BGH zur Redezeitbeschränkung der Aktionäre in der Hauptversammlung

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 16.07.2010

Zum Dauerthema, inwieweit das Frage- und Rederecht eines Aktionärs in der Hauptversammlung wirksam beschränkt werden kann, liegt mittlerweile eine Entscheidung des BGH (II ZR 94/08 vom 8.2.2010) vor. Darin befasst sich der BGH mit der Auslegung von § 131 Abs. 2 S. 2 AktG. Diese Regelung wurde durch das UMAG (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts) eingeführt, um dem Missbrauch des Frage- und Rederechts in der Hauptversammlung von sog. „querulatorischen Aktionären“ entgegenzuwirken. § 131 Abs. 2 S.2 AktG sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen in der Satzung zu beschränken. Nähere Angaben, was dabei „angemessen“ bedeutet, enthält die Vorschrift nicht. Diese Unsicherheit bei der Gestaltung von entsprechenden Satzungsregelungen birgt im Falle unzulässiger Beschränkung der Redezeit das Risiko der Erhebung von Anfechtungsklagen. So war es auch in dem vom BGH entschiedenen Fall.

Die Satzungsregelung des angefochtenen Beschlusses lautete:

 "§ 20 (a)

Beschränkung des Rede- und Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung

(1) Der Versammlungsleiter hat das Recht, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich nach der Maßgabe des Folgenden zu beschränken:

a) Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) nur über die Gegenstände Verwendung des Bilanzgewinns, Entlastung der Mitglieder des Vorstands, Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats, Wahl des Abschlussprüfers und Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien oder einzelne dieser Gegenstände Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als sechs Stunden dauert. Bei der Berechnung der Dauer der Hauptversammlung bleiben die Zeiträume außer Betracht, die auf Unterbrechungen der Hauptversammlung und die Rede des Vorstands sowie die Ausführungen des Versammlungsleiters vor Beginn der Generaldebatte entfallen.

b) Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) auch über andere Gegenstände als nach Buchstabe a) Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als zehn Stunden dauert. Buchstabe a) Satz 2 gilt entsprechend.

c) Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit eines Aktionärs je Wortmeldung auf 15 Minuten beschränken und, wenn sich im Zeitpunkt der Worterteilung an den Aktionär mindestens drei weitere Redner angemeldet haben, auf zehn Minuten. Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit, die einem Aktionär während der Versammlung insgesamt zusteht, auf 45 Minuten beschränken.

d) Die Beschränkungen nach Buchstaben a) bis c) können vom Versammlungsleiter jederzeit, auch zu Beginn der Versammlung angeordnet werden.

e) Beschränkungen nach Maßgabe der vorstehenden Buchstaben a) bis d) gelten als angemessen im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG.

(2) Unabhängig von dem Recht des Versammlungsleiters, das Frage- und Rederecht der Aktionäre nach Maßgabe von Abs. 1 zu beschränken, kann der Versammlungsleiter um 22:30 Uhr des Versammlungstags den Debattenschluss anordnen und mit den Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten beginnen. Nach Anordnung des Debattenschlusses sind in den Fällen des Satzes 1 weitere Fragen nicht mehr zulässig.

(3) Das Recht des Versammlungsleiters, das Rede- und Fragerecht der Aktionäre über die Bestimmungen in Abs. 1 und 2 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen oder nach Maßgabe sonstiger in der Rechtsprechung anerkannter Grundsätze einzuschränken, bleibt von den Regelungen in Abs. 1 und 2 unberührt."

Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass konkrete Satzungsvorgaben zur Beschränkung der Frage- und Redezeit von Aktionären in der Hauptversammlung erlaubt sind und die zitierte Satzungsregelung für zulässig angesehen und somit erfreulicherweise für mehr Rechtssicherheit gesorgt.

Nach dem BGH ist insbesondere die Bestimmung von angemessenen konkreten Zeitrahmen für die Gesamtdauer der Hauptversammlung und die auf den einzelnen Aktionär entfallenden Frage- und Redezeiten, welche dann im Einzelfall vom Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu konkretisieren sind, zulässig. Ebenfalls zulässig ist die Einräumung der Möglichkeit, den Debattenschluss um 22.30 Uhr anzuordnen, um eine Beendigung der Hauptversammlung noch am selben Tag sicherzustellen. Der Versammlungsleiter hat bei der Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens die konkreten Umständen der Hauptversammlung zu beachten. Er hat sich insbesondere an den Geboten der Sachdienlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu orientieren, ohne dass dies in der Satzungsbestimmung ausdrücklich geregelt werden muss.

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