ArbG Berlin: Kündigung einer Compliance-Beauftragten der Deutschen Bahn im Zusammenhang mit dem "Datenskandal" unwirksam

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 23.06.2010

Eine leitende Mitarbeiterin der Deutschen Bahn, die im Bereich Compliance und Korruptionsbekämpfung tätig war, hat sich in erster Instanz erfolgreich gegen ihre Kündigung gewehrt (ArbG Berlin, Urt. vom 18. 2. 2010 - 38 Ca 12879/09, BeckRS 2010 68681 = ZIP 2010, 1191; dazu auch die Anmerkung von Kreienbrock GWR 2010, 257). Aufgabe der Klägerin war es, durch die Aufklärung von Korruptionsverdachten Schaden von der DB AG und ihren Tochterunternehmen abzuwenden. In diesem Rahmen hatte sie auch Überwachungsmaßnahmen durch Detektive oder Überwachungen von ausgetauschten Daten, insbesondere auch in E-Mails im hauseigenen Intranet, veranlasst. Nachdem öffentlich geworden war, in welchem Umfang die Bahn ihre Mitarbeiter überwacht hatte und ein hohes Bußgeld gegen den Konzern verhängt worden war (dazu BeckBlog vom 26.10.2009), kündigte die Bahn der Klägerin im Sommer 2009.

Das Arbeitsgericht hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Die Kündigung eines leitenden Mitarbeiters im Bereich „Compliance“ und Korruptionsbekämpfung wegen von ihm veranlasster Überwachungsmaßnahmen oder Datenabgleichen sei nur zulässig, wenn der betreffende Arbeitnehmer objektiv rechtswidrig gehandelt hat und der Arbeitnehmer subjektiv um die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen gewusst hat. Das bedürfe besonderer Darlegungen von Seiten des Arbeitgebers, wenn der zuständige Mitarbeiter keine juristische Ausbildung hat und andere Mitarbeiter einer „Compliance“-Arbeitsgruppe, in der der Mitarbeiter eingebunden war, über vertiefte juristische Kenntnisse verfügen und diese keine Bedenken gegen die Maßnahmen hatten. Bei begründetem Verdacht von Straftaten liege es nahe, dass insbesondere zur Korruptionsbekämpfung Überwachungsmaßnahmen gegenüber verdächtigen Mitarbeitern oder außenstehenden Dritten veranlasst werden. Dazu könnten, je nach den Verdachtsmomenten, auch Überwachungen durch Detektive oder Überwachungen von ausgetauschten Daten, insbesondere auch in E-Mails im hauseigenen Intranet, gehören. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption oder Wirtschaftsstraftaten im Unternehmen könne es in Einzelfällen auch erforderlich sein, personenbezogene Daten abzugleichen. Zur Aufdeckung von Straftaten dürften personenbezogene Daten eines Beschäftigten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt (anhängig beim LAG Berlin-Brandenburg - 24 Sa 841/10).

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