Ausspähen von WLANs und IT-Grundrecht

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 17.08.2010

Der Glaubenskrieg zu Google Street View ist voll entflammt. Nur zwei Tage nachdem Google eine ganzseitige Werbeanzeige in der SZ geschaltet hat, auf der  Street View erklärt und verteidigt wird, zeigt Heribert Prantl in einem Leitartikel, dass er von diesen Argumenten gar nichts hält. Prantl bringt noch ein Argument, das alle, die jetzt der Abbildung ihrer Häuser in Street View widersprechen wollen, stutzig machen sollte: Mit dem Widerspruch erhält Google ja auch die Daten des Widersprechenden und wer weiss, was damit noch geschieht ... Das wiederum führt dazu, dass sich erklärte Prantl-Anhänger wie der Kollege Thomas Stadler entsetzt in ihrem Blog abwenden: Da tun sich Gräben auf.

Gerade rechtzeitig kommt da in der neuen Ausgabe von Computer und Recht der Artikel von Christian Hoffmann (CR 2010, 514), der sich einer Google-Panne widmet, die wahrscheinlich viel zum gegenwärtigen Mißtrauen beigetragen hat: Das Einsammlen von Informationen über Drahtlosnetzwerke (WLANs) durch Google während der Street-View-Kamerafahrten.

WLANs sind ja gegenwärtig rechtliche Hot-Spots in jeder Hinsicht: Haftung des Betreibers eines ungesicherten WLANs (BGH), strafloses Schwarzsurfen über ein ungesichertes WLAN (LG Wuppertal) oder eben Auslesen von WLAN-Daten durch Unternehmen (wobei Google dem Vernehmen nach diesbezüglich nicht der einzige "Späher" war).

Das Auslesen von Informationen aus WLANs verstößt nach Auffassung von Hoffmann gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegen das vom BVerfG im Online-Durchsuchungsurteil aus Art. 2 GG abgeleitete "IT-Grundrecht" (Langfassung: Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme).

Ein unerlaubtes Auslesen von Datenfragmenten, E-Mails und Passwörtern kann haftungsrechtlich zu Konsequenzen für den Ausspäher führen: Da wäre zunächst § 7 BDSG - eine eher unbekannte Haftungsnorm. § 7 BDSG ist allerdings nur auf Ersatz des materiellen Schadens gerichtet, der in den Fällen des Auslesens von Daten so gut wie nicht nachgewiesen werden kann.

Interessanter sind dagegen Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, denn das IT-Grundrecht ist - wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht - ein "sonstiges Recht" i.S.d. Vorschrift (so jedenfalls die sich gegenwärtig herausbildende herrschende Meinung). Ähnlich wie bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts könnte der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, Art. 2 GG  - jedenfalls in schweren Fällen - auch auf den Ersatz des immateriellen Schadens gehen. Dass die deutschen Gerichte - wenn überhaupt - hohe Beträge zusprechen würden, ist aber kaum zu erwarten.

Ausgespähte Nutzer haben es also schwer: Erst einmal müssten sie überhaupt wissen und nachweisen, dass ihre Daten ausgelesen wurden. Wollten sie dann Ansprüche geltend machen, müssten sie voraussichtlich nachweisen, dass es sich um einen "schweren Fall" handelt. Und dann wird das "Schmerzensgeld" vermutlich auch noch minimal ausfallen.

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3 Kommentare

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Naja, dazu kommt, dass es sich lediglich um Daten handelt, die unverschlüsselt von den Benutzern in den Äther geschickt worden sind. Ich habe Zweifel, ob da nicht auch noch ein erhebliches Mitverschulden hinzukommt.

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@ Hans Werner: § 254 BGB ist sicherlich ein Gesichtspunkt, aber viele User, gerade Laien, dürften sich überhaupt nicht bewusst gewesen sein, dass die Daten ausgelesen werden können. Nach der WLAN-Entscheidung des BGH dürfte aber mittlerweile das Problembewusstsein gestiegen sein.

Update: Nach einem Bericht der New York Times ist in Spanien gegen Google wegen des "Data Harvesting" aus Drahtlosnetzwerken jetzt ein strafrechtliches Ermitlungsverfahren eingeleitet worden, siehe hier.

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