BGH: Zurücknahme eines Rechtsmittels im Fall einer Verständigung - Eine sehr wichtige Hilfestellung für die Praxis!

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 21.05.2010

Das am 4.8.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren in Folge der Grundsatzentscheidung BGHSt 50, 40 = BGH NJW 2005, 1440 mit dem neuen § 257c StPO war m.E. das wichtigste strafrechtliche Gesetz der vergangenen Legislaturperiode. Dabei hat der Gesetzgeber aber nicht nur die bisherige höchstrichterlichene Rechtsprechung zu den Absprachen umgesetzt, sondern ist darüber hinausgegangen, etwa mit § 302 Abs. 1 S. 2 StPO, der im Fall einer Verständigung einen Rechtsmittelverzicht verbietet. Diese gesetzliche Regelung steht allerdings im Widerspruch zur Praxis, wonach bei einer Verständigung ein zentraler Punkt gerade auch die Erwartung ist, das ausgehandelte Ergebnis werde rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 14.4.2010 - 1 StR 64/10 - hat der 1. Strafsenat des BGH es nun für zulässig gehalten, dass die Rücknahme des Rechtsmittels grundsätzlich auch noch vor Ablauf seiner Frist zur Einlegung wirksam erfolgen kann, wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist - vorausgesetzt allerdings, dass auf die Entscheidung, das Rechtsmittel zunächst einzulegen und dann zurückzunehmen, das Gericht in keiner Weise Einfluss genommen hat und dieses Vorgehen auch nicht Inhalt der Verständigung war; denn in einem solchen Fall läge eine Umgehung des § 302 Abs. 1 S. 2 StPO nahe mit der Folge der Unwirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme.

Mit dieser Entscheidung wird die Praxis jetzt gut leben können, zumal damit eine nicht verständliche Entscheidung des Gesetzgebers auf das "vernünftige Maß" zurückgeführt werden kann. Die Subjektstellung des Angeklagten erfordert, dass er Einfluss auf das Verfahren und auch auf das Ergebnis nehmen können muss; diese Subjektstellung wird durch den Weg, den die Entscheidung aufzeigt, nicht tangiert. 

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