Sind Hausverloser "gewerbsmäßige Betrüger mit hoher krimineller Energie"? - Zum Strafurteil des LG München I

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 22.06.2010

Dass der Münchner Hausverloser im Strafverfahren vor dem Landgericht München I aufgrund der Veranstaltung einer unerlaubten Ausspielung verurteilt worden ist (Urteil vom 29.03.2010; Az.: 5 KLs 382 Js 35199/09), mutet angesichts der ursprünglichen Ausgestaltung des Spielkonzeptes und der restriktiven Rechtslage in Deutschland wenig überraschend an. Dies muss selbst dann gelten, wenn der Veranstalter - wie hier - auf eine behördliche Untersagung unverzüglich reagiert und daraufhin sein Spielkonzept in ein legales "Quiz-Gewinnspiel" umgestaltet, um allen Teilnehmern die Gewinnchance auf sein Haus zu erhalten.

Den Münchner Bürger, der sein Hausgrundstück auf eine unkonventionelle Weise veräußern wollte, wie sie indes in anderen europäischen Staaten vollkommen legal ist, zu einem "gewerbsmäßigen Betrüger" abzustempeln, der zudem mit hoher krimineller Energie gehandelt haben soll, bedarf freilich der näheren Betrachtung. Insoweit wäre von dem Strafgericht zu erwarten gewesen, bei der Begründung der Tatbestandsverwirklichung zumindest eine ähnliche Energie aufzuwenden, wie sie dem Angeklagten im Hinblick auf den verwirklichten kriminellen Unrechtsgehalt unterstellt worden ist.

Insoweit erschöpft sich aber schon die Begründung der für § 263 StGB stets erforderlichen "Täuschungshandlung" und der "Irrtumserregung" in folgenden Ausführungen des Gerichts:

"Der Angeklagte täuschte die Mitspieler darüber, dass eine Verlosung der Preise, insbesondere des Hausgrundstücks, entsprechend seines Spielplans durchgeführt werden könne und dass dem rechtliche Bedenken nicht entgegenstehen. In den Teilnahmebedingungen war daher auch kein Hinweis enthalten, dass das Spiel durch ein anderes (ohne Verlosung) ersetzt werden könne.

Auf Grund der Täuschung irrten die Mitspieler darüber, dass tatsächlich letztlich eine Verlosung stattfinden werde und zahlten jeweils das erforderlich Entgelt von € 19,00 pro Spielbeteiligung, was sie bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht getan hätten. Die Spieler sind, da die vom Angeklagten vorgetäuschte Gewinnchance auf Grund des bevorstehenden Eingreifens der Behörden in Wirklichkeit nicht bestand, jeweils um diesen Betrag geschädigt. Das Gericht ist sowohl auf Grund der [...] beschriebenen Angaben der vernommenen Mitspieler als auch anhand allgemeiner Lebenserfahrung überzeugt, dass die Spieler, die ihren Einsatz schließlich nicht verschenken sondern ein Los erwerben wollten, in Kenntnis der wahren Umstände nicht gezahlt hätten".

Diese Begründung hält meines Erachtens freilich grundlegenden strafrechtlichen Auslegungsanforderungen des § 263 StGB nicht Stand. Gegenstand einer Täuschung können nach allg. Meinung lediglich Tatsachen, also lediglich gegenwärtige oder vergangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse sein. Die Darlegung von Rechtsausführungen einschließlich der rechtlichen Wertung, es handele sich um ein zulässiges Gewinnspiel, ist nach allg. Meinung schon keine tatbestandsrelevante Tatsachenerklärung (vgl. z.B. OLG Frankfurt NJW 1996, 2172 f.; Fischer, StGB – Kommentar, 57. Aufl. § 263 Rn. 9). Auch der in der Zukunft liegende Umstand, ob ein Gewinnspiel "künftig" tatsächlich in der ursprünglich konzipierten Form durchgeführt werden kann, kann nicht Gegenstand einer Täuschung sein. Entscheidend ist indes, dass der angeklagte Veranstalter über alle Tatsachen und sämtliche Spielbedingungen zutreffend auf seiner Internetseite aufgeklärt hatte.

Die Denkweise der 5. Strafkammer des LG München lässt sich anhand folgenden Beispiels ad absurdum führen: "Dieb A bietet über das Internet ein Auto zum Verkauf an, wobei er offenlegt, dass er den PKW von seinem Nachbarn entwendet hat, den Verkauf aber dennoch für zulässig erachtet." Nach der Auslegung des LG München I würde der Hehler, der daraufhin den Wagen kauft, zum Betrugsopfer avancieren. Obwohl Dieb A alle Tatsachen offengelegt hat, würde es heißen:  "Der Angeklagte Dieb A täuschte die Internetnutzer und den Käufer darüber, dass ein Verkauf des Diebesgutes tatsächlich durchgeführt werden könne...".

Auch die weiteren Merkmale des § 263 StGB werden von der Straflkammer nicht hinreichend subsumiert. Dies gilt im Übrigen auch für den erforderlichen Vorsatz, der in dem vorliegenden Fall vor allem deshalb zweifelhaft erscheint, weil der Veranstalter sich proaktiv um die rechtliche Klärung der Zulässigkeit seines Spielangebotes mit den Glücksspielbehörden und unter Konsultation von Rechtsanwaltskanzleien bemüht hatte. Auf eine behördliche Untersagung hatte der Angeklagte zudem sofort mit einer Umgestaltung und Fortführung des Spiels unter zulässigen "Quiz"-Bedingungen reagiert, um den Teilnehmern ihre Gewinnchance zu erhalten. Nach Vorsatz im Bezug auf die Tatbestandsmerkmale der Täuschung, der irrtumsbedingten Vermögensverfügung und des Vermögensschadens klingt dies bei (rechtlich und glücksspielpolitisch) unvoreingenommener Betrachtung selbst dann nicht, wenn der Veranstalter zwischenzeitlich Teile der eingenommenen Teilnahmeentgelte von seinen Konten abhebt.

Vor diesem Hintergrund kann man insgesamt freilich nachvollziehen, dass die Veranstaltung einer ungenehmigten Ausspielung ein Verwaltungsunrecht darstellt, welches in Deutschland zudem mit moderaten Strafdrohungen in §§ 284 ff. StGB zusätzlich sanktioniert wird. Darüber hinaus mit mangelhaften und konstruiert wirkenden Begründungen einen Bürger, der schlicht sein Haus entäußern wollte, mit vielfachem Betrug in besonders schweren Fällen zu stigmatisieren, ist kritisch zu hinterfragen. Meines Erachtens dürfte daher die bereits eingelegte Revision insoweit zu einem Freispruch führen.

Das Urteil des LG München I vom 29.03.2010; Az.: 5 KLs 382 Js 35199/09 im Volltext.

 

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6 Kommentare

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Berufung gegen ein strafrechtliches Urteil eines Landgerichts? Sie meinen wohl Revision.

In der Sache haben Sie natürlich recht. Auch ich vermag den Betrug nicht zu erkennen.

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Die Täuschung liegt mE darin, dass über die alleine dem Veranstalter bekannte Situation nicht aufgeklärt wurde, dass mehrfach eine Genehmigung bzw. ein "Freifahrschein" nicht erteilt wurde und das Risiko behördlichen Einschreitens bestand . Dass auf diese Vorgeschichte in den Teilnahmebedingungen eingegangen worden wäre, steht im Urteil eben nicht.

Dem Passus im Blogbeitrag, "Auch der in der Zukunft liegende Umstand, ob ein Gewinnspiel "künftig" tatsächlich in der ursprünglich konzipierten Form durchgeführt werden kann, kann nicht Gegenstand einer Täuschung sein." kann man schlichtweg nicht folgen. Denn selbstverständlich können auch in der Zukunft liegende Umstände aufgrund einer zum Zeitpunkt der Täuschungshandlung zu treffenden Prognoseentscheidung Gegenstand einer Täuschung sein. Das ist beispielsweise beim Lieferantenbetrug völlig herrschende Meinung und in der Gerichtspraxis gang und gäbe. Wer über seine im (zukünftigen) Zeitpunkt der Fälligkeit der Lieferantenforderung bestehende Zahlungsfähigkeit täuscht, weil er weiß, dass ihm beispielsweise im Zeitpunkt der Bestellung die Kreditkündigung durch die Bank angedroht wurde und er auch sonst nicht mit dem Eingang ausreichender liquider Mittel rechnen kann, täuscht.

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@klabautermann: Gehen Sie von einer Täuschung durch Unterlassen aus? Denn nur wenn eine proaktive Garantenpflicht des Spielveranstalters zur Aufklärung der Teilnehmer über Kommunikation mit Behörden bestanden hätte, könnte man diese meines Erachtens bejahen. Woraus würden Sie eine entsprechende Garantenpflicht ableiten? - Das Gericht hat freilich eine Unterlassenskonstruktion nicht angenommen. Mit anderen Worten: Wenn Sie auf das "Nichteingehen auf die Vorgeschichte in den Teilnahmebedingungen" abstellen, genügt das Urteil der Begründungspflicht einer Täuschungshandlung mE ebensowenig, da Nichterklärung oder "Schweigen" nur bei Garantenpflicht zur Erklärung als Tathandlung iS.d. § 13 StGB hinreichen würde. Insoweit finden sich im Urteil aber aus meiner Sicht keine Ausführungen.

Unser Fall ist meines Erachtens auch nicht mit dem Lieferantenbetrug und der Situation des sicheren Wissens der späteren Zahlungsunfähigkeit vergleichbar. Denn vorliegend durfte das Gericht nicht unterstellen, dass der Veranstalter sicher mit einem endgültigen Spielabbruch rechnen musste. Vielmehr hatte der Veranstalter stets (zumindest als "fall back") geplant, das Spiel - auch im Falle einer behördlichen Untersagung - als zulässiges Quiz-Gewinnspiel fortzusetzen, um den Teilnehmern die erkaufte Gewinnchance auf das Haus zu erhalten. Dies hat er nach Feststellung des Gerichts auch getan. Gerade vor diesem Hintergrund ist - wie ausgeführt - auch die Annahme entsprechenden Tatvorsatzes aus meiner Sicht eher abwegig. Herzlichen Dank für Ihren Diskussionsbeitrag und Beste Grüße!

Naja, revisionsrechtlich ist nicht erforderlich, dass das LG rechtlich zutreffend argumentiert, wenn die Feststellungen die Verurteilung tragen. Deshalb ist auch (mit Ausnahme der fehlenden Erörterung einer Strafrahmenverschiebung nach § 13 II, 49 I) der Schuldspruch haltbar, wenn man von einer Täuschung durch Unterlassen (und Vorliegen der weiteren TB-Merkmale) ausgehen würde. 

Auch ist nicht erforderlich, dass sicheres Wissen um ein drohendes behördliches Eingreifen vorliegt. Mit Ausnahme der Bereicherungsabsicht genügt beim Betrugstatbestand (obiges Beispiel: Zahlungsunfähigkeit im Fälligkeitszeitpunkt) bedingter Vorsatz, d.h. Erkennen der Möglichkeit und Sichabfinden damit, dass die versprochene Gewinnchance in der Glücksspielvariante nicht besteht.

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Weil's zum Thema gehört:

Die Einordnung als Gewinnspiel/Glücksspiel bei Hausverlosung:

1. Angebote im Internet (hier Hausgewinnspiel) stellen ein dem Rundfunk vergleichbares Telemedium dar, auf welches § 8a RStV Anwendung findet.*)
2. Bei einem Angebot auf einer Internet-Homepage an Nutzerinnen/Nutzer, nach Zahlung einer Teilnahmegebühr an Quizfragen teilzunehmen, um bei richtiger Beantwortung ein Haus oder einen Warenpreis gewinnen zu können, handelt es sich um ein Gewinnspiel.*)
VG Münster, Beschluss vom 14.06.2010 - 1 L 155/10

 

 

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Auch wenn es der Revisionsinstanz egal sein könnte, ob die Vorinstanz rechtlich sauber argumentiert hat: Jedenfalls im Rechts-Blog würde ich eine Diskussion darüber schon für sinnvoll und zulässig halten, ob Gewinnspiel-Internetveranstaltern einer strafrechtlichen Garanten-Aufklärungspflicht über Behördenkorrespondenz im Vorfeld zukommt. Dies müsste ja auch die Revisionsinstanz rechtlich begründen. Meines Erachtens lässt sich eine solche Garantenpflicht kaum herleiten.

Danke für den sehr guten Hinweis auf den Beschluss des VG Münster, der freilich aus meiner Sicht noch weiter nahelegt, dass der Veranstalter im Strafprozessfall eher davon ausgehen durfte und auch ausgegangen ist, sein Gewinnspiel legal fortsetzen und allen Teilnehmern die Gewinnchance erhalten zu können. Bedingter Vorsatz eher nicht, da volantives Element des "Sich Abfindens" bzw. "billigend in Kauf nehmens" nachgerade abwegig erscheint, wenn der Veranstalter als "fall back" ein legales Quizspiel plant. Dann allenfalls bewusste Fahrlässigkeit, welche freilich für die subjektive Tatseite des § 263 StGB nicht hinreicht.

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