BGH: BAK-Berechnung kann nicht dahinstehen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.08.2010

Der BGH (BGH, Beschluss vom 28. April 2010 - 5 StR 135/10 - ich hab ihn bei www.hrr-strafrecht.de gefunden) hat sich einmal mehr mit der Frage der Alkoholisierung, der BAK-Berechnung und der Strafzumessung befasst. Zwar handelt es sich bei dem zugrundeliegenden Fall nicht um eine Frage des Straßenverkehrsrechts, doch sind die Grundsätze aus der Entscheidung auch hier anwendbar:

...Auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten durfte das Landgericht nicht ohne weiteres von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration absehen. Von ihr ist ein Tatgericht nicht schon dann entbunden, wenn die Angaben des Angeklagten zum konsumierten Alkohol nicht exakt sind (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 23). Vielmehr ist eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen - insoweit enthält das Urteil keine Ausführungen - zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholkonsums ermöglichen (BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 29; BGH StV 1993, 519). Die durch die Strafkammer mitgeteilte Einlassung des Angeklagten war als Berechnungsgrundlage nicht offensichtlich ungeeignet. Er hatte Art und Gesamtmenge des gemeinsam mit N. U. und B. getrunkenen Alkohols sowie eine noch eingrenzbare Konsumzeit ("im Verlaufe des Abends") angegeben.

Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung psychodiagnostischer Faktoren lässt besorgen, dass es von unzutreffenden Maßstäben ausgegangen ist. Es war nicht erforderlich, dass der Grad der Alkoholisierung für sich genommen bereits eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten begründete. Vielmehr war nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens, dem sich das Landgericht anschließt, lediglich eine zu dem festgestellten Schwachsinn und der Impulskontrollschwäche hinzutretende "Alkoholisierung mit enthemmender Wirkung" (UA S. 22) erforderlich, um zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zu führen. Das Landgericht selbst geht davon aus, dass die festgestellte Alkoholisierung des Angeklagten zu einer "gewissen Enthemmung" (UA S. 23) geführt habe. Die im Urteil angeführten psychodiagnostischen Merkmale belegen lediglich, dass er "noch alles mitbekam" (UA S. 23) und "die Situation, in der er sich befand, zutreffend einschätzen konnte" (UA S. 24), also nicht "sinnlos" betrunken war. Dass sich das bereits im Vorfeld der Tat provozierende, Streit suchende Verhalten des Angeklagten auch mit seiner Impulskontrollstörung vereinbaren lässt, bedeutet nicht, dass es nicht daneben auch Ausdruck einer erheblichen alkoholischen Enthemmung ist. Hierzu hätte es weiterer Erwägungen bedurft....

 

 

 

 

 

Hierzu (Eigenwerbung):

Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis und Alkohol, 5. Aufl. 2010.

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