Rechtssicherheit, Einwendungsausschluss und örtliche Praxis

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 19.06.2010

Bei seiner ersten verbindlichen Äußerung zum Einwendungsausschluss hatte der BGH den Zweck des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB in den Vordergrund gestellt, nämlich die Rechtssicherheit (vgl. BGH v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, NJW 2008, 283). Dies sollte bereits den Ausschluss von Einwendungen rechtfertigen, die die Schlüssigkeit der Abrechnung wie z.B. die Umlagefähigkeit als solche betreffen. Im Hinblick darauf können Klagen, die auf eine unschlüssige Nebenkostenabrechnung (weil sie nicht umlagefähige Positionen enthält) gestützt werden, mit Ablauf der Einwendungsfrist sogar den Erlass eines Versäumnisurteils rechtfertigen (als Referendar stelle man sich das Chaos in der Klägerstation vor: bis zum Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB ermittelt man wegen des Schweigens des Mieters die Voraussetzungen eines unechten Versäumnisurteils; danach – oh Wunder – fällt die Schlüssigkeit vom Himmel – allerdings lässt sich der Ablauf der Frist rechtssicher feststellen).

Die Rechtssicherheit geht aber noch viel weiter: sie gebietet es, eine Einwendung in jedem Jahr ausdrücklich und eindeutig zu wiederholen (BGH v. 12.5.2010 – VIII ZR 185/09). Im konkreten Fall hatte der Mieter gegenüber den Abrechnungen 2003 und 2004 ausdrücklich gerügt, dass die in den Abrechnungen angesetzte Grundsteuer mangels Vereinbarung nicht umlagefähig sei. Gegenüber der Abrechnung 2005 hatte der Mieter die Rüge nicht mehr ausdrücklich wiederholt, sondern einfach den von ihm errechneten Nachzahlungsbetrag (ohne Grundsteuer) an den Vermieter gezahlt. Die Nachforderungen aus den Jahren 2003 und 2004 wurden nicht, die aus dem Jahre 2005 wurde dem Vermieter zugesprochen. Maßgebliches Argument: es sei dem Mieter zumutbar, seine Argumente jährlich zu wiederholen und in der gegebenen Situation sei es nicht ungewöhnlich, dass eine der Parteien nicht weiter auf ihrem Standpunkt beharrt, so dass allein in der Teilzahlung jedenfalls keine eindeutige Wiederholung der Einwendung zu sehen sei.

Der Zumutbarkeitsgesichtspunkt ist sicher zutreffend. Das Argument des Umfallers macht mir aber Probleme: in über zwanzig Jahren Bearbeitung mietrechtlicher Fälle, insbesondere aus dem Bereich der Betriebskosten, habe ich es noch nicht ein Mal erlebt, dass ein Mieter seine Einwendungen, die er gegenüber einer Abrechnung erhoben hat, gegenüber nachfolgenden Abrechnungen hat fallen lassen, bevor er durch ein Gericht (rechtskräftig) beschieden wurde.

Selbst danach …, und zwar mit und ohne rechtliche Beratung.

Offensichtlich kennt man in Karlsruhe nicht den Palandt-lesenden Lehrer. Oder ist das ein Problem unterschiedlicher örtlicher Praxis?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen