Was der durchschnittliche Mieter versteht

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 04.08.2010

Der durchschnittlich gebildete, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulte Mieter ist bekanntlich der Maßstab aller mietrechtlichen Dinge. Zwar wird er ausdrücklich nur im Betriebskostenrecht gefragt (BGH v. 16.5.2007 - XII ZR 13/05, NZM 2007, 516). Es wäre aber kaum nachvollziehbar, wenn er sich hier verstellen und in anderen Bereichen des Mietrechts andere Maßstäbe setzen würde.

Da den Kollegen - außerhalb von Karlsruhe - keiner kennt, war/ist unklar was er versteht, wenn der Vermieter ihm eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges zustellt. Bei einfach gelagerten Sachverhalten versteht er, was der Vermieter will, wenn im Kündigungsschreiben auf den Zahlungsverzug abgestellt und ein Gesamtrückstand angegeben wird (BGH v. 22.12.2003 - VIII ZB 94/03, NZM 2004, 187). Hat sich aber über lange Zeit der Rückstand aufgebaut, weil immer wieder (unbenannte) Zahlungen geleistet wurden, wurde vertreten, dass in einem solchen Fall aus dem Kündigungsschreiben stets ersichtlich sein müsse, welche (Teil-) Zahlungen der Mieter, gegebenenfalls auch ein Dritter, geleistet habe und wie diese Zahlungen auf die jeweiligen Monate verrechnet worden seien (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 569 BGB Rz. 73).

Nach Auffassung des BGH genügt es zur formellen Wirksamkeit einer Kündigung, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass er diesen Rückstand als gesetzlichen Grund für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht, um mit Hilfe dieser Angaben die Kündigung auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen und in eigener Verantwortung entscheiden zu können, wie er darauf reagieren will (BGH v. 22.12.2003 - VIII ZB 94/03, NZM 2004, 187). In anderen Fällen genügt die die Kündigung den Anforderungen des § 569 Abs. 4 BGB jedenfalls dann, wenn der Rückstand monatsbezogen aufgelistet und anschließend saldiert ist, ohne dass der Vermieter ein von ihm selbst für möglich gehaltenes Minderungsrecht berücksichtigt (BGH v. 12.5.20010 - VIII ZR 96/09, BeckRS 2010, 15919).

Wie richtig und richtungsweisend diese Entscheidung ist, macht bereits ihr Sachverhalt deutlich: der Vermieter hatte wegen Rückständen aus der Zeit von Mai 2004 bis April 2007 gekündigt und dem Mieter vor Ausspruch der Kündigiung eine Minderung von 20% angeboten. Nachdem der Mieter das Angebot nicht angnommen hatte, listete der Vermieter den - aus seiner Sicht - bestehenden, ungeschmälerten Rückstand auf; der Mieter zahlte, was er meinte, noch zu schulden, insbesondere was auf ein ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht entfiel. Da dies zu wenig war, wurde er zur Räumung verurteilt.

Dem Vermieter fällt also nicht zur Last, dass er die Rechtslage falsch wertet (oder Zahlungen falsch verrechnet). Der Mieter trägt das Risiko seiner Rechtsausübung.

 

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