eine zügige Erledigung der sie betreffenden Strafverfahren angewiesen sind.»

Umgehung des Art. 96 Abs. 2 GG

Diese Begründung erscheint dem DRB verfassungsrechtlich bedenklich, da die so begründete gerichtliche Zuständigkeit eine Umgehung des Art. 96 Abs. 2 GG darstellen dürfte. Art. 96 GG dürfte eine spezielle Zuständigkeitszuweisung von (selbst nur einem ausschnitthaften Bereich von) Straftaten im Zusammenhang mit der Eigenschaft des Tatverdächtigen als Soldat außerhalb von Wehrstrafgerichten ausschließen. Der Hinweis auf § 10a StPO verfange nicht, weil es in den Fällen des § 10a StPO an einem inländischen Gerichtsstand fehle. Dies sei jedoch derzeit in den Fällen des § 11a StPO-E, in denen es sich um die Verfolgung von Straftaten von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr handle, nicht der Fall. In diesen Fällen bestünden heute inländische Gerichtsstände, so der DRB.

Bildung von Spezialkenntnissen bei Richtern kaum zu erwarten

Soweit sich der Gesetzentwurf die Verschaffung der für erforderlich gehaltenen besonderen Kenntnisse bei den Gerichten durch die Bestimmung Leipzigs als Gerichtsstand verspricht, weist der DRB in seiner Stellungnahme zudem darauf hin, dass auch an diesem Gerichtsstand wiederum mehrere Gerichte und Kammern mit den Verfahren gegen die Soldaten befasst sein könnten. Eine Spezialisierung der Richter werde auch unter diesen Bedingungen und unter besonderer Berücksichtigung der geringen Fallzahlen kaum zu erwarten sein. Für die Dezernatsverteilung innerhalb der Gerichte seien ausschließlich die Gerichtspräsidien in eigener Verantwortung als Ausdruck der richterlichen Unabhängigkeit zuständig. Gegen die Neufassung des § 143 Abs. 1 GVG hat der DRB indes nach überschlägiger Prüfung keine Bedenken.

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