BGH-Richter: Neue Klagen zum Wohnungseigentumsrecht wahrscheinlich

von Mathias Bruchmann, veröffentlicht am 15.07.2010
BGH-Richter Dr. Michael Klein

In zahlreichen Regelungsbereichen des alten und neuen Wohnungseigentumsrechts gibt es nach wie vor offene Rechtsfragen. Weitreichende Klarheit soll nun der juristische Kommentar Bärmann „Wohungseigentumsgesetz (WEG)“ aus dem Verlag C.H.Beck bringen. Der bekannte graue WEG-Großkommentar erscheint im August in seiner 11. Auflage. Neu im Autorenteam ist BGH-Richter Dr. Michael Klein (Foto), Mitglied des für das Grundstücksrecht zuständigen V. Zivilsenats. Wir sprachen mit dem Bundesrichter über wegweisende WEG-Urteile des Bundesgerichtshofs und über den neuen „Bärmann“.

 Die WEG-Reform 2007 hatte einige Unklarheiten zur Folge. Wo musste der BGH tätig werden?

Die WEG-Reform erscheint im Bereich des materiellen Rechts grundsätzlich gelungen. Schwierigkeiten resultieren jedoch insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber das von dem BGH zur Haftung der Wohnungseigentümer entwickelte "Binnenhaftungsmodell" (BGH, Beschluss vom 2.6.2005, V ZB 32/05, NZM 2005, 543) nicht übernommen und durch die anteilige Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG ersetzt hat. Dies wirft Fragen nach der Abgrenzung dieser Haftung auf, deren Beantwortung für die Betroffenen schwer abzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.6.2009, VII ZR 196/08, NZM 2009, 622 zur gesamtschuldnerischen Haftung für die Kosten der Straßenreinigung einerseits; Urteil vom 7.3.2007, VIII ZR 125/06, NZM 2007, 363, zur Verneinung einer solchen Haftung für die Kosten der Gasversorgung, und Urteil vom 20.1.2010, VIII ZR 329/08, NZM 2010, 284, zu Kosten der Wasserversorgung andererseits).

Der Übergang von der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf die Zivilprozessordnung ist fragwürdig. Die Zivilprozessordnung ist auf die Entscheidung über einen Leistungsanspruch zwischen zwei Parteien angelegt, wobei diese über den geltend gemachten Anspruch und den Inhalt des Vortrags disponieren können. Die Probleme, die mit einer amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts und der Beteiligung Dritter an einem Verfahren verbunden sind, sind mit den Rechtsinstituten der Zivilprozessordnung nur schwer befriedigend zu lösen. Die von § 47 WEG vorgeschriebene Verfahrensverbindung, die Beiladung und die Erstreckung der Urteilswirkung nach § 48 WEG sollen abhelfen. Sie sind der Zivilprozessordnung jedoch grundsätzlich fremd und geben zu weiteren Fragen Anlass (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.2009, V ZR 235/08, NZM 2009, 864, zum Verhältnis von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage). Die Kostenregelung von § 91 ff ZPO führt trotz §§ 49 Abs. 2, 50 WEG (vgl. BGH, Beschluss vom 16.7.2009, V ZB 11/09, NZM 2009, 705, zu Umfang und Gegenstand der Kostenerstattungspflicht des unterlegenen Anfechtungsklägers) nicht immer zu angemessenen Ergebnissen. Dass die Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 WEG gegen die "übrigen Wohnungseigentümer" zu richten ist, ist überraschend (vgl. BGH, Urteil vom 6.11.2009, V ZR 11/09, NZM 2010, 46, zum fristwahrenden Übergang von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte).

Welche wegweisenden Entscheidungen zum WEG hat der BGH in den vergangenen Monaten gefällt?

Die wichtigsten Entscheidungen zum Wohnungseigentumsrecht aus der letzten Zeit sind meines Erachtens der Beschluss vom 15.10.2009, V ZB 43/09, NZM 2009, 909, nach welchem die Änderung von § 156 Abs. 1 ZVG nicht zur Folge hat, dass das laufende Hausgeld in der Zwangsverwaltung nicht mehr von dem betreibenden Gläubiger vorzuschießen ist, das Urteil vom 15. 1.2010, V ZR 114/09, NZM 2010, 205, zum Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG und einem Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG, der von dem vereinbarten Schlüssel weicht, und das diese Gedanken weiterführende, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil 17.6.2010, V ZR 164/09.

Wo sieht der BGH weiterhin Nachbesserungsbedarf beim WEG? Welche Entscheidungen stehen an?

§ 16 Abs. 4 WEG ist gut gemeint, verfehlt jedoch zum Teil sein Ziel. Auch die Novelle lässt die Fragen, die mit Mehrhausanlagen verbunden sind, ungeregelt. Ob die Mittel der Rechtsprechung ausreichend sind, die Besonderheiten dieser Form der Teilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum befriedigend zu erfassen, wird die Zukunft zeigen müssen. Verfahren hierzu sind derzeit nicht anhängig. Die rege Zulassungspraxis der Landgerichte lässt jedoch erwarten, dass diese Fragen in nächster Zeit auf den Bundesgerichtshof zukommen.

Was hat Sie bewogen, neben Ihrer Aufgabe als BGH-Richter bei einem umfangreichen Standardwerk wie dem Bärmann „Wohnungseigentumsgesetz“ mitzuwirken?

Der 10. Auflage des "Bärmann" liegt meines Erachtens eine in besonderem Umfang fruchtbare Zusammenarbeit von Hochschullehrern und Praktikern zugrunde. Der überraschende Tod von Herrn Dr. Wenzel gefährdete dieses Konzept. Um dieses fortzuführen, bin ich der Bitte des Verlags und von Herrn Prof. Dr. Merle nachgekommen, die Kommentierung von Herrn Dr. Wenzel fortzuführen.

Was zeichnet den "Bärmann" besonders aus?

Die Besonderheiten, die den "Bärmann" für mich wertvoll machen, sind die Tiefe der gedanklichen Durchdringung der Probleme, die mit dem Rechtsinstitut des Wohnungseigentums verbunden sind, die Praxisbezogenheit der Kommentierung und die Aktualität der Belege aus der Entscheidungspraxis der Gerichte und der juristischen Literatur.

Bärmann „Wohnungseigentumsgesetz“, 11. Auflage 2010, Verlag C.H.Beck, ISBN 978-3-406-60576-5, 138 Euro, www.beck-shop.de/31867

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